Geimpft und trotzdem positiv
Was wie ein Widerspruch klingt, kommt immer wieder vor, sagt ein Labormediziner. Wie er das begründet und was er mit Blick auf die Corona-Mutationen fordert
Herr Renz, Sie sind Professor für Labormedizin an der Uniklinik Marburg und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin – Sie beschäftigen sich somit intensiv mit Fragestellungen, die derzeit in der Corona-Krise häufig auftreten. Warum kommt es immer wieder dazu, dass Menschen nach einer Corona-Impfung anschließend positiv getestet werden?
Harald Renz: Da werden oft zwei Dinge durcheinandergebracht – nämlich PCR-Test und Antigenschnelltest. Der PCR-Test auf SarsCoV-2 erkennt die DNA des Virus im Körper. Heißt also: Er erkennt, wenn jemand das Virus in sich trägt. Das muss übrigens nicht heißen, dass der Betreffende erkrankt oder infektiös ist.
Was hat es dann mit dem positiven Ergebnis eines PCR-Tests nach einer Impfung auf sich?
Renz: Tatsächlich gibt es immer wieder Fälle, wo vielleicht einige Tage nach einer Impfung ein PCR-Test positiv ist. Dazu muss man dann sagen: Egal, mit welchem Impfstoff die Impfung durchgeführt wurde – das hat nichts mit der Impfung zu tun, sondern ist Ausdruck einer zufälligerweise im gleichen Zeitraum der Impfung geschehenen Infektion. Wir haben hier bei uns im Uniklinikum Marburg mehrere solcher Fälle erleben müssen.
Wie ist es nun mit den ebenfalls inzwischen sehr häufig eingesetzten Antigenschnelltests?
Kommt es auch dabei nach Impfungen zu positiven Ergebnissen? Renz: Ja, das ist möglich. Bei den Impfstoffen von Biontech und Moderna, die aktuell bei uns im Einsatz sind, wird in den Muskelzellen des Geimpften die sogenannte Messenger-RNA als eine Art „Bauplan“für das Spike-Protein des Coronavirus abgelesen und dann entstehen eben diese – ungefährlichen – Teile des Coronavirus, damit der Körper dagegen Antikörper bilden kann. Und nun kann es in ganz seltenen Fällen passieren, dass diese Spike-Proteine ihren Weg auf die Schleimhäute finden – und dort zu einem positiven Antigentest führen können.
Es gibt Corona-Skeptiker, die grundsätzlich die Aussagekraft des PCRTests infrage stellen. Die Argumentation: Der PCR-Test könne gar keine Infektion oder Erkrankung feststellen. Bei dem Test würden einzelne Gensequenzen, also Genbestandteile, in bis zu 45 Schritten so lange aus diagnostischen Zwecken sozusagen hochkopiert, bis man endlich etwas findet. Das sei aber unwissenschaftlich – so die Kritik.
Renz: Wie ich schon sagte: Niemand behauptet ja, dass der PCR-Test Infektionen oder gar die Erkrankung Covid-19 erkennt. Der PCR-Test weist aber den genetischen Bauplan des Virus nach. Außer in ganz besonderen extremen Situationen bedeutet dies eigentlich fast immer, dass damit auch wirkliche Viren vorhanden sind. Somit ist der PCR-Test ein sehr sicherer Hinweis. Und dann muss man natürlich wissen, dass das Sars-CoV-2-Virus zu einer großen Familie der Coronaviren gehört. Viele dieser Coronaviren sind ganz harmlose Erkältungskrankheiten, die wir sowieso schon seit eh und je kennen und mit uns herumtragen. Man muss natürlich einen PCR-Test speziell für das Sars-CoV-2-Virus machen.
Nun sind mehrere Mutationen von Sars-CoV-2 aufgetaucht. Kann man die auch im Labor erkennen?
Renz: Ja, es gibt die britische, die südafrikanische und die brasilianische Variante, die alle drei im Verdacht stehen, gefährlicher oder zumindest infektiöser als das Ursprungsvirus zu sein. Dazu kommt noch die dänische Variante, die vom Mensch auf Nerze übergesprungen ist, aber keine so große Rolle spielt. Doch diese vier genannten Mutationen kann man in jedem Diagnostiklabor gut erkennen.
Wird es noch mehr Mutationen geben?
Renz: Natürlich, das ist ganz normal – zumal sich das Virus ja rasant auf der Erde vermehrt und dadurch eben viel öfter mutieren kann. Die meisten Mutationen werden sicher keinerlei Bedeutung haben – einige können aber eben doch Gefahren in sich bergen.
Was sagen Sie als Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin dazu?
Renz: Wir fordern eine rasche Kartierung, die Aufschluss darüber gibt, wo in unserem Land welche Mutation bereits aktiv ist. Dann kann man auch gezielt dagegen vorgehen. Und weiß, welchen Impfstoff man künftig dann verwenden sollte.
Wie sollte eine solche Kartierung entstehen?
Renz: Dazu muss man eben viel testen, testen, testen. Aber ein großes Problem sind etwa die Antigenschnelltests. Da gibt es viele Produkte, nicht alle sind von guter Qualität. Überdies kann man die Probenentnahme nicht einfach in die Hand der Konsumenten geben. Etwa an einer Schule dem Lehrer sagen: Jetzt teste mal alle. Dafür braucht man eine gezielte Einweisung, die dort beispielsweise eine Schulkrankenschwester oder ein Schul-Ersthelfer erhalten könnte.
Glauben Sie, dass wir Covid überwinden können?
Renz: Ja, sicher. Es wird allerdings noch ein bisschen Zeit brauchen.