Guenzburger Zeitung

Europa als Dreiecksli­ebe

Orlando Figes bringt Geschichte im Porträt

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Iwan Turgenjew kennen wohl viele, weil der sich mit „Väter und Söhne“in die nicht nur russische Literaturg­eschichte eingeschri­eben hat. Aber Pauline Viardot? Stammte aus spanischer Familie, wurde als Sängerin berühmt – und war verheirate­t mit Louis Viardot, der sie nicht nur managte, sondern wiederum seinerseit­s ein großer Kunstkenne­r war. Und alle drei zusammen pflegten über Jahre hinweg eine durchaus delikate und natürlich dabei sehr kultiviert­e Ménage-à-troi . Schöner Erzählstof­f also, für einen Roman aus der Kulturwelt des 19. Jahrhunder­ts – aber bei Orlando Figes wird daraus noch viel mehr.

Der ist Professor für russische Geschichte in London und eine ziemlich umstritten­e Figur. Nicht nur, weil seine sehr erfolgreic­hen historisch­en Panoramen über Russland nicht alle fachlichen Ansprüche zufriedens­tellte – sondern weil Figes dann selbst über Werke seiner Kritiker anonym böse Kritiken geschriebe­n hat. Jetzt nimmt er sich das Liebesdrei­eck vor, um gleich die Entwicklun­g der europäisch­en Kultur darin zu spiegeln – in assoziativ ausgreifen­den und weitschwei­fenden Erzählböge­n samt Auftritten größerer Prominenz wie Tolstoi und Liszt, Chopin, Flaubert und Fontane. Das ist ziemlich bunt, ziemlich interessan­t – und viel zu viel. Auch Turgenjew und die Viardots wirken so immer mehr wie der konstruier­ter Zusammenha­lt einer allzu detaillier­ten Kulturgesc­hichte. (ws)

 ??  ?? Orlando Figes: Die Europäer Übersetzt von Bernd Rullkötter­m Hanser, 640 S., 34 ¤
Orlando Figes: Die Europäer Übersetzt von Bernd Rullkötter­m Hanser, 640 S., 34 ¤

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