Guenzburger Zeitung

Der verkannte Rosenkohl

Wer gerne regional und saisonal einkauft, liegt hier richtig. Das Gemüse hat als eine der wenigen heimischen Sorten noch Saison. Besonders frisch ist es vom heimischen Gärtner

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

An Rosenkohl scheiden sich die Geister: Manche rollen genießeris­ch die Augen, wenn man von ihm spricht, während andere das Näschen rümpfen. Das liegt an einer Gen-Variante (TAS3R38), sagen kanadische Forscher. Sie lässt etwa ein Viertel der Menschen die Bitterstof­fe des Rosenkohls (Phenylthio­carbamid) stärker wahrnehmen. Zora Klipp, Köchin und Kochbuchau­torin, ist sich allerdings sicher, dass es ganz oft auch an der falschen Zubereitun­g liegt: „Die traditione­lle Art tut den Röschen nicht so gut. Sie müssen doch pampig und geschmackl­os werden, wenn man sie totkocht. Am besten noch nach Oma-Art am Stielansat­z kreuzförmi­g eingeschni­tten, dass sie sich richtig mit Wasser vollsaugen.“

Dabei wäre es so einfach, Rosenkohl lecker zuzubereit­en. Waschen, gelbe Blätter entfernen, mit ein bisschen Öl in einer Pfanne anrösten und vorsichtig ein paar Minuten lang garen, damit die Röschen noch etwas Biss haben. „Röstaromen sind das Geheimnis. So kann sich der leicht süßliche und nussige Geschmack voll entfalten“, erklärt Zora Klipp. Wer die Röschen einen Tick weicher garen möchte, halbiert oder viertelt sie entweder vor der Zubereitun­g oder gibt einen Schluck Wasser in die Pfanne, Deckel drauf und (wirklich) kurz dämpfen – und schon ist der Kohl fertig.

Wer mehr damit vorhat, packt die Röschen beispielsw­eise in orientalis­che oder asiatische Gerichte. Auch für Aufläufe, feine Quiches und Salate eignen sie sich. Den Brüsseler Kohl, wie er wegen seines Ursprungs auch genannt wird, kann man nach Belieben würzen. Er schmeckt mit Kreuzkümme­l oder Curry aromatisie­rt, mit Rosinen oder Würfeln aus frischer Ananas gemischt und einem Topping aus gerösteten Mandelplät­tchen. Ob lieber deftig mit Speck und Zwiebeln zubereitet oder mit etwas Brühe, Sahne oder Schmand verfeinert: Rosenkohl macht ganz viel mit.

Unter anderem verliert er seinen Kopf, wie Michael Hagenbusch erklärt, der den Lieblingsk­ohl der Deutschen mit seinem Bruder Uli in der Familiengä­rtnerei in AugsburgIn­ningen anbaut: Ende August wird der Kopf der Pflanze, die sogenannte Terminalkn­ospe, von Hand abgedreht, damit fortan alle Energie ins Wachstum der Röschen geht. 5000 Pflänzchen haben die Brüder im vergangene­n Sommer gesetzt. Gern zeigt Michael Hagenbusch das Feld, auf dem jüngst noch etwa ein Drittel der Rosenkohlp­flanzen stand, wie die Zinnsoldat­en in Reih und Glied, von Schnee-Häubchen gekrönt. Rosenkohl hält das aus. Geerntet werden vor allem alte Sorten sowieso erst nach dem ersten Frost. „Kalte Temperatur­en mildern den bitteren Geschmack ab“, erklärt dazu Sabine Hülsmann, Ökotrophol­ogin bei der Verbrauche­rzentrale in Bayern. „In dieser Zeit bildet die Pflanze weiterhin durch Photosynth­ese Zucker. Weil der Zucker jetzt nur noch langsam in Stärke umgewandel­t wird, steigt sein Gehalt im Kohl. Dadurch schmeckt Rosenkohl etwas süßlicher, er entfaltet sein volles Aroma und wird außerdem leichter verdaulich.“Dieser Vorgang findet nur in der lebenden Pflanze statt – und nicht in der Tiefkühltr­uhe.

Einige Neuzüchtun­gen haben von Natur aus einen höheren Zuckerante­il und schmecken deshalb auch schon vor dem Frost süßlicher, eignen sich also für Regionen mit milderem Klima. Bei den Hagenbusch­s aber fiel die Wahl auf die alte Sorte Maximus, die Frost braucht, dafür

Frische Köpfchen sind noch ganz fest und geschlosse­n

aber sehr robust ist. Das ist wichtig für die Gärtner, weil sie auf den Einsatz von Chemie verzichten und nachhaltig wirtschaft­en wollen. Sie schützen den Kohl mit Netzen vor dem Befall mit Schädlinge­n wie der Mottenschi­ldlaus. Gedüngt wird mit sogenannte­n Mikroorgan­ismen, gewässert nur in der Phase, wenn die neuen Pflänzchen anwachsen sollen – was in dieser Saison zu eher kleinen Pflanzen mit kleinen Röschen führte. „Klein aber fein“, wie Uli Hagenbusch beteuert: „Unsere Kunden mögen das intensive nussige Aroma.“Zumal die Röschen in stundenlan­ger Handarbeit von den Familienmi­tgliedern gepellt werden. Auch die 88-jährige Großmutter und Betriebsgr­ünderin Philomena hilft mit. So werden etwa 200 Stängel pro Woche geschafft. Absatz finden die Röschen im Laden an der Gärtnerei sowie auf sechs Märkten, die die Gärtnerei am Mittwoch, Freitag und Samstag ansteuert.

Was Kunden beim Einkauf beachten sollten, erklärt Verbrauche­rberaterin Sabine Hülsmann: Die Köpfchen müssen fest und geschlosse­n sein. Im Gemüsefach des Kühlschran­ks hält sich Rosenkohl ein paar Tage, sollte aber in kurzer Zeit verbraucht werden, da die Deckblätte­r schnell welken.

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Foto: Andrea Schmidt‰Forth Jetzt ist der Schnee wieder weg, aber vor kurzer Zeit bekam der Rosenkohl im Betrieb von Michael Hagenbusch noch Frost ab. Er hält das aus.

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