Fast die Hälfte der Günzburger Ratsmitglieder sind Frauen
Politik Vielerorts dominieren nach wie vor Männer die Gremien. In der Kreisstadt liegt die Quote höher
Günzburg „Gemeinderäte bleiben Herrenrunden“– so titelte kürzlich die Süddeutsche Zeitung. Das Bayerische Landesamt für Statistik gibt aus, dass in den Räten kreisangehöriger Städte und Gemeinden der Frauenanteil nur bei 22 Prozent liegt (2014: 20 Prozent). Anders ist das in Günzburg: 14 der 30 Stadtratsstühle besetzen Frauen. Außerdem geht der Mehrheitsanteil der Stimmen mit 42.248 von 84.003 an das weibliche Geschlecht, erklärt die Stadt in einer Mitteilung.
Oberbürgermeister Gerhard Jauernig (SPD) sagt zum Frauenanteil in der Politik: „Im Deutschen Bundestag sind aktuell nur 31 Prozent der Abgeordneten Frauen – so wenige wie seit 20 Jahren nicht mehr. In 16 Bundesländern gibt es nur zwei Ministerpräsidentinnen und im deutschen Fernsehen kommen Männer doppelt so oft vor wie Frauen. Da freut es mich natürlich, dass wir in unserem Günzburger Kommunalparlament einen Frauenanteil von knapp 50 Prozent haben. Unabhängig davon finde ich es wichtig, dass ein Stadtrat ein Spiegelbild der Gesellschaft ist. Da sollten 18-Jährige genauso vertreten sein wie 80-Jährige, Unternehmer wie Arbeitnehmer, Menschen mit Migrationshintergrund ebenso wie Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben oder aufgewachsen sind.“
Egal ob langjähriges Mitglied oder neu dazugekommen: Die Frauen im Günzburger Rat berichten von einem kollegialen, fairen und respektvollen Miteinander. Ruth
Abmayr (FW) freut sich über die hervorragende Zusammenarbeit der Frauen im Kommunalparlament und über die drei Fraktionsvorsitzenden. Ihrer Meinung nach sollte das aber eine Selbstverständlichkeit sein. „Wir alle sind engagierte Menschen, die ihre Zeit für dieses Amt aufbringen möchten und können“, beschreibt Monika Küchle (UWB) die Ratsmitglieder im Gesamten. „Das Ziel ist immer das Gleiche – das Bestmögliche für die Bürger und die Stadt herauszuholen. Der Weg dorthin ist meiner Ansicht nach aber oft ein anderer. Frauen sprechen länger über Entscheidungen und suchen nach Kompromissen“, sagt Margit Werdich-Munk (CSU). Diese Meinung vertritt auch Martina Haltmayer (SPD): „Um Ziele zu erreichen, gehen Frauen in der Regel weniger auf Konfrontation, sondern versuchen, ihre Mitstreiter durch gute Argumente und Gespräche zu überzeugen.“Angelika Fischer (GBL/ Grüne) schreibt ihren Kolleginnen und sich Durchhaltevermögen und eine gewisse Hartnäckigkeit zu, mit Argumenten auch noch den letzten Zweifler zu überzeugen. Ruth Niemetz (CSU), Jutta Reiter (GBL/Grüne), Birgit Rembold (GBL/Grüne), Ursula Seitz (SPD) und Marianne Stelzle (CSU) sehen Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Politik machen, die auf ihre unterschiedliche Wahrnehmung zurückzuführen sind: Während Männer eher das Große und Ganze sehen, nehmen Frauen mit ihrem sozialeren Blick mehr Details wahr, finden sie. „Die von der Gesellschaft als weiblich manifestierten Eigenschaften sind alles andere als schwach. Einfühlsam sein, gut zuhören können, die Welt verbessern wollen, ohne sich dabei in den Vordergrund zu stellen, davon braucht es heute mehr denn je mehr Personen in der Politik – und meistens sind das eben Frauen“, sagt Simone Riemenschneider-Blatter (SPD). Die drei Vertreterinnen der GBL/ Grüne-Fraktion kommentieren: „Die fast paritätische Besetzung im Stadtrat bildet nun ziemlich unsere Gesellschaft ab, in der zunehmend die Verteilung der Aufgaben zwischen Männern und Frauen gerechter wird.“„Gerade in Zeiten von Corona ist es wieder deutlich geworden, dass Frauen vor allem in systemrelevanten Berufen (Pflege, Gesundheitswesen, Einzelhandel ...) tätig und gefordert sind, also unverzichtbar für die Gesellschaft sind, und deshalb ist es auch richtig, dass Frauen einen gerechten Anteil an politischen Entscheidungen haben“, meint Sybille Löhle (FW).