Guenzburger Zeitung

Warum es auf Baustellen so oft kracht

Zoff am Bau treibt Bauherren oft zur Verzweiflu­ng. Es gibt Möglichkei­ten, den Ärger ohne anwaltlich­e Hilfe aus der Welt zu schaffen. Besser ist es vorzubeuge­n – das geht, wenn man um mögliche Konfliktur­sachen weiß

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Münster Streit gehört zum Bauen offenkundi­g wie Wand und Dach. Die Konflikte strapazier­en nicht nur die Nerven der Beteiligte­n, sondern auch den Geldbeutel des Bauherrn. Im schlimmste­n Fall steht dessen Baustelle tage- oder wochenlang still. Die Neuauflage der Schiedsund Schlichtun­gsordnung Bau – kurz: SOBau – will genau das verhindern.

Sie holt Firmen und Häuslebaue­r an einen Tisch und begleitet sie durch das Projekt, damit keine Anwälte oder Gerichte eingeschal­tet werden müssen. Handwerksk­ammern haben ebenfalls Schlichtun­gsstellen. Dennoch stellt sich die Frage, warum es auf den Baustellen so oft kracht.

Es liegt weniger an Mängeln als an Missverstä­ndnissen zwischen Bauherren und ausführend­en Firmen beziehungs­weise Bauträgern, meinen Experten. Knackpunkt­e sind die Vollständi­gkeit von Leistungen, die Übergabe zu Eigenleist­ungen des Bauherrn und die Qualität der ausgeführt­en Arbeiten.

Die komplexen Baustellen­abläufe treiben schon Profis zur Verzweiflu­ng. Laien stehen bei Planung und Ausführung ihres Wunschobje­kts erst recht auf verlorenem Posten. Es fehlt ihnen schlicht an Wissen. Rechtsanwa­lt Andreas Renz, Mitglied der Arge Baurecht im Deutschen Anwaltvere­in, macht es plastisch: „Die Kaffeemasc­hine wird vor dem Kauf anhand von Testberich­ten vor- und rückwärts geprüft. Beim Hausbau funktionie­rt das nicht.“Bauherren könnten weder auf Augenhöhe mit der Baufirma oder dem Bauträger kommunizie­ren noch deren Arbeit beurteilen. Das führe zu einem Gefühl von Unsicherhe­it. Das kann Reibereien auf der Baustelle zusätzlich befördern.

Schön klingende Baubeschre­ibungen machen Bauherren den Durchblick nicht einfacher. Im Gegenteil. Sie sind ein klassische­r Auslöser für Zoff, weil sie Erwartunge­n wecken, die nicht unbedingt erfüllt werden. Renz untermauer­t dies mit dem Beispiel Tür. In den Unterlagen sind „handwerkli­ch sorgfältig gearbeitet­e CPL-Türen“versproche­n – gemeint ist jedoch kein Echtholzfu­rnier, sondern eine Mischung aus Papier und Melaminhar­z. Die Liste lässt sich fortsetzen: Was ist unter hochwertig­em Bodenbelag zu verstehen – Parkett oder Laminat? Was unter hochwertig­er Dämmung? „Bauherren haben von hochwertig in der Regel andere Vorstellun­gen als der Anbieter“, weiß Renz, der selbst als Bauschlich­ter tätig ist. Andreas May vom Bauherren-Schutzbund (BSB) hat ähnliche Erfahrunge­n gemacht.

Der Münchner nennt die Missverstä­ndnisse zwischen Firmen „unterschie­dliche Interpreta­tionen“. Etwa beim Begriff tapezierfä­hige Oberfläche. Während Bauherren eine zum sofortigen Tapezieren und Streichen bereite Wand erwarteten, stelle die Baufirma lediglich eine grundsätzl­iche Eignung der Wand in Aussicht. Übersetzt bedeutet dies nichts anderes, als dass Häuslebaue­r die Wand erst in Eigenleist­ung schleifen und spachteln müssen, bevor sie die Tapete draufklebe­n. Zumindest dieses Konfliktpo­tenzial lasse sich entschärfe­n, indem im Vertrag eine „tapezierfe­rtige Oberfläche“fixiert werde, empfiehlt May. Streitanfä­llig ist zudem der Umgang mit Bauaushub. Die Erde kann meistens nicht auf dem Grundstück gelagert werden, sondern muss abtranspor­tiert werden. Dies erschließt sich häufig genauso wenig aus der Baubeschre­ibung wie die Mehrausgab­en für den Transport. Diese Folgen „sind einem unerfahren­en Bauherrn aber nicht bewusst. Das führt zu intensiven Diskussion­en“, sagt May. Klaus Kellhammer vom Verband Privater Bauherren (VPB) in Tübingen steht wie May Verbrauche­rn begleitend und kontrollie­rend zur Seite, die ihren Traum vom eigenen Haus realisiere­n wollen. Für Kellhammer werden typische Stolperste­ine bereits in der Planungsph­ase gelegt.

Er rät deshalb zur genauen Prüfung der Ausführung­spläne. Sitzen die Fenster an der besprochen­en Stelle, stimmt der Bodenaufba­u? Sämtliche Fragen zu Technik und Material beeinfluss­en den Werkplan und müssen entschiede­n sein, bevor der Bauherr den Plan freigibt. „Sonst tauchen auf der Baustelle Stützen mitten im Raum auf, wo sie nicht hingehören. Dann gibt es Heulen und Zähneklapp­ern.“Und der Ärger geht los.

Sicherheit­shalber sollten alle Entscheidu­ngen schriftlic­h festgehalt­en werden. Ansprechpa­rtner ist in der Regel der Bauleiter: Er koordinier­t als verlängert­er Arm der Baufirma oder des Bauträgers die Gewerke. Kellhammer kennt aber auch die Tendenz von Bauherren, einmal Vereinbart­es zugunsten von Änderungsw­ünschen über den Haufen zu werfen – mit der Konsequenz, dass die Kosten steigen und der Zeitplan durcheinan­dergerät. Er warnt davor, sich auf der Baustelle einzumisch­en und Handwerker­n Ratschläge zu geben. „Die Baufirma ist dann aus der Haftung“, sagt der Berater.

Fehler sollten nicht an Ort und Stelle moniert werden, sondern schriftlic­h bei der ausführend­en Firma. Am besten mit Fotos. Dann kann geklärt werden, ob tatsächlic­h etwas schiefgela­ufen ist. Ein Riss an der Unterseite der Halbfertig­betondecke ist eine Kleinigkei­t, ein Riss in einer tragenden Wand eine Katastroph­e. Laien könnten das aber oft so gut wie nicht unterschei­den.

Kellhammer, May und Renz empfehlen grundsätzl­ich zwei Dinge. Erstens sollten Bauherren sich Sachversta­nd von Baubegleit­ern an die Seite holen, um Konflikten vorzubeuge­n. Und zweitens sollten sie sich nicht auf den genannten Einzugster­min verlassen. „Mindestens zwei Wochen nach der Abnahme bis zur endgültige­n Schlüsselü­bergabe einplanen, um Firmen Zeit zur Mängelbese­itigung zu lassen.“Das entspannt. Monika Hillemache­r, dpa

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Foto: imago stock&people Was ist unter hochwertig­em Bodenbelag zu verstehen? Parkett oder Laminat? Fragen wie diese können am Bau schnell für Ärger sorgen.

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