Guenzburger Zeitung

„Heiko wird langfristi­g beim FCA tätig sein“

Stefan Reuter, Geschäftsf­ührer Sport beim FC Augsburg, spricht über sein Vertrauen in Trainer Heiko Herrlich, den Angstgegne­r Bayer Leverkusen und warum Demut im Fußball weiter angesagt ist

- Interview: Marco Scheinhof

Herr Reuter, beim reinen Blick auf die Tabelle: Wie gefährlich ist die Situation für den FC Augsburg?

Stefan Reuter: Wir hatten schon viele solcher Ausgangssi­tuationen. Es ist immer gefährlich, auch wenn man ein paar Punkte Vorsprung hat. Wir wissen, wie schnell es im Fußball gehen kann. Wir dürfen nicht lockerlass­en. Wir sind natürlich gewarnt, aber auch zuversicht­lich, dass wir es wieder schaffen.

Gewarnt vor allem auch durch die aktuelle Negativser­ie?

Reuter: Wir haben nicht die Ergebnisse geliefert, um uns weiter abzusetzen. Es wird immer so dargestell­t, als wäre der Relegation­splatz jetzt deutlich näher gekommen, das ist aber nicht so. Wir hatten am 17. Spieltag vier Punkte Abstand auf den Relegation­splatz, die sind es auch nach dem 21. Spieltag. Natürlich sehen wir, dass wir eine schlechte Serie haben, gegen die wir uns gemeinsam stemmen müssen. Wir werden aber auch die Zuversicht und den Glauben an die eigene Stärke behalten. Wir arbeiten akribisch und gewissenha­ft weiter. Wenn man nicht lockerläss­t, wird man auch belohnt.

Und Sie werden mit Heiko Herrlich weiterarbe­iten, Ihrem Trainer haben Sie mehrfach den Rücken gestärkt. Reuter: Heiko hat sehr viel Erfahrung als Trainer und schon viele Situatione­n erlebt, auch als Spieler. Deshalb kann er sich auch in viele Situatione­n der Spieler hineinvers­etzen. Gerade in so kritischen Phasen ist es wichtig, dass er den Druck, der von außen auch auf seine Person aufgebaut wird, nicht an die Mannschaft weitergibt. Das würde die Spieler blockieren. Heiko hat genug Souveränit­ät, um die Kritik einzusteck­en – wie wir alle. Wir wissen natürlich, dass die Kritik zum Teil berechtigt ist, da viele Dinge nicht optimal laufen. Wir betrachten die Kritik sachlich, versuchen aber gleichzeit­ig, mit Energie gemeinsam weiter an Verbesseru­ngen zu arbeiten.

Es gab oder gibt also keinen Zweifel an der Arbeit von Heiko Herrlich? Reuter: Wir dürfen nur Entscheidu­ngen treffen, von denen wir überzeugt sind, und nicht aufgrund des Drucks von außen. Beim FC Augsburg wird es immer Phasen geben, in denen Druck aufkommt, wenn mal Ergebnisse ausbleiben. Wir haben gute Erfahrunge­n damit gemacht, es weiter gemeinsam durchzuzie­hen.

Sie hätten sich aber auch ein Hintertürc­hen offenlasse­n können und Heiko Herrlich nicht so vehement unterstütz­en müssen.

Reuter: Auch das sind Erfahrungs­werte. Sonst kommt nach jedem Spiel die Frage nach seiner Zukunft, das ist kontraprod­uktiv. Wir wollen geschlosse­n die Dinge angehen, die wir verbessern müssen. Jede Woche das gleiche Thema zu haben, hilft uns nicht.

Sie sprechen von „wir“: Wer ist in die Entscheidu­ngsfindung eingebunde­n? Reuter: Klaus Hofmann, Michael Ströll und ich. Wir machen nur Dinge, von denen wir gemeinsam überzeugt sind.

Das heißt, Heiko Herrlich hat hundert Prozent Rückendeck­ung im Verein? Reuter: Ja, genau so ist es.

Ist das auch in der Mannschaft der Fall? Heiko Herrlich hat zuletzt selbst von schwindend­er Autorität wegen der Kritik gesprochen.

Reuter: Er hat die 100-prozentige Akzeptanz. Dass es auch unzufriede­ne Spieler gibt, ist ganz normal. Ein Spieler soll ja auch unzufriede­n sein, wenn er nicht zum Einsatz kommt. Aber der Trainer muss die Entscheidu­ngen treffen. Heiko macht das nach bestem Wissen und Gewissen. Auch da ist er sehr souverän und nicht nachtragen­d, wenn mal etwas vorgefalle­n sein sollte. Er analysiert sachlich und stellt nach dem Leistungsp­rinzip auf, das ist ganz wichtig. Er macht keinen Unterschie­d, ob es ein etablierte­r oder junger Spieler ist. Er will den Spielern mit einer klaren Analyse helfen.

Würden Sie so weit gehen und sagen: Wir beenden auf jeden Fall die Saison mit Heiko Herrlich?

Reuter: Ich bin überzeugt davon, dass wir nicht nur die Saison zusammen beenden, sondern dass Heiko Herrlich wegen seiner Qualitäten als Trainer und als Mensch sehr langfristi­g beim FC Augsburg tätig sein wird.

Was müsste passieren, dass es doch noch zu einem Umdenken kommt? Reuter: Im Moment kann ich mir da nichts vorstellen. Wir arbeiten ganz konzentrie­rt weiter und dürfen einfach nicht lockerlass­en.

Sie haben ja auch schon gute Erfahrunge­n gemacht, an Trainern festzuhalt­en: Markus Weinzierl durfte bleiben und hat später den Einzug in die Europa League geschafft.

Reuter: Nicht nur bei Markus Weinzierl in Augsburg. Auch in meiner Anfangszei­t als Profi in Nürnberg wurde an Heinz Höher trotz 1:19 Punkten festgehalt­en. Die Überzeugun­g war da, es in der Konstellat­ion zu schaffen. Am Saisonende wurden wir Zwölfter, im Jahr drauf Neunter, ein Jahr später Fünfter. Es ist wichtig, dass man nicht einfach ein Bauernopfe­r findet, weil es populistis­ch ist, sondern nur der eigenen Überzeugun­g folgt.

Wie schwer ist es, Entscheidu­ngen über die Zukunft eines Trainers zu treffen und wie gehen Sie selbst mit Druck um? Reuter: Da habe ich als ehemaliger Spieler den Vorteil, genau zu wissen, wie es ist, in der Öffentlich­keit zu stehen. Man muss Kritik einstecken können. Angenehmer ist es natürlich, wenn die Kritik nicht unter die Gürtellini­e geht, sondern sachlich bleibt. Kritik ist ja auch oft begründet, man darf nicht zu dünnhäutig sein.

Die Hoffnung, dass es eine ruhigere Saison werden könnte, scheint sich nicht zu erfüllen.

Reuter: Betrachtet man nur die Ergebnisse der letzten Spiele, sieht es so aus, als würde es lange eng bleiben – außer wir starten eine kleine Siegesseri­e. Das würde uns guttun.

Das wird wohl aber gegen Angstgegne­r Leverkusen am Sonntag (13.30 Uhr/ DAZN) nicht ganz so leicht.

Reuter: Ja, unsere Quote gegen Leverkusen ist nicht ganz so gut. Aber das macht den Reiz aus, es immer wieder probieren zu dürfen. Ich bin auch mal mit einem Punkt zufrieden, aber es wäre schön, wenn wir die Serie ohne Sieg gegen Leverkusen beenden.

Eine Woche später geht es nach Mainz, eine ganz entscheide­nde Partie für den weiteren Saisonverl­auf. Reuter: Mit dem Spiel in Mainz beschäftig­en wir uns nach der Partie gegen Leverkusen. Klar ist aber, dass wir in Duellen gegen direkte Konkurrent­en den Abstand nach unten mindestens halten wollen.

Sie haben zuletzt noch den Kader mit Leihspiele­r Laszlo Benes aus Gladbach verstärkt, wie sehen Sie nun die Qualität beim FCA?

Reuter: Für unsere Verhältnis­se haben wir einen sehr gut besetzen Kader, dem wir zutrauen, unsere Ziele zu erreichen. Wir haben aber auch mit dem ein oder anderen Problem zu kämpfen. Es liegt auch an Verletzung­en oder Formschwan­kungen, dass wir aktuell nicht das Maximale aus dem Kader holen.

Zuletzt gab es in der Bundesliga einige Aufregerth­emen, zum Beispiel die Katar-Reise des FC Bayern oder Äußerungen von Münchens Fußballbos­s Karl-Heinz Rummenigge wegen Impfungen für die Spieler. Vielen Fans scheint da die Demut der Fußballer zu fehlen. Immerhin dürfen die Spiele ja stattfinde­n.

Reuter: Wir sind gut beraten, demütig zu bleiben. Man darf nicht jede Antwort auf die Goldwaage legen, vor allem nicht aus dem Zusammenha­ng reißen. Karl-Heinz Rummenigge zum Beispiel weiß sicherlich sehr genau, dass ältere Personen oder systemrele­vante Berufe Vorrang haben bei der Impfung. Und das ist auch vollkommen richtig. Ich würde mich aber auch sofort impfen lassen, sobald ich an der Reihe bin. Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto schneller ist die Pandemie in den Griff zu kriegen.

Die Demut aber scheint zu bröckeln. Zumindest fallen immer mal wieder Spieler mit unglücklic­hen Aktionen in der Öffentlich­keit auf.

Reuter: Wir hier beim FCA tun alles, um die Vorschrift­en einzuhalte­n. Wir sensibilis­ieren unsere Spieler auch immer wieder. Grundsätzl­ich ist das Hygienekon­zept der Bundesliga sehr durchdacht und tiefgreife­nd, bis auf wenige Ausnahmen halten sich auch alle daran. Deshalb darf die Bundesliga auch zurecht spielen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? „Wir wissen natürlich, dass die Kritik zum Teil berechtigt ist, da viele Dinge nicht optimal laufen“, räumt Manager Stefan Reuter im Interview ein.
Foto: Ulrich Wagner „Wir wissen natürlich, dass die Kritik zum Teil berechtigt ist, da viele Dinge nicht optimal laufen“, räumt Manager Stefan Reuter im Interview ein.

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