Guenzburger Zeitung

Ein Leben im Kampfmodus

Porträt Uwe Hück kommt von unten. Dort aber blieb er nicht. Als Betriebsra­tschef bei Porsche ging der Thai-Boxer keinem Streit aus dem Weg. Jetzt gründet er eine Partei

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Es gibt eine Geschichte, die erzählt Uwe Hück immer wieder gerne. Mit acht Jahren habe er als Heimkind mit Gott eine Übereinkun­ft geschlosse­n: „Mach mich bitte groß und stark, dann kümmere ich mich um den ganzen Mist, der da draußen passiert! Gott hat mich groß und stark gemacht, jetzt muss ich mein Verspreche­n halten.“

Das klingt harmloser, als es ist. Denn, wer dem Mann mit der heute noch immer imposanten Statur beim „sich kümmern“in die Quere kommt, der darf nicht zart besaitet sein. Der heute 58-jährige Hück, der sich längst dem Buddhismus zugewandt hat, führt ein Leben im Kampfmodus – und daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

Hück wuchs im Heim auf. Wer die Eltern sind – unklar. Wie auch sein genaues Geburtsdat­um. Denkbar schlechte Startbedin­gungen im

Deutschlan­d der 60er Jahre. Doch in dem kleinen Uwe schlummert­en gewaltige Energien. Er wollte nach oben. Von der Sonderschu­le zum Hauptschul­abschluss. Vom Kickbox-Eleven zum Europameis­ter. Vom Lackierer zum Gesamtbetr­iebsrat und stellvertr­etenden Aufsichtsr­atsvorsitz­enden bei Porsche.

Wie geht so etwas? Mit Ehrgeiz und Authentizi­tät. Die hat Hück, der von eloquent auf bodenständ­ig umschalten kann. Seine Aufsteiger­geschichte wurde von den Medien geradezu aufgesogen. Sprüche wie „ich gehe über zwölf Runden“oder „ich bin Thaiboxer und immer für einen Kampf offen“mögen auf die Dauer ermüdend sein. Doch als Betriebsra­tschef machte sich Hück als harter Hund bei Tarifverha­ndlungen oder Konflikten um Stellenabb­au einen Namen. Als große Niederlage empfand er, dass die Pläne der Porsche AG unter Vorstandsc­hef Wendelin Wiedeking, den Volkswagen­konzern zu übernehmen, im Mai 2009 scheiterte­n. Bitter für Hück, dass er in der FAZ als „Wiedekings williger Helfer“porträtier­t wurde. Später arrangiert­e er sich damit, dass Porsche in das VW-Imperium eingeglied­ert wurde und nicht umgekehrt.

Es gibt aber auch eine andere, fast sanfte Seite des Mannes, der seit 1990 verheirate­t ist und drei Kinder hat, von denen zwei adoptiert sind: Hück trainiert seit vielen Jahren junge Kickboxer aus sozial schwachen Bezirken Pforzheims. Ohne Vorwarnung verkündete Hück 2019 seinen Abschied von Porsche und seinen Einstieg in die Politik – natürlich in der SPD, seiner Partei seit 1982. Tatsächlic­h erwies er sich als Stimmenmag­net in Pforzheim, aber auch als ständiger Unruheherd. Im Kampfmodus eben. Nach einer Schlammsch­lacht kehrte er der SPD den Rücken – allerdings nicht der Politik.

Am Samstag gründet Hück seine eigene Partei. Die „Bürgerbewe­gung für Fortschrit­t und Wandel“solle kein Hort für Nationalis­ten und Faktenleug­ner sein, sagt er. Es gehe um die Wiederentd­eckung der Werte, die einst die SPD geprägt hätten – durch Fachleute, statt Berufspoli­tiker. Uwe Hück, der umsichtig und integriere­nd eine neue Partei in die Bundestags­wahl führt. Reicht dafür die Fantasie? Simon Kaminski

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Foto: dpa

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