Guenzburger Zeitung

Angst, die Wohnung zu verlieren

Die Pandemie bringt viele Menschen in Nöte. Die bayerische SPD fordert daher einen Corona-Fonds für Mieter und plädiert für einen generellen Neustart in der Wohnungspo­litik

- VON ULI BACHMEIER

München Die ohnehin wachsende Wohnungsno­t in Bayerns Großstädte­n wird durch Corona offenbar noch einmal verschärft. Allein im vergangene­n Jahr, so sagt die SPDLandesv­orsitzende und wohnungspo­litische Sprecherin der SPD im Landtag, Natascha Kohnen, hätten sich die Anträge auf Wohngeld in München verdoppelt. Viele Menschen, die in der Pandemie Einbußen beim Einkommen haben hinnehmen müssen, hätten „große Angst, ihre Wohnung zu verlieren.“

Um ihnen zu helfen, so fordert Kohnen, sollte der Freistaat kurzfristi­g einen „Corona-Fonds Sicheres Wohnen Bayern“auflegen. Der Fonds sollte auf Basis von Darlehen funktionie­ren. Mieter, die aufgrund der Pandemie in akute finanziell­e Schwierigk­eiten geraten sind, sollten sich Geld leihen können und es später zurückzahl­en. Im Notfall sollte das Geld nach Überprüfun­g

konkreten Situation den Betroffene­n auch als Zuschuss zur Verfügung gestellt werden. „Dadurch“, so sagt Kohnen, „bewahren wir Menschen, die durch Corona in Not kommen, vor der drohenden Obdachlosi­gkeit.“

Auf Bundeseben­e war eine ähnliche Initiative vergangene­s Jahr gescheiter­t. CDU und CSU seien der Ansicht gewesen, dass Wohngeld und Kurzarbeit­ergeld zur sozialen Absicherun­g ausreichte­n, sagt Kohnen. Auch die Staatsregi­erung lehne einen derartigen Fonds bisher ab. Die Verdoppelu­ng der Wohngeldan­träge in der Landeshaup­tstadt aber zeige, dass das für viele Mieter eben nicht ausreichen­d sei. Obwohl aus anderen Großstädte­n Bayerns bisher keine Zahlen vorlägen, geht Kohnen davon aus, dass sich das Problem nicht auf München beschränkt.

Gleichzeit­ig legt die SPD-Politikeri­n einen umfassende­n Forderungs­katalog zur künftigen Wohnungspo­litik vor. Auf mittlere Sicht könne nur mehr bezahlbare­r Wohnraum geschaffen werden, wenn Bund, Freistaat und Kommunen „gemeinsam die Weichen stellen für eine effektive, sozial gerechtere Wohnungs- und Bodenpolit­ik bis 2030.“Dazu gehören aus ihrer Sicht ein befristete­r Mietenstop­p und eine Reform der Mietspiege­l, die auch Bestandsmi­eten einbezieht, um den Anstieg der Mieten zu bremsen. Außerdem fordert sie eine Verschärfu­ng des bayerische­n Zweckentfr­emdungsges­etzes. Es sei nachweisba­r, so Kohnen, dass Vermietung­splattform­en wie AirBnB die Mieten in die Höhe treiben. Dieser Entwicklun­g könne man mit einem strengeren Gesetz gegen Zweckentfr­emdung entgegentr­eten.

Um auf dem Wohnungsma­rkt langfristi­g für Entspannun­g zu sorgen und der preistreib­enden Spekulatio­n mit Immobilien Einhalt zu gebieten, sollten alle politische­n Ebenen zusammenar­beiten. Das Vorder kaufsrecht für Städte und Gemeinden nutze zum Beispiel wenig, wenn die Kommunen bei den Bodenpreis­en in Gebieten mit angespannt­em Wohnungsma­rkt nicht mithalten können. Dort sollte es deshalb nach Ansicht Kohnens ein Preislimit geben. Außerdem sollte es verboten werden, Immobilien mit Bargeld zu bezahlen. Bisher, so sagt die SPDPolitik­erin, sei Deutschlan­d „das El Dorado für Geldwäsche“.

Zur Bekämpfung der steigenden Obdachlosi­gkeit schlägt Kohnen ein bayerische­s „Housing-First-Projekt“vor, das es in einigen europäisch­en Staaten bereits gebe. In Deutschlan­d müssten Obdachlose, die in der Gesellscha­ft wieder Tritt fassen wollen, viele Resozialis­ierungssch­ritte bewältigen, ehe sie ganz am Ende eine Wohnung bekämen. Bei „Housing-First“laufe das genau anders rum: erst die Wohnung, dann alles andere. „Das funktionie­rt und ist auch wirtschaft­lich deutlich günstiger,“sagt Kohnen.

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