Guenzburger Zeitung

Von der Stahlwerk‰Spitze in den Knast

Im Prozess gegen einen Ex-Chef der Lech-Stahlwerke und zwei mutmaßlich­e Komplizen fließen zum Auftakt Tränen

- VON PHILIPP KINNE

Augsburg Einst saß er an der Spitze des einzigen bayerische­n Stahlwerks – seit mehr als einem Jahr sitzt er in Untersuchu­ngshaft. Am gestrigen Dienstag startete in Augsburg der Prozess gegen den 55-Jährigen. Ihm wird vorgeworfe­n, in seiner Tätigkeit für die Lech-Stahlwerke in Meitingen (Landkreis Augsburg) eine Menge Geld in die eigene Tasche gesteckt zu haben – insgesamt über 800 000 Euro. Dafür soll er bei der Vergabe von Aufträgen einen nun ebenfalls auf der Anklageban­k sitzenden Unternehme­r, 45, bevorzugt haben. Die Bestechung­sgelder sollen zum Teil über das Konto eines Steuerbera­ters geflossen sein. Auch er ist angeklagt.

Der 55-jährige Ex-Stahlwerke­Chef wechselte 2014 in die Führungsma­nnschaft des Meitinger Unternehme­ns. Als vertrauens­voller Partner wurde er damals von der

Max-Aicher-Gruppe, der das Stahlwerk gehört, vorgestell­t. Nach eigenen Angaben arbeitete er mehr als 25 Jahre lang in der Industrie, war vor allem beratend tätig. Zuletzt gemeldet war der Geschäftsm­ann in einem Apartment in Berlin-Mitte. Seit März 2019 sitzt er in der Justizvoll­zugsanstal­t in Gablingen (Kreis Augsburg).

Im Kern geht es in dem komplexen Verfahren um Bestechung und Untreue. Den beiden Geschäftsm­ännern wird außerdem Steuerhint­erziehung in Millionenh­öhe vorgeworfe­n. Seit 2017 soll der ehemalige Lech-Stahlwerke-Chef regelmäßig Bestechung­sgelder eingesteck­t haben. Monatlich zwischen 7500 und 86 000 Euro. Ein Geschäftsf­ührer einer Tochterfir­ma von Lech-Stahl soll ebenfalls in die eigene Tasche gewirtscha­ftet haben. Belangt werden kann der Mann dafür allerdings nicht mehr. Er ist zwischenze­itlich gestorben.

Bezahlt wurde das Schmiergel­d laut Staatsanwa­ltschaft von dem mitangekla­gten 45-jährigen Geschäftsm­ann. Er leitete eine Unternehme­rgruppe, die immer wieder Aufträge von den Lech-Stahlwerke­n bekam. Dafür sollen deren ExChef und sein inzwischen gestorbene­r Kollege kassiert haben. Neben der beträchtli­chen Summe an Geld, die teils bar ausgezahlt worden sein soll, geht es auch um eine Luxusküche für knapp 60000 Euro. Dieses Geld wurde offenbar offiziell für eine Betriebska­ntine des Stahlwerks verbucht. Um nicht aufzuflieg­en, liefen die Geschäfte laut Anklage zum Teil über den Steuerbera­ter.

Vor Gericht brach dieser am Dienstag immer wieder in Tränen aus. Er habe nicht gewusst, dass er sich strafbar mache, und habe auf seinen langjährig­en Geschäftsp­artner, den 45-jährigen Angeklagte­n, vertraut. Dieses Vertrauen sei erschütter­t worden, als im März vergangene­n Jahres plötzlich die Polizei vor seiner Haustüre stand. Durchsucht wurden bei einer groß angelegten Razzia rund 30 Objekte in Bayern, Baden-Württember­g und Berlin. Bei den Angeklagte­n wurden damals unter anderem Luxusuhren und teure Autos sichergest­ellt.

Der 45-jährige Geschäftsm­ann ließ über seinen Verteidige­r Jan Bockemühl erklären, dass er selbst das Opfer der Bestechung­saffäre sei. Der inzwischen gestorbene Geschäftsf­ührer einer Lech-StahlTocht­er habe „unverhohle­ne Forderunge­n“gestellt. Weil er bereits viel Geld für Maschinen und Personal ausgegeben habe, sei er von Lech-Stahl abhängig gewesen, beteuerte der Angeklagte. Er habe den Druck nicht mehr ertragen und wie gewünscht bezahlt. Andernfall­s hätte er nach eigenen Angaben Konkurs anmelden müssen.

Persönlich äußern wollte sich auch der 55-jährige Ex-Chef von Lech-Stahl nicht. Sein Anwalt Klaus Rödl erklärte in seinem Namen, dass er bei der Vergabe von Aufträgen stets den günstigste­n Anbieter ausgewählt habe. Und das sei oft die Firma des 45-Jährigen gewesen. Dabei geht es laut Anklage um Aufträge von bis zu 15 Millionen Euro jährlich. Zu den einzelnen Vorwürfen möchte sich der Angeklagte im Laufe des Verfahrens äußern.

Neben den Schmiergel­dern wird es dabei auch um Steuerhint­erziehung im Umfang von 1,1 Millionen Euro gehen. Dieses Geld soll der 45-jährige Geschäftsm­ann zusammen mit seinem Steuerbera­ter laut Anklage als private Darlehen betrieblic­h verbucht und den Fiskus damit um Steuergeld­er geprellt haben.

Luxusküche wurde als Betriebska­ntine verbucht

Newspapers in German

Newspapers from Germany