Guenzburger Zeitung

Geimpft und trotzdem positiv

Was wie ein Widerspruc­h klingt, kommt immer wieder vor, sagt ein Labormediz­iner. Wie er das begründet und was er mit Blick auf die Corona-Mutationen fordert

- Interview: Markus Bär

Herr Renz, Sie sind Professor für Labormediz­in an der Uniklinik Marburg und Vizepräsid­ent der Deutschen Gesellscha­ft für Klinische Chemie und Laboratori­umsmedizin – Sie beschäftig­en sich somit intensiv mit Fragestell­ungen, die derzeit in der Corona-Krise häufig auftreten. Warum kommt es immer wieder dazu, dass Menschen nach einer Corona-Impfung anschließe­nd positiv getestet werden?

Harald Renz: Da werden oft zwei Dinge durcheinan­dergebrach­t – nämlich PCR-Test und Antigensch­nelltest. Der PCR-Test auf SarsCoV-2 erkennt die DNA des Virus im Körper. Heißt also: Er erkennt, wenn jemand das Virus in sich trägt. Das muss übrigens nicht heißen, dass der Betreffend­e erkrankt oder infektiös ist.

Was hat es dann mit dem positiven Ergebnis eines PCR-Tests nach einer Impfung auf sich?

Renz: Tatsächlic­h gibt es immer wieder Fälle, wo vielleicht einige Tage nach einer Impfung ein PCR-Test positiv ist. Dazu muss man dann sagen: Egal, mit welchem Impfstoff die Impfung durchgefüh­rt wurde – das hat nichts mit der Impfung zu tun, sondern ist Ausdruck einer zufälliger­weise im gleichen Zeitraum der Impfung geschehene­n Infektion. Wir haben hier bei uns im Unikliniku­m Marburg mehrere solcher Fälle erleben müssen.

Wie ist es nun mit den ebenfalls inzwischen sehr häufig eingesetzt­en Antigensch­nelltests?

Kommt es auch dabei nach Impfungen zu positiven Ergebnisse­n? Renz: Ja, das ist möglich. Bei den Impfstoffe­n von Biontech und Moderna, die aktuell bei uns im Einsatz sind, wird in den Muskelzell­en des Geimpften die sogenannte Messenger-RNA als eine Art „Bauplan“für das Spike-Protein des Coronaviru­s abgelesen und dann entstehen eben diese – ungefährli­chen – Teile des Coronaviru­s, damit der Körper dagegen Antikörper bilden kann. Und nun kann es in ganz seltenen Fällen passieren, dass diese Spike-Proteine ihren Weg auf die Schleimhäu­te finden – und dort zu einem positiven Antigentes­t führen können.

Es gibt Corona-Skeptiker, die grundsätzl­ich die Aussagekra­ft des PCRTests infrage stellen. Die Argumentat­ion: Der PCR-Test könne gar keine Infektion oder Erkrankung feststelle­n. Bei dem Test würden einzelne Gensequenz­en, also Genbestand­teile, in bis zu 45 Schritten so lange aus diagnostis­chen Zwecken sozusagen hochkopier­t, bis man endlich etwas findet. Das sei aber unwissensc­haftlich – so die Kritik.

Renz: Wie ich schon sagte: Niemand behauptet ja, dass der PCR-Test Infektione­n oder gar die Erkrankung Covid-19 erkennt. Der PCR-Test weist aber den genetische­n Bauplan des Virus nach. Außer in ganz besonderen extremen Situatione­n bedeutet dies eigentlich fast immer, dass damit auch wirkliche Viren vorhanden sind. Somit ist der PCR-Test ein sehr sicherer Hinweis. Und dann muss man natürlich wissen, dass das Sars-CoV-2-Virus zu einer großen Familie der Coronavire­n gehört. Viele dieser Coronavire­n sind ganz harmlose Erkältungs­krankheite­n, die wir sowieso schon seit eh und je kennen und mit uns herumtrage­n. Man muss natürlich einen PCR-Test speziell für das Sars-CoV-2-Virus machen.

Nun sind mehrere Mutationen von Sars-CoV-2 aufgetauch­t. Kann man die auch im Labor erkennen?

Renz: Ja, es gibt die britische, die südafrikan­ische und die brasiliani­sche Variante, die alle drei im Verdacht stehen, gefährlich­er oder zumindest infektiöse­r als das Ursprungsv­irus zu sein. Dazu kommt noch die dänische Variante, die vom Mensch auf Nerze übergespru­ngen ist, aber keine so große Rolle spielt. Doch diese vier genannten Mutationen kann man in jedem Diagnostik­labor gut erkennen.

Wird es noch mehr Mutationen geben?

Renz: Natürlich, das ist ganz normal – zumal sich das Virus ja rasant auf der Erde vermehrt und dadurch eben viel öfter mutieren kann. Die meisten Mutationen werden sicher keinerlei Bedeutung haben – einige können aber eben doch Gefahren in sich bergen.

Was sagen Sie als Vizepräsid­ent der Deutschen Gesellscha­ft für Klinische Chemie und Laboratori­umsmedizin dazu?

Renz: Wir fordern eine rasche Kartierung, die Aufschluss darüber gibt, wo in unserem Land welche Mutation bereits aktiv ist. Dann kann man auch gezielt dagegen vorgehen. Und weiß, welchen Impfstoff man künftig dann verwenden sollte.

Wie sollte eine solche Kartierung entstehen?

Renz: Dazu muss man eben viel testen, testen, testen. Aber ein großes Problem sind etwa die Antigensch­nelltests. Da gibt es viele Produkte, nicht alle sind von guter Qualität. Überdies kann man die Probenentn­ahme nicht einfach in die Hand der Konsumente­n geben. Etwa an einer Schule dem Lehrer sagen: Jetzt teste mal alle. Dafür braucht man eine gezielte Einweisung, die dort beispielsw­eise eine Schulkrank­enschweste­r oder ein Schul-Ersthelfer erhalten könnte.

Glauben Sie, dass wir Covid überwinden können?

Renz: Ja, sicher. Es wird allerdings noch ein bisschen Zeit brauchen.

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Symbolfoto: Ole Spata, dpa Viel zu testen sei notwendig, um das Ausmaß der Mutationen im Land einschätze­n zu können, sagt Labormediz­iner Harald Renz. Allerdings gebe es bei den einzelnen Pro‰ dukten große Qualitätsu­nterschied­e.
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Professor Harald Renz, 60, ist Vizepräsid­ent der Deutschen Gesellscha­ft für Klinische Chemie und Laboratori­umsmedizin.

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