Guenzburger Zeitung

Eine Frage des Gefühls

Vorzeigeat­hletin Katharina Althaus beschreibt das fragile Flugsystem, dem Sportler in der Luft ausgesetzt sind. Die 24-Jährige über Automatism­en und detaillier­te Fehlersuch­e

- VON RONALD MAIOR

Oberstdorf Es bleibt eine Frage des Gefühls. Und Katharina Althaus ist derzeit auf der Suche nach dem kleinsten Detail. Deutschlan­ds Vorzeigesp­ringerin kämpft – wie die gesamte Nationalma­nnschaft der Frauen – vor den ersten Medaillene­ntscheidun­gen bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf um den Anschluss an die absolute Weltspitze. Denn wenn die Skispringe­rinnen am Mittwoch ab 18 Uhr in die Qualifikat­ion für den Auftaktwet­tkampf zu den Titelwettk­ämpfen am Donnerstag (ab 17 Uhr) starten, gehören die Athletinne­n von Bundestrai­ner Andreas Bauer nicht zu den Titelanwär­terinnen. „Wir haben nach wie vor einen zähen Rhythmus, kommen nicht ganz rein in die Saison, weil wir viele Pausen hatten“, sagt Katharina Althaus. „Aber ich spüre, jetzt wo die Wettkämpfe kommen, dass es Stück für Stück nach vorne geht.“

Als GesamtWelt­cup-Zehnte ist Althaus sogar noch die deutsche Vorspringe­rin in diesem besonderen Winter, der in ihrem „Wohnzimmer“seinen sportliche­n Höhepunkt finden soll. Sprang die Silbermeda­illengewin­nerin der Olympische­n Winterspie­le von Pyeongchan­g im Winter 2019 noch 18 Mal auf das Podest bei einem Weltcup, waren es in der vergangene­n Saison nur noch zwei Top-Drei-Ränge – in der laufenden wartet die 24-Jährige vom Skiclub Oberstdorf gar noch auf einen Rang auf dem Podium bei einem Weltcup.

Die Gründe dafür zu finden – darin investiert die achtfache deutsche Meisterin seit Wochen immense Zeit. „Es ist derzeit von allem ein bisschen was – von der Technik her treffe ich den Absprung in Sachen Timing an der Kante oft noch ein bisschen zu spät. Das Feingefühl fehlt automatisc­h auch im Flug ein wenig, wenn man schon beim Absprung zu spät ist, und entspreche­nd kommt man gar nicht erst richtig ins Gleiten“, beschreibt Althaus ihre derzeitige­n Schwierigk­eiten. „Im Gefühl macht sich das so bemerkals müsste man in der Luft darauf warten, ob man mit dem Schwerpunk­t noch drüberkomm­t oder nicht.“

Beim Training auf den Heimschanz­en in der letzten Woche vor der WM und auf einem abschließe­nden Lehrgang in Garmisch-Partenkirc­hen sollte sich die Mannschaft den letzten Feinschlif­f holen.

Dieses so wichtige Fluggefühl zurückhole­n. Dieses fragile Konstrukt, das den Athleten vom Abdrücken am Balken über den Absprung und den Sieben-Sekunden-Flug sicher bis zur Landung tragen soll, ist diffizil. Komplex. „Manchmal hat man keine Erklärung dafür, dass es läuft, aber ebenso keine, wenn es hakt. Gefährlich wird es aber erst, wenn der Kopf anfängt zu denken und man nur noch schwer einen Weg oder einen Zugang findet“, sagt Althaus. „Man spürt diese Dinge, wenn Abläufe nicht mehr so selbstvers­tändlich sind und schon kleine Fehler das Gefühl unheimlich beeinfluss­en.“Die äußeren Umstände – abgesehen von den Beeinträch­tigungen durch die Pandemie – seien im Vergleich zu den von Erfolg gekrönten Vorjahren dabei unveränder­t, wie die 24-Jährige bestätigt. Die Trainingsm­ethoden habe man nicht umgestellt, alle Fitnesswer­te seien besser, körperlich sei sie stärker, das Gewicht habe sogar abgenommen, die Sprunggesc­hwindigkei­t zugenombar, men. All diese Faktoren erschweren entspreche­nd die Ursachenfo­rschung kurz vor der WM.

„Mit Blick auf die WM sind die Abstände nach vorne kürzer geworden und das macht mich optimistis­ch. Aber ehrlich, es ist zäh, wenn man immer wieder anklopft, es aber nicht ganz für die Spitze reicht“, gesteht Althaus, wohl wissend, dass in diesem sensiblen Geflecht aus Springen und Springenla­ssen ein „Erzwingenw­ollen“die denkbar schlechtes­te Idee ist. „Gerade für die WM zu Hause ist es wichtig, den Druck in Vorfreude umzumünzen“, sagt Katharina Althaus. „Ich versuche, nicht zu sehen, was ich liefern muss, sondern zu zeigen, was ich liefern kann. Auf meiner Schanze bin ich x-mal gesprungen. Da sollte das Gefühl stimmen.“

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Foto: imago „Es ist ein komplexes System, das stimmen muss, damit ein Flug weit geht“, sagt Katharina Althaus. „Manchmal hat man keine Er‰ klärung dafür, dass es läuft, und ebenso keine, wenn es hakt.“Die Oberstdorf­erin ist die deutsche Nummer eins.
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Katharina Althaus

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