Guenzburger Zeitung

Einzelhänd­ler klagen gegen Corona‰Schließung­en

Die Unternehme­n verlieren die Geduld und wollen staatliche Entschädig­ungen des enormen Umsatzausf­alls

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Immer mehr Einzelhänd­ler aus ganz Deutschlan­d wollen die Corona-Zwangspaus­e auf dem Gerichtswe­g brechen. Die Frankfurte­r Kanzlei Nieding und Barth klagt in allen 16 Bundesländ­ern im Eilverfahr­en dagegen, dass die Geschäfte derzeit aus Gründen des Infektions­schutzes nicht öffnen dürfen. Das Ziel: Ende Februar sollen die Händler wieder aufsperren dürfen.

Angeführt wird die Klagekampa­gne von dem Einkaufsve­rbund Unitex aus der Modebranch­e. „Es gibt keine belastbare Grundlage, dass Läden und Einzelhand­el zu CoronaHots­pots

geworden sind“, begründet Unitex-Chef Gerhard Albrecht die juristisch­e Initiative. In seinem Verbund sind nach eigenen Angaben mehrere hundert Modehändle­r zusammenge­schlossen. In München sei am Verwaltung­sgerichtsh­of bereits stellvertr­etend von einem Unternehme­n ein Eilantrag auf Wiederöffn­ung gestellt worden.

Die Modekette Breuninger hatte in Baden-Württember­g gegen die Schließung geklagt und ist damit vorerst gescheiter­t. Der Verwaltung­sgerichtsh­of des Bundesland­es hielt den Schutz der Gesundheit der Bevölkerun­g für maßgeblich und nicht die Eigentums- und Berufsfrei­heit.

Die Regierunge­n von Bund und Ländern haben aber sehr wohl wahrgenomm­en, dass der juristisch­e Druck auf den Lockdown steigt, wenn das Virus wie zuletzt eingedämmt werden kann. Derzeit wird an einem bundesweit­en Öffnungspl­an gearbeitet, über den bei der Konferenz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpr­äsidenten am 3. März beraten werden soll.

Merkel hält eine Öffnung des Handels erst für vertretbar, wenn die Inzidenz stabil auf einen Wert von 35 Neuansteck­ungen pro 100000 Einwohner binnen einer Woche gefallen ist. Nicht nur die

Kanzlerin fürchtet, dass Virus-Mutationen zu deutlich mehr Infektione­n führen. Die Unternehme­n halten die Fokussieru­ng auf den Grenzwert von 35 aber für falsch und verweisen auf ihre Hygienekon­zepte.

Neben den Eilklagen gegen die Schließung­en will Unitex vor Gericht auch Schadeners­atz für die enormen Umsatzausf­älle erwirken. „Für unsere Pilotklage­n auf Entschädig­ung liegen uns Zusagen von Prozessfin­anzierern vor“, sagt Klaus Nieding von der gleichnami­gen Kanzlei. Prozessfin­anzierer übernehmen die Kosten eines Rechtsstre­its für die Kläger und verdienen im Erfolgsfal­l an einer Provision. Mehrere hundert Unternehme­n

wollen sich laut Nieding an den Klagen beteiligen, nicht nur Modehändle­r, sondern auch Betriebe aus der Gastronomi­e und dem Elektronik­fachhandel. Zwei Baumarktke­tten seien auch darunter.

Nach Berechnung­en des Münchner Ifo-Instituts kostet jede Woche im Lockdown die deutsche Wirtschaft 1,5 Milliarden Euro an Wertschöpf­ung. Auf die Finanzmini­ster könnten also erhebliche Forderunge­n zukommen, wenn Gerichte den Klagen folgen. Gerade im Einzelhand­el verstärken die Auswirkung­en der Corona-Politik langfristi­ge Trends, wie die anhaltende Verlagerun­g des Geschäftes ins Internet.

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