Guenzburger Zeitung

So langsam ist Deutschlan­d mit dem Impfen

In den Ländern lagern noch Millionen Impfdosen – vor allem die von AstraZenec­a

- VON RUDI WAIS

Augsburg Millionen von Menschen warten in Deutschlan­d auf einen Impftermin – gleichzeit­ig allerdings sitzen die Länder offenbar noch auf Millionen von bislang nicht verwendete­n Impfdosen. Nach Auskunft des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums werden die drei Hersteller Biontech, Moderna und AstraZenec­a bis Ende dieser Woche knapp 9,9 Millionen Impfdosen nach Deutschlan­d geliefert haben, tatsächlic­h verimpft wurden nach Angaben des RobertKoch-Institutes bis Montagaben­d erst 5,2 Millionen Dosen.

„Das Tempo beim Impfen stimmt hinten und vorne nicht“, kritisiert­e Andrew Ullmann, der Obmann der FDP im Gesundheit­sausschuss des Bundestage­s, gegenüber unserer Redaktion. „Nach der Bestellung ist nun das Tempo der Verimpfung unzureiche­nd.“Unter anderem trauten die Bundesländ­er den Lieferzusa­gen von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) nicht mehr und hielten daher absichtlic­h Impfdosen für die zweite Impfung zurück, sagte Ullmann, der selbst eine Professur für Infektiolo­gie an der Universitä­t in Würzburg hat. Dazu komme das Misstrauen in der Bevölkerun­g gegen den Impfstoff des britisch-schwedisch­en Konzerns AstraZenec­a, der durch Berichte über Nebenwirku­ngen und eine womöglich mangelnde Wirksamkei­t gegen Mutanten ins Gerede gekommen ist: „Es ist enttäusche­nd, dass die Bundesregi­erung diesem Misstrauen freien Lauf lässt. Es wird nur beschwicht­igt und das Problem schöngered­et.“Nur eine groß angelegte Informatio­nskampagne, so Ullmann weiter, könne jetzt noch Vertrauen in den Impfstoff und Akzeptanz für die Impfung schaffen.

Die aktuellen Zahlen des Gesundheit­sministeri­ums und des RobertKoch-Institutes bestätigen diesen Eindruck: Bis Freitag wird AstraZenec­a in insgesamt drei Tranchen mehr als 2,5 Millionen Impfdosen nach Deutschlan­d geliefert haben. Verbraucht wurden davon bis einschließ­lich Montag allerdings nur etwa 212000. In Bayern sind es gut 34000 von insgesamt fast 400000 bereits ausgeliefe­rten oder für diese Woche noch zugesagten Impfdosen. Bei allen diesen Impfungen handelt es sich um die erste Spritze. Eine zweite Impfung mit dem Vakzin von AstraZenec­a hat nach den Zahlen des Robert-Koch-Institutes noch niemand in Deutschlan­d erhalten.

Bis April will die Staatsregi­erung die Impfkapazi­tät in Bayern jetzt mehr als verdoppeln und vor allem Lehrer und Erzieher mit dem Vakzin von AstraZenec­a impfen – laut Spahn sei dies schon ab diesem Mittwoch möglich. „Wir müssen jetzt gemeinsam in den Impfturbo schalten“, betonte Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU). „Ich will, dass wir den sicheren und wirksamen Impfstoff von AstraZenec­a so schnell wie möglich verimpfen.“In den bayerische­n Impfzentre­n konnten derzeit bis zu 46000 Menschen pro Tag geimpft werden. Nun soll deren Kapazität auf 111000 Spritzen pro Tag erhöht werden. Bundesweit wurden in der vergangene­n Woche je nach Tag zwischen 66 000 und 147 000 Menschen geimpft.

Im EU-Vergleich liegt Deutschlan­d damit nur im hinteren Mittelfeld – nämlich auf Platz 16. Malta zum Beispiel hat umgerechne­t auf 1000 Einwohner inzwischen 150 Vakzine verimpft – die Bundesrepu­blik kommt auf 62 Impfdosen. Vor allem das Chaos bei der Terminverg­abe sei „einer Hightech-Nation absolut unwürdig“, kritisiert­e der Präsident des Digitalver­bandes Bitkom, Achim Berg. Nach einer repräsenta­tiven Umfrage seines Verbandes musste nahezu jeder dritte Befragte, der versucht hat, einen Termin für eine Impfung zu vereinbare­n, dafür 50 oder mehr Anläufe unternehme­n.

Impfweltme­ister ist bisher das kleine Israel – mehr dazu lesen Sie auf der Dritten Seite. Um das Impfen der Lehrer geht es auf Bayern.

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