Einzelhändler klagen gegen CoronaSchließungen
Die Unternehmen verlieren die Geduld und wollen staatliche Entschädigungen des enormen Umsatzausfalls
Berlin Immer mehr Einzelhändler aus ganz Deutschland wollen die Corona-Zwangspause auf dem Gerichtsweg brechen. Die Frankfurter Kanzlei Nieding und Barth klagt in allen 16 Bundesländern im Eilverfahren dagegen, dass die Geschäfte derzeit aus Gründen des Infektionsschutzes nicht öffnen dürfen. Das Ziel: Ende Februar sollen die Händler wieder aufsperren dürfen.
Angeführt wird die Klagekampagne von dem Einkaufsverbund Unitex aus der Modebranche. „Es gibt keine belastbare Grundlage, dass Läden und Einzelhandel zu CoronaHotspots
geworden sind“, begründet Unitex-Chef Gerhard Albrecht die juristische Initiative. In seinem Verbund sind nach eigenen Angaben mehrere hundert Modehändler zusammengeschlossen. In München sei am Verwaltungsgerichtshof bereits stellvertretend von einem Unternehmen ein Eilantrag auf Wiederöffnung gestellt worden.
Die Modekette Breuninger hatte in Baden-Württemberg gegen die Schließung geklagt und ist damit vorerst gescheitert. Der Verwaltungsgerichtshof des Bundeslandes hielt den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung für maßgeblich und nicht die Eigentums- und Berufsfreiheit.
Die Regierungen von Bund und Ländern haben aber sehr wohl wahrgenommen, dass der juristische Druck auf den Lockdown steigt, wenn das Virus wie zuletzt eingedämmt werden kann. Derzeit wird an einem bundesweiten Öffnungsplan gearbeitet, über den bei der Konferenz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am 3. März beraten werden soll.
Merkel hält eine Öffnung des Handels erst für vertretbar, wenn die Inzidenz stabil auf einen Wert von 35 Neuansteckungen pro 100000 Einwohner binnen einer Woche gefallen ist. Nicht nur die
Kanzlerin fürchtet, dass Virus-Mutationen zu deutlich mehr Infektionen führen. Die Unternehmen halten die Fokussierung auf den Grenzwert von 35 aber für falsch und verweisen auf ihre Hygienekonzepte.
Neben den Eilklagen gegen die Schließungen will Unitex vor Gericht auch Schadenersatz für die enormen Umsatzausfälle erwirken. „Für unsere Pilotklagen auf Entschädigung liegen uns Zusagen von Prozessfinanzierern vor“, sagt Klaus Nieding von der gleichnamigen Kanzlei. Prozessfinanzierer übernehmen die Kosten eines Rechtsstreits für die Kläger und verdienen im Erfolgsfall an einer Provision. Mehrere hundert Unternehmen
wollen sich laut Nieding an den Klagen beteiligen, nicht nur Modehändler, sondern auch Betriebe aus der Gastronomie und dem Elektronikfachhandel. Zwei Baumarktketten seien auch darunter.
Nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts kostet jede Woche im Lockdown die deutsche Wirtschaft 1,5 Milliarden Euro an Wertschöpfung. Auf die Finanzminister könnten also erhebliche Forderungen zukommen, wenn Gerichte den Klagen folgen. Gerade im Einzelhandel verstärken die Auswirkungen der Corona-Politik langfristige Trends, wie die anhaltende Verlagerung des Geschäftes ins Internet.