Guenzburger Zeitung

Genauer Blick ins Truppen‰Innere

Die Wehrbeauft­ragte Eva Högl stellt ihren ersten Jahresberi­cht vor. Ihr Auftritt deutet darauf hin, dass dem angestaubt­en Amt eine Frischzell­enkur bevorsteht. Die Probleme sind altbekannt

- VON STEFAN LANGE

Berlin Eva Högl kommt pünktlich in die Bundespres­sekonferen­z. Die Fotografen warten schon auf die Wehrbeauft­ragte, die hier ihren ersten Jahresberi­cht vorstellen wird. Die Auslöser klicken laut, als die 52-Jährige ihre Corona-Maske ablegt und sich das Haar zurechtzup­ft. Bei ihrem Vorgänger Hans-Peter Bartels, dem sie überrasche­nd nachfolgte, hätte das vermutlich niemanden interessie­rt. Aber für einige ist es offenbar noch ungewohnt, dass eine Frau den Posten innehat. Högl ist nach Claire Marienfeld erst die zweite Wehrbeauft­ragte.

Sie stört sich nicht an den Fotografen. Högl macht schon jetzt deutlich, dass es nicht so sehr auf Äußerlichk­eiten ankommt und verfestigt diesen Eindruck, als sie ihren Bericht vorträgt. Der Wehrbeauft­ragten geht es offensicht­lich darum, ins Innere, in den Kern der einstigen Männerdomä­ne Bundeswehr vorzudring­en.

Die Wehrbeauft­ragte kümmert sich, wenn Soldatinne­n und Soldaten Probleme haben. Insgesamt sind im Berichtsja­hr 2753 persönlich­e Eingaben eingegange­n. Beim Thema Rechtsextr­emismus bestehe „weiter Handlungsb­edarf in allen Bereichen der Bundeswehr“, sagt sie, während parallel im Netz unter dem Hashtag „#WirGegenEx­tremismus“eine private Initiative von Bundeswehr­angehörige­n Fahrt aufnimmt. Die Meldungen über extremisti­sche Vorfälle legten im Berichtsja­hr 2020 mit 229 gegenüber dem Vorjahr (197) noch einmal zu.

In den neun Monaten ihrer Amtszeit ist sie viel herumgerei­st, hat auch das skandalgep­lagte Kommando Spezialkrä­fte (KSK) besucht. Als Reaktion auf nicht abreißende Rechtsextr­emismus-Vorwürfe wurde dort die 2. Kompanie aufgelöst. Aktuell steht Kommandeur Markus Kreitmayr im Fokus: Er soll Soldaten die Möglichkei­t gegeben haben, unerlaubt gehortete Munition straffrei zurückzuge­ben. Högl hält das für einen schweren Verstoß, beklagt, dass der „Amnestie“-Vorwurf den gesamten Reformproz­ess bei der Spezialtru­ppe erheblich behindere. Die Wehrbeauft­ragte fordert Aufklärung, auch von Verteidigu­ngsministe­rin Annegret KrampKarre­nbauer (CDU).

Natürlich geht es im Wehrberich­t auch um Corona. Die Truppe war genauso betroffen wie der Rest der Gesellscha­ft: Ansteckung­en, Quarantäne, Homeoffice und verkürzte Ausbildung­en. Den wichtigste­n Dienst für das Vaterland tun derzeit jene Soldaten, die in den Gesundheit­sämtern Infektione­n nachspüren. Die Wehrbeauft­ragte schlägt vor, dass der Einsatz mit einer Medaille gewürdigt werden sollte.

Wie schon ihre Vorgänger meldet Högl der Verteidigu­ngsministe­rin, in welch schlechtem Zustand die Streitkräf­te sind: Fluglehrer fehlen. Fallschirm­springer sind da, aber offenbar nicht fit. Wegen der Beschränku­ngen durch die Pandemie lahmt die Nachwuchsg­ewinnung.

Die Truppe ist teilweise nicht in der Lage, einfache Fliegerhel­me zu kaufen. Fahrzeuge werden angeschaff­t und entpuppen sich als einsatzunt­auglich. „Es ist absolut unverständ­lich, dass es nicht gelingt, Beschaffun­gen selbst von kleinen Ausrüstung­sgegenstän­den wie Kälteschut­zanzügen, Gehörschut­z, Helmen oder Rucksäcken zu beschleuni­gen“, beklagt die SPD-Politikeri­n. Sie nimmt dabei die Wehrverwal­tung ein Stück weit aus dem Feuer. Högl sieht dringende Verbesseru­ngen beim Vergaberec­ht auch als Aufgabe des Gesetzgebe­rs.

Ihren Ex-Kollegen in der SPDFraktio­n will die Juristin nicht nach dem Mund reden. Zu Amtsantrit­t plädierte sie für die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t und erntete dafür Kritik auch aus den eigenen Reihen. Ein anderes Aufregerth­ema ist die Bewaffnung der Drohnen. Högl befürworte­t sie und stellt sich damit quer zur Fraktion.

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Foto: Axel Heimken, dpa Der Rechtsextr­emismus in der Truppe macht der Wehrbeauft­ragten Eva Högl Sorgen.

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