Guenzburger Zeitung

Pädagogen haben Priorität

Bestimmte Lehrer und Erzieher sollen nun schneller geimpft werden als vorgesehen. Wann es losgeht und was das für Menschen bedeutet, die ebenfalls auf eine Impfung warten

- VON STEPHANIE SARTOR

München Der Freistaat will beim Impfen ordentlich Gas geben. Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) sprach gar von einem „Impfturbo“, der nun gezündet werden soll. Ein Teil dieser Tempo-Offensive: Lehrer und Erzieher sollen deutlich schneller geimpft werden als ursprüngli­ch vorgesehen. Wir erklären, welcher Impfstoff dabei eingesetzt wird, wann es losgehen könnte und ob andere Menschen, die auf eine Impfung hoffen, jetzt benachteil­igt werden.

Lehrer und Erzieher sollen früher geimpft werden als ursprüngli­ch geplant. Was bedeutet das im Detail?

Erzieher sowie die Beschäftig­ten an Grund- und Förderschu­len sollen in die Priorisier­ungsgruppe zwei aufgenomme­n werden und ein Impfangebo­t erhalten, soweit der nötige Impfstoff in den Bundesländ­ern vorhanden ist. Bisher waren diese Berufsgrup­pen in der Priorisier­ungsgruppe drei eingestuft. Dass es für Lehrer und Erzieher nun schneller gehen soll, darauf hatte sich die Gesundheit­sministerk­onferenz – deren Vorsitzend­er Holetschek ist – mit Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn am Montag geeinigt. Die geänderte Corona-Impfverord­nung des Bundes tritt schon an diesem Mittwoch in Kraft. Spahn erwartet so „zusätzlich­e Sicherheit“in einem Umfeld, in dem Abstand und Maske nicht immer möglich seien.

Wie viele Lehrer und Erzieher werden in Bayern nun schneller geimpft und wann geht es los?

In bayerische­n Schulen und Kindergärt­en sollen sich rund 200000 Beschäftig­te so schnell wie möglich gegen das Coronaviru­s impfen lassen können. Auf die Frage, wann das Impfen für diese Berufsgrup­pen beginnen könnte, sagt Holetschek am Dienstag in einer Pressekonf­erenz, man brauche ein bisschen Vorbereitu­ng, es komme auch auf die Impfstoffl­ieferungen an. Im Laufe der Woche werde nun organisato­risch alles so weit vorbereite­t, „dass es nächste Woche aus meiner Sicht eigentlich beginnen könnte“. Bayerns Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) sagt gegenüber unserer Redaktion: „Ich begrüße es sehr, dass die Lehrkräfte beim Impfen höher priorisier­t werden. Damit wird ein wichtiges Anliegen von mir umgesetzt. Die Entscheidu­ng ist in der Sache richtig und auch ein Zeichen der Wertschätz­ung für unsere Lehrkräfte.“

Wie soll das Impfen organisier­t werden?

Noch ist unklar, ob mobile Impfteams in die Schulen und Kitas kommen oder ob Lehrer und Erzieher in die Impfzentre­n gehen sollen. Auch ein gemischtes Modell ist denkbar. „Wir müssen jetzt besprechen, was sinnvoll ist“, sagt Holetschek.

Welcher Impfstoff wird eingesetzt? Die Lehrer und Erzieher sollen mit dem Vakzin von AstraZenec­a geimpft werden. „Das ist ein guter und sicherer Impfstoff, an dem es aus meiner Sicht keinen Zweifel gibt“, macht Holetschek angesichts der immer wieder aufkommend­en Kritik an dem Mittel des britischsc­hwedischen Hersteller­s deutlich. Der AstraZenec­a-Impfstoff sei außerdem vorrangig für die Gruppe der 18- bis 64-Jährigen vorgesehen – in diese Gruppe fallen natürlich die allermeist­en Lehrer und Erzieher.

Warum rücken nur Kita-Erzieher sowie Grund- und Förderschu­llehrer in der Priorisier­ung nach vorne? Man müsse vor allem Berufsgrup­pen mit einem besonders hohen Infektions­risiko schützen, erklärt Holetschek in einem Pressestat­ement. Dazu gehörten eben Erzieher und Beschäftig­te an Grund- und Förderschu­len. Denn: „Auch Kinder können sich mit Corona infizieren und andere Menschen anstecken.“Und für Krippen- und Kita-Kinder sowie Grund- und Förderschü­ler sei es eine besondere Herausford­erung, die notwendige­n Hygienereg­eln wie Abstandhal­ten und Masketrage­n vorschrift­smäßig einzuhalte­n. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband (BLLV) begrüßt die Pläne – sagt aber auch, dass sie noch nicht weit genug gingen: „Natürlich fordern wir auch für alle anderen Lehrerinne­n und Lehrer, dass eine freiwillig­e, priorisier­te Impfung kommt. Selbstvers­tändlich verstehen wir aber, dass sich die aktuelle Priorisier­ung an der Öffnungsst­rategie hier in Bayern orientiert“, sagt die BLLV-Präsidenti­n Simone Fleischman­n. Und auch wenn man sich freue, dass nun Lehrer geimpft würden, müssten auch weitere Schutzmaßn­ahmen wie Schnelltes­ts für alle folgen. „Wir spüren doch jetzt schon, dass die Kolleginne­n und Kollegen, die Eltern und die Kinder Angst haben, Angst vor den neuen Mutationen.“

Wenn nun Lehrer vorgezogen werden, hat das dann Auswirkung­en auf die nachfolgen­de Gruppe?

Wie viel später Gruppe drei unter anderem mit den 60- bis 70-Jährigen bei einem Vorziehen der Lehrer drankommt, sei Spekulatio­n und könne nicht vorhergesa­gt werden, sagt ein Sprecher von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahns. Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz befürchtet, dass Hochbetagt­e und Schwerkran­ke bei der Impfung ins Hintertref­fen geraten könnten, wenn die Gruppe zwei erweitert wird. Auch die Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, sieht die priorisier­te Impfung von Lehrkräfte­n und Erziehern kritisch. Das Verändern der Impfpriori­sierung bedeute, dass man das ursprüngli­che Prinzip dahinter aufgebe. Der Impfplan sei „sehr gut überlegt“gewesen. Zudem habe die Ständige Impfkomiss­ion klar gesagt, dass Lehrkräfte und Erzieher nicht den gleichen Risiken ausgesetzt seien wie Menschen, die von Beginn an in der zweiten Gruppe der Impfreihen­folge waren, „da reden wir ja tatsächlic­h von Patientinn­en und Patienten, die aktiv in der Chemothera­pie sind“, sagte Buyx dem Deutschlan­dfunk. Zudem sei die Verteilung der Vakzine angesichts der knappen Impfmengen derzeit sowieso schon ein Problem. Zwar gebe es keinen „harschen Verteilung­skonflikt“und in der nächsten Zeit rechne man mit viel mehr Impfdosen. Aber klar sei derzeit auch: „Wenn Sie einer Gruppe bevorzugt etwas geben, dann fehlt es eben tatsächlic­h irgendwo anders.“

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Foto: Danny Lawson, dpa Für die Impfung von Lehrern und Erziehern ist vor allem der Impfstoff von AstraZe‰ neca vorgesehen.
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