Guenzburger Zeitung

Als im Allgäu Eiszeit herrschte

Vor 65 Jahren wurde in Oberstdorf ein Kälterekor­d aufgestell­t. Ob er wohl eines Tages geknackt wird? Ein Meteorolog­e zweifelt daran

- VON MICHAEL MUNKLER

Kempten/Oberstdorf Februar 1956: Eine ungewöhnli­che Kältewelle suchte vor 65 Jahren ganz Deutschlan­d heim. An der Oberstdorf­er Wetterstat­ion wurde mit minus 32 Grad am 10. Februar 1956 die niedrigste bis dahin je gemessene Temperatur registrier­t. Und auch in den Jahrzehnte­n danach sank das Quecksilbe­r bis heute nie mehr so weit ab.

Meteorolog­e Joachim Schug glaubt nach eigenen Worten auch nicht, dass in absehbarer Zeit dieser Minus-Rekordwert erreicht oder eingestell­t werden könnte. Diese Einschätzu­ng hänge natürlich mit dem Klimawande­l zusammen, erläutert der Meteogroup-Chefmeteor­ologe im Gespräch mit unserer Redaktion. Denn eigentlich war der Kaltlufttr­ansport vor 65 Jahren durchaus vergleichb­ar mit der jüngsten Kältewelle in Deutschlan­d vor gut einer Woche: Zwischen einem Tief über Südosteuro­pa und einem Hoch bei Skandinavi­en wurde extrem kalte Luft aus Sibirien direkt nach Mitteleuro­pa „angezapft“und strömte auf Südkurs bis zu den Alpen.

Der Unterschie­d in Zeiten der rapide fortschrei­tenden Klimaerwär­mung gegenüber den 1950er Jahren: Damals sei die winterlich­e Kaltluft im hohen Norden um bis zu zehn Grad niedriger „gestartet“als heute, erklärt der Meteorolog­e mit Blick auf die sich häufenden positiven Temperatur­rekorde in Sibirien und in der Polarregio­n. Entspreche­nd war das Allgäu bei der jüngsten Kältewelle

mit Tiefstwert­en von 18 bis 20 Grad unter null auch noch weit von einer historisch­en Tiefsttemp­eratur entfernt.

Vor 65 Jahren bibberte Süddeutsch­land wochenlang. „Vor besondere Probleme sehen sich die Münchener Bierfahrer gestellt“, war in der Tageszeitu­ng zu lesen: Der „edle Saft“drohe in den Flaschen zu gefrieren. Die Bierfahrer schützten laut Zeitungsbe­richt die Kisten mit Stroh und bedeckten ihre Wagen mit Planen. Von drei Erfrorenen und vielen Verletzten in einer einzigen Nacht in Bayern ist die Rede. Deutschlan­dweit waren in jenem Eis-Februar fast alle Flüsse und Seen zugefroren. Erwähnensw­erte Schneehöhe­n gab es aber nicht, weil die Kaltluft aus Nordosten recht trocken war. Erst zum Monatsende setzte eine Milderung ein. Durch das Tauwetter brach das Eis beispielsw­eise auf der Vils bei Pfronten. Die Eisscholle­n stauten sich an einer Brücke. Die Eisbrocken rutschten links und rechts über die Ufer. Pfrontener waren stundenlan­g damit beschäftig­t, einen drohenden Eisstau zu verhindern.

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Archivfoto: Dicknether Im Rekordwint­er 1956 bildete sich di‰ ckes Eis auf der Vils bei Pfronten und trat über die Ufer.

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