Und wenn tatsächlich nichts mehr geht?
Hintergrund Der bayerische Amateurfußball scheint weit von einer schnellen Rückkehr in den Liga-Wettkampf entfernt. Einstige Versprechen wackeln bereits. Gut möglich, dass in diesem Frühjahr der Abbruch-Paragraf ins Spiel kommt
Günzburg/München Die Ungewissheit zerrt an den Nerven. Kann es in diesem Frühjahr tatsächlich weitergehen mit dem Amateurfußball in Bayern? Sind die im vergangenen Sommer unter anderen Voraussetzungen ausgetüftelten Pläne für den Sport in Zeiten der Pandemie zu halten? Was wird aus dem Ligapokal und der damit verwobenen Aufstiegschance? Fragen über Fragen also. Und langsam, ganz langsam, rückt auch der Faktor Zeit ins Blickfeld. Denn trotz des bayerischen Sonderweges, die Meisterschaftsrunde 2019/20 auf zwei Jahre auszudehnen, ist klar: Für alle Spielebenen unterhalb der Regionalliga ist am 30. Juni 2021 Schluss.
Die Entscheidung, ob ein geordneter Spielbetrieb rechtzeitig vorher starten kann, liegt nicht in den Händen des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV). So lange Mannschaftssport selbst zu Trainingszwecken untersagt ist, lechzen die blühendsten Hoffnungen der Kicker vergeblich nach Wasser. Die Politik hat sich in Sachen Lockdown (vielleicht aus Furcht, das Falsche zu tun) dazu entschlossen, gar nichts zu tun und auf den 10. März vertagt. Vorerst, wie mit einer Extra-Betonung hinzugefügt werden muss. Wer die täglichen Meldungen aus Berlin aufmerksam verfolgt, registriert in diesen Tagen einen Unterbietungswettbewerb in Sachen Inzidenzzahlen und hört immer häufiger das Wort Ostern.
Nun würde selbst eine Wiederauferstehung des Amateurfußballs zu diesem späten Zeitpunkt kein unüberwindliches Hindernis in Sachen Saisonschluss setzen. Allerdings ist sportlicher Wettbewerb etwas anders als beispielsweise ein Besuch im Zoo oder im Museum: Er setzt eine Trainingsleistung und somit eine Zeit der körperlichen wie geistigen Vorbereitung voraus.
An dieser Stelle sickert aus Funktionärskreisen inzwischen durch, dass die einst auf vier Wochen veranschlagte Aufwärmphase zwischen Trainingserlaubnis und Wettkampfstart um ein gutes Stück verkürzt wird. Wobei Verbands-GeJürgen Igelspacher an dieser Stelle gar kein Problem erkennt, wie er jetzt gegenüber dem Internet-Portal fupa.net äußerte. Die Frage nach dem Vorlauf dürfte sich sogar vollends erübrigen, da die Politik mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schrittweise Lockerung von kontaktarmen Übungen zu ernsthaftem Wettbewerb vorgeben wird, sagte er.
Es wird nicht die einzige Änderung der nach bestem damaligen Wissen ersonnenen Ausnahmeregelungen bleiben. Denn oberste Priorität hat aus Sicht des BFV die Fortsetzung des Liga-Wettbewerbs. Vom einstigen Versprechen, auf Amateurebene nur vor Zuschauern anzutreten, ist schon lange nichts mehr zu hören. Wer kein Flutlicht hat, um Heimspiele an Wochentagen auszutragen, dürfte im Frühjahr ganz schnell in einen angeordneten Platztausch rasseln. Und vermutlich glauben nur noch wenige Optimisten in der Fußball-Familie an ihre Aufstiegschance über den Ligapokal. Wann sollte der auch ausgetragen werden? Wie geplant parallel zur Meisterschaftsrunde – auf die große Gefahr hin, dass die anschließend unvollendet bleibt, weil hinten raus die Termine fehlen? Anders geht es aber nicht, denn gerade aufgrund der ausgelobten Siegerpreise muss der Ligapokal zwingend vor dem Ende der Punktspiel-Serie abgeschlossen sein.
Trotz aller mürbe machender Unwägbarkeiten: Igelspacher hat natürlich recht mit seiner Behauptung, der bayerische Fußball habe sich „in dieser extrem schwierigen Situation maximalen Spielraum verschafft“. Im Unterschied zu den Kollegen im württembergischen Fußballverband (WFV) nennen die Spitzenfunktionäre in München allerdings keinen konkreten Stichtag, ab dem eine Fortsetzung der Runde mit dem Vorsatz, sie auch wirklich zu Ende zu bringen, unsinnig wird. Terminfragen aller Art lassen sich laut Igelspacher „anhand der aktuellen Faktenlage nicht seriös beantworten“.
Sollten letztlich alle NeustartPläne scheitern, wird die Mega-Saison in Bayern doch noch abgebroschäftsführer chen. Zur Wertung hat der BFV unter dem Eindruck der Corona-Krise im vergangenen Sommer den sogenannten Abbruch-Paragrafen 93 in seine Spielordnung aufgenommen. Der ist, wie Recherchen unserer Redaktion ergaben, nicht überall an der Basis angekommen, hat es aber in sich – gerade in der konkreten Situation. Im Falle höherer Gewalt, so heißt es dort, wird die Saison entsprechend der Quotienten-Regel gewertet, „sofern bei 75 Prozent der Mannschaften aus der jeweiligen Spielgruppe mindestens 50 Prozent der Verbandsspiele ausgetragen wurden“. Diese Voraussetzung haben bereits jetzt alle Männer-Ligen in Bayern erfüllt.
Der Paragraf 93 gilt ausdrücklich erst für die Zeit ab 1. Juli 2021. In einem weiteren Absatz, exakt im fünften, heißt es aber, die Regelungen dieser Vorschrift würden auch angewendet, „sollte das verlängerte Spieljahr aufgrund einer staatlichen oder kommunalen Verfügungslage oder höherer Gewalt auch bis zum 30. Juni 2021 nicht beendet werden können“.