Als im Allgäu Eiszeit herrschte
Vor 65 Jahren wurde in Oberstdorf ein Kälterekord aufgestellt. Ob er wohl eines Tages geknackt wird? Ein Meteorologe zweifelt daran
Kempten/Oberstdorf Februar 1956: Eine ungewöhnliche Kältewelle suchte vor 65 Jahren ganz Deutschland heim. An der Oberstdorfer Wetterstation wurde mit minus 32 Grad am 10. Februar 1956 die niedrigste bis dahin je gemessene Temperatur registriert. Und auch in den Jahrzehnten danach sank das Quecksilber bis heute nie mehr so weit ab.
Meteorologe Joachim Schug glaubt nach eigenen Worten auch nicht, dass in absehbarer Zeit dieser Minus-Rekordwert erreicht oder eingestellt werden könnte. Diese Einschätzung hänge natürlich mit dem Klimawandel zusammen, erläutert der Meteogroup-Chefmeteorologe im Gespräch mit unserer Redaktion. Denn eigentlich war der Kaltlufttransport vor 65 Jahren durchaus vergleichbar mit der jüngsten Kältewelle in Deutschland vor gut einer Woche: Zwischen einem Tief über Südosteuropa und einem Hoch bei Skandinavien wurde extrem kalte Luft aus Sibirien direkt nach Mitteleuropa „angezapft“und strömte auf Südkurs bis zu den Alpen.
Der Unterschied in Zeiten der rapide fortschreitenden Klimaerwärmung gegenüber den 1950er Jahren: Damals sei die winterliche Kaltluft im hohen Norden um bis zu zehn Grad niedriger „gestartet“als heute, erklärt der Meteorologe mit Blick auf die sich häufenden positiven Temperaturrekorde in Sibirien und in der Polarregion. Entsprechend war das Allgäu bei der jüngsten Kältewelle
mit Tiefstwerten von 18 bis 20 Grad unter null auch noch weit von einer historischen Tiefsttemperatur entfernt.
Vor 65 Jahren bibberte Süddeutschland wochenlang. „Vor besondere Probleme sehen sich die Münchener Bierfahrer gestellt“, war in der Tageszeitung zu lesen: Der „edle Saft“drohe in den Flaschen zu gefrieren. Die Bierfahrer schützten laut Zeitungsbericht die Kisten mit Stroh und bedeckten ihre Wagen mit Planen. Von drei Erfrorenen und vielen Verletzten in einer einzigen Nacht in Bayern ist die Rede. Deutschlandweit waren in jenem Eis-Februar fast alle Flüsse und Seen zugefroren. Erwähnenswerte Schneehöhen gab es aber nicht, weil die Kaltluft aus Nordosten recht trocken war. Erst zum Monatsende setzte eine Milderung ein. Durch das Tauwetter brach das Eis beispielsweise auf der Vils bei Pfronten. Die Eisschollen stauten sich an einer Brücke. Die Eisbrocken rutschten links und rechts über die Ufer. Pfrontener waren stundenlang damit beschäftigt, einen drohenden Eisstau zu verhindern.