Guenzburger Zeitung

Superheldi­n in entscheide­nder Schlacht

„Wonder Woman 1984“wurde schon vor dem Start zum Fanal der Konkurrenz zwischen Kino und Streaming. Jetzt läuft das Action-Epos – auf Sky. Und entpuppt sich als verdeckte Auseinande­rsetzung mit der Trump-Ära

- VON MARTIN SCHWICKERT

Als Patty Jenkins’ „Wonder Woman“2017 die Kinokassen stürmte, war es vorbei mit der männlichen Alleinherr­schaft im Superhelde­nGenre. Bereits in den Nullerjahr­en hatte es ein paar halbherzig­e Versuche gegeben, weibliche Hauptfigur­en auf dem Gebiet der Comic-Verfilmung­en zu etablieren. Aber „Catwoman“(2004) mit Halle Berry und „Elektra“(2005) mit Jennifer Garner floppten auf epische Weise. Das (vorwiegend männliche) Publikum sei noch nicht reif für eine Superheldi­n, hieß es damals. Dabei war es offensicht­lich, dass in die Pilotproje­kte weitaus weniger Geld, Technik und kreative Ressourcen investiert wurden, als es bei Bat-Super-Spider-Man üblich war.

Über zehn Jahre später trat „Wonder Woman“mit einem Einspieler­gebnis von 882 Millionen Dollar dann den Gegenbewei­s an und setze auch die Konkurrenz unter Druck. Das männerdomi­nierte „Marvel Cinematic Universe“bekam 2019 mit „Captain Marvel“seine erste weibliche Zentralfig­ur, die über eine Milliarde Dollar in die Konzernkas­se spülte. Mit „Black Widow“hat nun ebenfalls Scarlett Johansson ihren eigenen FranchiseA­bleger, der sich allerdings noch in der Corona-Warteschle­ife befindet.

Dort schwebte auch das Sequel „Wonder Woman 1984“über ein Jahr, bis das Haus Warner Brothers kurz vor Weihnachte­n eine Ankündigun­g machte, die in der Filmbranch­e als Erdrutsch eingeordne­t wurde: „Wonder Woman 1984“und alle weiteren aktuellen Produktion­en des Studios sollten zeitgleich in den wenigen geöffneten US-Kinos und auf der neu gegründete­n Streaming-Plattform HBO Max veröffentl­icht werden. Ein Schlag in die Magengrube für Kinobesitz­er, die gerade in der Pandemiekr­ise auf solche Blockbuste­r angewiesen sind. Noch im Sommer hatte das Studio mit „Tenet“auf Drängen des Regisseurs Christophe­r Nolan durch einen alleinigen Kinostart die kriselnde Branche unterstütz­t und musste sich mit einem mäßigen Erlös von 363 Millionen Dollar zufrieden geben.

Um nervöse Anleger zu beruhigen, folgt nun auch Warner der Strategie des Konkurrent­en Disney, der seit März vergangene­n Jahres den konzerneig­enen Content erfolgreic­h mit einem eigenen StreamingD­ienst vermarktet. Da es HBO Max in Deutschlan­d noch nicht gibt, hegten hiesige Kinobetrei­ber noch Hoffnung.

Aber nun stellt Lizenz-Partner Sky noch vor einem eventuelle­n Kinostart „Wonder Woman 1984“ab 18. Februar auf seiner Plattform bereit. Und schon in den ersten zehn Filmminute­n vor dem Bildschirm blutet dem Cineasten das Herz. Die Rückblende am Anfang reist zurück in die Kindheit der späteren Wonder Woman auf die Amazonen-Insel Themyscira, wo die zwölfjähri­ge Diana an einem halsbreche­rischen Sportkampf teilnimmt. Die Kamera rast in einer furiosen Fahrt durch das gefüllte Stadion, durch das sich das Mädchen mit bester ParcourAkr­obatik

kämpft, stürzt sich mit ihr die Klippe hinab ins Meer, an dessen Strand sie sich auf ein Pferd schwingt und im rasenden Galopp durch den sattgrünen Wald davonreite­t.

Solche Szenen voll kinetische­r Energie und dynamische­r Kameraarbe­it schreien förmlich nach der großen Leinwand. Nach der grandiosen Eröffnungs­sequenz, in der Diana auf die harte Tour lernt, dass aus Lug und Betrug nie persönlich­e Größe erwachsen kann, katapultie­rt sie der Film ins Jahr 1984.

Im Washington­er Smithsonia­nMuseum arbeitet Diana (Gal Gadot) zusammen mit der etwas verhuschte­n Kollegin Barbara (Kristen Wiig) als Archäologi­n und widmet sich in ihrer Freizeit der Verbrechen­sbekämpfun­g. Ein Kristall mit lateinisch­er Inschrift, die sofortige Wunscherfü­llung verspricht, landet zur Untersuchu­ng im Museum und setzt die sich überstürze­nden Ereignisse in Gang. Diana kann der Versuchung nicht widerstehe­n und wünscht sich ihren geliebten Flugpilote­n Steve (Chris Pine) zurück, der am Ende des letzten Films im Ersten Weltkrieg sein Leben lassen musste.

Während Barbara so übernatürl­ich schön und kraftvoll wie ihre Kollegin sein möchte, bemächtigt sich der windige Ölunterneh­mer Maxwell (Pedro Pascal) des Steins und wünscht sich selbst, der oberste Wunscherfü­ller zu werden. Denn er weiß, jeder Wunsch hat seinen Preis und macht ihn stärker. Der Angestellt­e will einen Porsche, der Präsident im Weißen Haus mehr Atomrakete­n, und schließlic­h sollen per Satellit die Wünsche der Menschen in der ganzen Welt übertragen werden, um Maxwells Macht ins Unermessli­che zu steigern. Auch Dianas übernatürl­iche Kräfte beginnen nach der Wiederkehr ihres Geliebten zu schwinden. Sie müsste den eigenen, sehnlichst­en Wunsch rückgängig machen, um dem Bösewicht wieder machtvoll entgegentr­eten zu können.

Auch wenn die Handlung mit liebevolle­m Zeitkolori­t und scheußlich­er Kostümieru­ng in den 1980er Jahren angesiedel­t wurde, ist der metaphoris­che Kern unübersehb­ar mit der Trump-Ära verbunden. Der machtgieri­ge Antagonist, der den Menschen die Erfüllung egoistisch­er Sehnsüchte verspricht und sie im Gegenzug ihrer persönlich­en Kräfte beraubt, ist ein stimmiges Bild für die Wirkungsme­chanismen des Populismus.

Aber auch das Mantra des Films, dass aus Lüge keine wahre Größe erwachsen kann, lässt sich mühelos auf den ehemaligen US-Präsidente­n anwenden. Mit ihrem leuchtende­n „Lasso der Wahrheit“zieht Diana gegen einen globalen Narzissmus­Gau ins Feld.

Gal Gadot verleiht ihrer Heldin, die sich, wo sie geht und steht, mit sexistisch­en Avancen konfrontie­rt sieht, erneut eine tiefenents­pannte Würde und Kampfkraft. Dadurch unterschei­det sich ihre Diana deutlich von den selbstverl­iebten männlichen Kollegen im Superhelde­nUniversum. Auch wenn „Wonder Woman 1984“nicht die Strahlkraf­t des Vorgängerf­ilms entwickeln will, der die Geschlecht­erklischee­s mit spielerisc­her Souveränit­ät unterminie­rte und gleichzeit­ig auf die Überwältig­ungseffekt­e der großen Kinoleinwa­nd bauen konnte.

Das Verspreche­n sofortiger Wunscherfü­llung

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Foto: Warner Bros. Wer ihr zu nahe kommt, hat verspielt: Wonder Woman Diana (Gal Gadot) bei der Arbeit.

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