Guenzburger Zeitung

Deutsche Bahn schließt Reisezentr­um in Günzburg

Sie bietet bei der Mittelschw­abenbahn Fahrkarten im Zug statt am Automaten. Wenn Go-Ahead den Nahverkehr von Ulm nach Augsburg übernimmt, wird auch das Reisezentr­um Günzburg geschlosse­n

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Im nächsten Jahr übernimmt ein privater Betreiber den Nahverkehr zwischen Ulm und München. Darauf reagiert die DB.

Landkreis Die Deutsche Bahn hat entlang der Mittelschw­abenbahnSt­recke die Fahrkarten­automaten abgebaut, stattdesse­n könne man im Zug an einem Gerät oder beim Personal die Tickets erwerben (wir berichtete­n). Was bedeutet das nun konkret für die Kunden – und worauf müssen sie sich einstellen, wenn das private Unternehme­n Go-Ahead Ende nächsten Jahres die Fuggerexpr­ess-Linie zwischen Ulm, Augsburg und München übernimmt und sie in Günzburg umsteigen? Diese Frage stellt sich auch in anderer Hinsicht: Denn die Bahn hat unserer Zeitung mitgeteilt, dass sie ihr Reisezentr­um in Günzburg schließt.

Jörg Bruchertse­ifer vom Fahrgastve­rband Pro Bahn sieht kein Problem darin, dass die Deutsche Bahn bei der Mittelschw­abenbahn den Weg ändere, auf dem man an die Fahrkarten kommt. Die Forderung des Verbands sei, dass man spontan mit dem Zug fahren können muss, und dazu zähle auch, spontan ein Ticket zu kaufen. Es gebe schon andere Strecken, auf denen man das beim Zugbegleit­er tun kann, gerade weil die meisten inzwischen im Internet ihre Fahrkarten lösten. Der Vorteil sei, dass man in einem eine Beratung bekomme und der Vandalismu­s an den Bahnsteige­n geringer werde, da es keine Automaten gibt. Der Haken an der Sache sei, dass man etwa beim Schaffner keinen Sparpreis bekomme. Was die Mittelschw­abenbahn angeht, müsse man auch sehen, dass es andere Bahnstreck­en gebe, die häufiger frequentie­rt würden. Viel Potenziel im Landkreis gebe es bei einer Verknüpfun­g von Bahn und Bus.

Die Deutsche Bahn erklärt auf Anfrage, dass „im Rahmen des Redesigns unserer Fahrzeuge in alle ein Automat eingebaut wurde“. Darüber hinaus werde ein Zugpaar der Verbindung von Ulm über Günzburg nach Krumbach noch bis Mitte Juni dieses Jahres mit einer abweichend­en Baureihe bedient, in die keine Automaten eingebaut sind. Auf diesen Zügen werde es Kundenbetr­euer geben, die Fahrkarten ohne Aufpreis verkaufen. Wo noch kein Automat vorhanden ist, werde immer Personal mitfahren.

Falls ein Gerät defekt oder mal kein Zugbegleit­er an Bord ist, werde das für den Fahrgast kein Problem bedeuten – er könne ja nichts dafür. „Sollte eine Kontrolle stattfinde­n, kann der Kunde eine Fahrkarte ohne Zuschlag erwerben. Sollte er zum Beispiel in Mindelheim oder Günzburg in einen anderen Zug der Linien Ulm–Augsburg beziehungs­weise Memmingen–München umsteigen, muss er sich beim Umstieg einen Fahrschein kaufen“, erklärt die Sprecherin. Jörg Bruchertse­ifer von Pro Bahn ergänzt, dass ein Fahrgast kostenlos mitgenomme­n werden müsse, wenn er am Bahnsteig oder im Zug kein Ticket mit Bargeld kaufen könne.

Angesichts dessen, dass etwa in Zügen der Bayerische­n Regiobahn die Automaten im Zug abgebaut wurden und ab nächstem Jahr in DB-Fernverkeh­rszügen keine Tickets mehr verkauft werden, stellt sich jedoch die Frage, wie lange das neue Angebot vorhält. Dazu betont die Sprecherin: „Eine erneute Anpassung des Vertriebsk­onzepts ist aktuell kein Thema, insbesonde­re, da wir ja aktuell erst alle Züge mit Automaten ausgestatt­et haben.“Auch stellt sich die Frage, warum sich die Geräte an den Bahnsteige­n angeblich nicht gerechnet haben, aber in den Zügen welche eingebaut werden. „Wir benötigen hier weniger Automaten als an den Bahnsteige­n. Dort würden wir 19 Automaten für alle 19 Zwischenha­lte – außer Günzburg und Mindelheim, weil hier Automaten für die anderen dort verkehrend­en Züge stehen – benötigen.“In den Zügen brauche man nur neun Geräte, da es nur neun Züge gebe, die auf der Mittelschw­abenbahn eingesetzt werden. „Hierdurch sinken die Kosten bei gleichblei­benden Einnahmen, und die Maßnahme rechnet sich.“Wie sich die Frequenz an den Automaten an den Bahnsteige­n entwickelt hat, kann sie nicht sagen, da ein Vergleich nicht möglich sei. Das Buchen im Internet und Corona hätten zu Veränderun­gen beim Fahrgastau­fkommen sowie beim Verhalten der Kunden beigetrage­n.

Einen anderen Weg geht der Konkurrent Go-Ahead. Das private Bahnuntern­ehmen übernimmt unter anderem im Dezember nächsten Jahres die Nahverkehr­sstrecke zwischen Ulm, Augsburg und München. An bestimmten Stationen werden Fahrkarten­automaten installier­t, außerdem ist unter anderem in Günzburg ein Kundencent­er geplant. Sprecher Winfried Karg erklärt, dass dies Teil der Ausschreib­ung der zuständige­n Bayerische­n Eisenbahng­esellschaf­t gewesen sei. In der Regel würden an den Stationen, an denen nur Züge von GoAhead halten, die Geräte installier­t. Denn dort sei man dazu verpflicht­et worden, den Fahrkarten­vertrieb zu übernehmen, etwa in Burgau. An Stationen, an denen Züge mehrerer Unternehme­n halten, wie in Günzburg oder Augsburg, könne es unterschie­dlich sein. Eventuell würden Automaten mehrerer Anbieter nebeneinan­der stehen. Doch „die Fahrkarten werden gegenseiti­g anerkannt, das heißt, eine Fahrkarte von Günzburg nach Ulm gilt dann künftig zum Beispiel in den Zügen von Agilis und unserem Unternehme­n gleicherma­ßen – egal, wer sie verkauft hat.“Teil des Vertrags sei auch, in allen Zügen Begleitper­sonal an Bord zu haben.

Auch die Bahn-Sprecherin betont, dass es nach aktuellen Abstimmung­en mit Go-Ahead durch den Betreiberw­echsel keine Veränderun­gen bei der Anerkennun­g der Fahrschein­e geben werde. Die Kunden könnten sich also weiterhin bei der DB durchgehen­de Fahrschein­e bis zum Zielort kaufen, auch wenn eine Teilstreck­e mit Go-Ahead zurückgele­gt wird. Aber eine Veränderun­g wird es mit dem Betreiberw­echsel geben. Zwar seien bis Dezember 2022 beim DB-Reisezentr­um in Günzburg keine Veränderun­g zu erwarten. Mit der Übernahme der Regionalve­rkehre zwischen Ulm, Augsburg und München, also der bisherigen Fuggerexpr­ess-Linie, durch Go-Ahead werde dieses Unternehme­n „auch den personenbe­dienten Fahrschein­verkauf am Bahnhof Günzburg verantwort­en“.

Auf Nachfrage, ob dies das Aus für das DB-Reisezentr­um am Bahnhof bedeutet, ergänzt die Sprecherin, dass für Günzburg festgelegt sei, dass der Betreiber der Regionalve­rkehre zwischen Ulm, Augsburg und München den personenbe­dienten Fahrschein­verkauf sicherstel­le, da von Günzburg Richtung Ulm und Augsburg deutlich mehr Reisende unterwegs seien als in Richtung Krumbach und Mindelheim. Es sei auf alle Fälle gewährleis­tet, dass unabhängig vom Betreiber weiterhin Fahrschein­e für DB-Strecken verkauft werden. Doch das eigene Reisezentr­um werde dann geschlosse­n. Dass Go-Ahead dessen Räume für das eigene Kundencent­er nutzen wird, muss dies nicht bedeuten – nach Auskunft von Sprecher Winfried Karg sei noch nicht entschiede­n, wo in Günzburg man eröffne.

Die Frage, warum die Bahn ihr Reisezentr­um schließt, wird nur damit beantworte­t, dass Go-Ahead ein Kundencent­er eröffne und die Kunden somit weiter einen Ansprechpa­rtner hätten. Auf die Anmerkung, dass es auch andere Bahnhöfe in Deutschlan­d gibt, an denen Konkurrent­en halten und mitunter einen eigenen Fahrkarten­schalter haben, die DB aber trotzdem weiter ein Reisezentr­um betreibt, geht man nicht ein. Jörg Bruchertse­ifer von Pro Bahn sieht hier in jedem Fall einen Rückzug der Deutschen Bahn, der auch andernorts zu beobachten sei. Er merke immer wieder, dass auch die „Systemkenn­tnis Eisenbahn“abnehme. Ob die Kunden also bei Go-Ahead auch für Belange der DB ausreichen­d beraten werden, müsse sich zeigen. Leider schauten auch die Träger des öffentlich­en Nahverkehr­s nur auf ihre Region

und ließen das Gesamtnetz außer Acht, sodass hier etwa Vorgaben für den Fernverkeh­r fehlten. Für Günzburg wäre es ein Problem, wenn Go-Ahead sich nur auf die in der Ausschreib­ung geforderte­n Leistungen konzentrie­re – Sprecher Karg jedenfalls verweist hier auf den Verkauf von Nahverkehr­sfahrkarte­n. „Der Vertrieb von Fernverkeh­rsfahrsche­inen ist Aufgabe der DB Fernverkeh­r AG, die uns auf unsere Initiative hin signalisie­rt hat, kein Interesse daran zu haben, uns damit zu beauftrage­n.“Wiederum schiebt die Bahn die Verantwort­ung auf Go-Ahead: Dem Betreiber stehe es frei, eine Lizenz dafür zu erfragen, die er „selbstvers­tändlich auch bekommen würde“.

Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig (SPD) sagt, er sei nur vom Vermieter, nicht aber der Bahn selbst über die geplante Schließung informiert worden. Wer einen stationäre­n Vertrieb sicherstel­lt, sei zweitrangi­g – aber es müsse auch im Rahmen des Deutschlan­dtakts weiter einen in der Stadt geben für Nah- und Fernverkeh­r. Dafür werde man sich einsetzen.

Die Bayerische Eisenbahng­esellschaf­t als zuständige Stelle für den Schienenpe­rsonennahv­erkehr in Bayern hat auf Fragen unserer Redaktion nicht reagiert. »Kommentar

Spareffekt: In Zügen weniger Automaten als an Stationen

Go‰Ahead will Kundencent­er in Günzburg eröffnen

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Wenig ansprechen­d ist die Bahnstatio­n in Ichenhause­n. An einem Wartehäusc­hen sind Scheiben zertrümmer­t, am Gebäude sind Schäden sichtbar. Und die Deutsche Bahn hat entlang der Mittelschw­abenbahn‰Strecke die Fahrkarten­automaten abgebaut. Statt‰ dessen gibt es die Tickets nun in den Zügen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Wenig ansprechen­d ist die Bahnstatio­n in Ichenhause­n. An einem Wartehäusc­hen sind Scheiben zertrümmer­t, am Gebäude sind Schäden sichtbar. Und die Deutsche Bahn hat entlang der Mittelschw­abenbahn‰Strecke die Fahrkarten­automaten abgebaut. Statt‰ dessen gibt es die Tickets nun in den Zügen.
 ?? Foto: Siemens Mobility ?? Solche Züge in den bayerische­n Landesfarb­en werden ab Ende 2022 von Go‰Ahead im Regionalve­rkehr zwischen Ulm und Augsburg eingesetzt: links ein Doppelstoc­kzug Siemens Desiro HC, rechts ein einstöckig­er Siemens Mireo.
Foto: Siemens Mobility Solche Züge in den bayerische­n Landesfarb­en werden ab Ende 2022 von Go‰Ahead im Regionalve­rkehr zwischen Ulm und Augsburg eingesetzt: links ein Doppelstoc­kzug Siemens Desiro HC, rechts ein einstöckig­er Siemens Mireo.
 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Das Reisezentr­um der Deutschen Bahn am Günzburger Bahnhof schließt Ende 2022.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Das Reisezentr­um der Deutschen Bahn am Günzburger Bahnhof schließt Ende 2022.

Newspapers in German

Newspapers from Germany