Von der StahlwerkSpitze in den Knast
Im Prozess gegen einen Ex-Chef der Lech-Stahlwerke und zwei mutmaßliche Komplizen fließen zum Auftakt Tränen
Augsburg Einst saß er an der Spitze des einzigen bayerischen Stahlwerks – seit mehr als einem Jahr sitzt er in Untersuchungshaft. Am gestrigen Dienstag startete in Augsburg der Prozess gegen den 55-Jährigen. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Tätigkeit für die Lech-Stahlwerke in Meitingen (Landkreis Augsburg) eine Menge Geld in die eigene Tasche gesteckt zu haben – insgesamt über 800 000 Euro. Dafür soll er bei der Vergabe von Aufträgen einen nun ebenfalls auf der Anklagebank sitzenden Unternehmer, 45, bevorzugt haben. Die Bestechungsgelder sollen zum Teil über das Konto eines Steuerberaters geflossen sein. Auch er ist angeklagt.
Der 55-jährige Ex-StahlwerkeChef wechselte 2014 in die Führungsmannschaft des Meitinger Unternehmens. Als vertrauensvoller Partner wurde er damals von der
Max-Aicher-Gruppe, der das Stahlwerk gehört, vorgestellt. Nach eigenen Angaben arbeitete er mehr als 25 Jahre lang in der Industrie, war vor allem beratend tätig. Zuletzt gemeldet war der Geschäftsmann in einem Apartment in Berlin-Mitte. Seit März 2019 sitzt er in der Justizvollzugsanstalt in Gablingen (Kreis Augsburg).
Im Kern geht es in dem komplexen Verfahren um Bestechung und Untreue. Den beiden Geschäftsmännern wird außerdem Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vorgeworfen. Seit 2017 soll der ehemalige Lech-Stahlwerke-Chef regelmäßig Bestechungsgelder eingesteckt haben. Monatlich zwischen 7500 und 86 000 Euro. Ein Geschäftsführer einer Tochterfirma von Lech-Stahl soll ebenfalls in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Belangt werden kann der Mann dafür allerdings nicht mehr. Er ist zwischenzeitlich gestorben.
Bezahlt wurde das Schmiergeld laut Staatsanwaltschaft von dem mitangeklagten 45-jährigen Geschäftsmann. Er leitete eine Unternehmergruppe, die immer wieder Aufträge von den Lech-Stahlwerken bekam. Dafür sollen deren ExChef und sein inzwischen gestorbener Kollege kassiert haben. Neben der beträchtlichen Summe an Geld, die teils bar ausgezahlt worden sein soll, geht es auch um eine Luxusküche für knapp 60000 Euro. Dieses Geld wurde offenbar offiziell für eine Betriebskantine des Stahlwerks verbucht. Um nicht aufzufliegen, liefen die Geschäfte laut Anklage zum Teil über den Steuerberater.
Vor Gericht brach dieser am Dienstag immer wieder in Tränen aus. Er habe nicht gewusst, dass er sich strafbar mache, und habe auf seinen langjährigen Geschäftspartner, den 45-jährigen Angeklagten, vertraut. Dieses Vertrauen sei erschüttert worden, als im März vergangenen Jahres plötzlich die Polizei vor seiner Haustüre stand. Durchsucht wurden bei einer groß angelegten Razzia rund 30 Objekte in Bayern, Baden-Württemberg und Berlin. Bei den Angeklagten wurden damals unter anderem Luxusuhren und teure Autos sichergestellt.
Der 45-jährige Geschäftsmann ließ über seinen Verteidiger Jan Bockemühl erklären, dass er selbst das Opfer der Bestechungsaffäre sei. Der inzwischen gestorbene Geschäftsführer einer Lech-StahlTochter habe „unverhohlene Forderungen“gestellt. Weil er bereits viel Geld für Maschinen und Personal ausgegeben habe, sei er von Lech-Stahl abhängig gewesen, beteuerte der Angeklagte. Er habe den Druck nicht mehr ertragen und wie gewünscht bezahlt. Andernfalls hätte er nach eigenen Angaben Konkurs anmelden müssen.
Persönlich äußern wollte sich auch der 55-jährige Ex-Chef von Lech-Stahl nicht. Sein Anwalt Klaus Rödl erklärte in seinem Namen, dass er bei der Vergabe von Aufträgen stets den günstigsten Anbieter ausgewählt habe. Und das sei oft die Firma des 45-Jährigen gewesen. Dabei geht es laut Anklage um Aufträge von bis zu 15 Millionen Euro jährlich. Zu den einzelnen Vorwürfen möchte sich der Angeklagte im Laufe des Verfahrens äußern.
Neben den Schmiergeldern wird es dabei auch um Steuerhinterziehung im Umfang von 1,1 Millionen Euro gehen. Dieses Geld soll der 45-jährige Geschäftsmann zusammen mit seinem Steuerberater laut Anklage als private Darlehen betrieblich verbucht und den Fiskus damit um Steuergelder geprellt haben.
Luxusküche wurde als Betriebskantine verbucht