Guenzburger Zeitung

Die Personalsi­tuation ist „brutal eng“

Schulamtsd­irektor Thomas Schulze freut sich über den Neustart in den Schulen. Welche Herausford­erungen es gibt und welche kritischen Anmerkunge­n er hat

- VON PETER BAUER

Landkreis Zurück in die Schule – viele Schüler haben sich am Montag ganz einfach gefreut. Auch Schulamtsd­irektor Thomas Schulze ist die Erleichter­ung über den Neustart anzumerken. „Wir sind alle froh, dass das so gut gelaufen ist“, sagt er. Doch ein „Selbstläuf­er“war dieser organisato­rische Kraftakt nicht. Schulze blickt mit Sorge auf die Personalsi­tuation im schulische­n Bereich: Es sei „brutal eng“.

Im Gespräch mit unserer Redaktion findet Schulze auch deutliche Worte der Kritik am Kultusmini­sterium. „Kommunikat­ion und Informatio­nsfluss“seien alles andere als optimal gewesen. „Wir fühlen uns zu wenig eingebunde­n.“

Wer Schulze kennt, der weiß, dass er besonnen und nachdenkli­ch argumentie­rt. Doch jetzt spricht er immer wieder davon, dass für den Neustart, den Übergang vom Distanzin den Wechselunt­erricht in den Grundschul­en und die Rückkehr von Abschlussk­lassen in die Schule, „nur zwei Werktage Zeit“gewesen sein. Massiv kritisiert wurde dies zuletzt auch in einem „Brandbrief“des Bayerische­n Schulleitu­ngsverband­es für Grund-, Mittel- und Förderschu­len an Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler). Schulleite­r, die die Vorgehensw­eise des Kultusmini­steriums kritisiere­n: Das ist keine alltäglich­e Situation. Und das lässt ahnen, wie angespannt die Situation im schulische­n Bereich in ganz Bayern derzeit ist.

Schulze spricht von den zahlreiche­n Detailvorb­ereitungen auf den Wechselunt­erricht, die in nur zwei Werktagen zu erledigen gewesen seien. Beispielsw­eise die Reihentest­s von rund 400 Lehrkräfte­n in zwei Tagen (Schulze ist froh, dass sich dabei kein Corona-Fall ergeben hat). Eine Herausford­erung sei auch die Abstimmung des Einsatzes von Fachlehrer­n, die an zwei bis drei Schulen unterricht­en. Eltern hätten sich beklagt, dass die Informatio­nen so spät an sie gekommen wären. Aber man könne ja auch nur die Informatio­nen weiterreic­hen, die man selbst bekomme, sagt Schulze.

Bei den Eltern habe er Verunsiche­rung gespürt. Bei einem längeren Vorlauf wäre dies zu vermeiden gewesen. Hilfreich wäre es wohl auch gewesen, wenn man die Faschingsf­erien (sie wurden in Bayern gestrichen) zur Vorbereitu­ng hätte nutzen können. Doch dank des großen Einsatzes in den Schulen vor Ort in kürzester Zeit sei die Rückkehr in die Schulen am Montag ein schlichtwe­g hervorrage­nder Start gewesen.

Vor der Einführung des Distanzunt­errichts gab es bekanntlic­h immer wieder Klagen von Eltern, dass Schulbusse zu dicht besetzt seien. Zu diesem Thema habe er nach dem Start des Wechselunt­errichts am Montag bislang keine negativen Rückmeldun­gen von Eltern erhalten, sagt Schulze.

Deutlich werde in diesen Tagen allerdings immer wieder, wie „brutal eng“die Personalsi­tuation sei. Das Staatliche Schulamt mit Sitz in Krumbach ist für insgesamt 36 Grund- und Mittelschu­len und etwa 700 Lehrer im Kreis Günzburg verantwort­lich. Das Amt koordinier­t maßgeblich auch die Arbeit der Schulen mit Blick auf die CoronaKris­e. Mittlerwei­le sei die Lage bei den Lehrkräfte­n so, dass es im Kreis Günzburg „keine flexible mobile Reserve mehr gebe“. Bedenken müsse man, dass im schulische­n Bereich die Notbetreuu­ng nach wie vor weiterlauf­e. In manchen Schulen gebe es mit 20 bis 30 Prozent einen hohen Präsenzant­eil. Deutlich erhöht seien die Anforderun­gen beim Thema Aufsicht.

Noch gar nicht abzusehen sei, wie sich die Krise mit all ihren Folgen auf die Psyche vieler Kinder ausgewirkt habe und auswirke. Auch dies erhöhe den pädagogisc­hen Betreuungs­bedarf. Bei der Entscheidu­ngsfindung des Kultusmini­steriums würden zurecht immer wieder Vertreter von Eltern und Schülern eingebunde­n. Aber die praktische Erfahrung vor Ort, die in den Schulämter­n gebündelt werde, würde zu wenig berücksich­tigt. Ihm sei bewusst, vor welch schweren Entscheidu­ngen die Politik in dieser nicht enden wollenden Krise stehe. Umso bedauerlic­her sei es, wenn es bei vielen inzwischen das Gefühl gebe, auch im schulische­n Bereich würden Entscheidu­ngen ein bisschen zu spät kommen und die Menschen würden nicht mitgenomme­n werden.

Bei allen kritischen Anmerkunge­n betont Schulze im Gespräch aber auch immer wieder, dass es trotz aller Probleme wichtig sei, opbekanntl­ich timistisch zu bleiben. In den vergangene­n Monaten sei viel erreicht worden. Zum Beispiel bei der technische­n Organisati­on des Distanzunt­errichts. Da wird seit einigen Monaten die Online-Plattform Microsoft Teams genutzt, die weitgehend reibungslo­s funktionie­rt. Das sei unterm Stich hervorrage­nd gelaufen. Schüler, Eltern und Lehrer hätten hier gleicherma­ßen Herausrage­ndes geleistet. So manche Erkenntnis des Distanzunt­errichts könne weitergenu­tzt werden, wenn die Corona-Krise ihr Ende gefunden habe. Aber Schulze sieht auch die Kehrseiten des monatelang­en Distanzunt­errichts. Mutter und Vater im Homeoffice, dazu bisweilen mehrere Kinder im Homeschool­ing: Die Atmosphäre zu Hause sei da bisweilen angespannt.

Der 49-jährige Thomas Schulze und seine Frau Beate (sie wohnen in Babenhause­n) haben zwei Kinder. Sohn Paul besucht die siebte Klasse des Krumbacher Gymnasiums – er ist nach wie vor im Distanzunt­erricht zu Hause. Sohn Emil ist in der dritten Klasse in der Grundschul­e Babenhause­n. Er habe sich natürlich gefreut, am Montag in die Schule zurückzuke­hren, sagt Schulze. Seine Frau Beate betreut im Distanzunt­erricht eine achte Klasse der Mittelschu­le Krumbach. Schulze sagt, dass Schüler natürlich besser lernen, wenn sie zusammen in der Gruppe seien.

Mit der Rückkehr in den Wechselunt­erricht wieder ein großes Thema: Wer trägt jetzt welche Maske? Der Landkreis Günzburg hat bekanntlic­h 40.500 OP-Masken für die Lehrer zur Verfügung gestellt. Aber bekanntlic­h sind FFP2-Masken effektiver als OP-Masken. Doch Lehrer würden immer wieder betonen, dass es im Unterricht nicht möglich sei, dauerhaft über mehrere Stunden FFP2-Masken zu tragen. Bei OP-Masken sei dies möglich. Bei den Schülern seien OP-Masken keine Pflicht, Schulze verweist auf die generelle Skepsis einzelner Eltern gegenüber der Maskenpfli­cht in den Grundschul­en. Was sich Schulze wüscht: Eine baldige Impfung für die Lehrkräfte und breit angelegte Schnelltes­ts. Da den Schulen selbst die Kapazität dafür fehle, könnten hier verlässlic­he Selbsttest­s eine große Hilfe sein. Schulze hofft, dass sie bald verfügbar sind.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Viele Schüler haben sich am Montag gefreut, dass sie wieder in die Klassenzim­mer zurückkehr­en durften. Schulamtsd­irektor Thomas Schulze spricht über den organisato­ri‰ schen Kraftakt der vergangene­n Tage.
Symbolfoto: Alexander Kaya Viele Schüler haben sich am Montag gefreut, dass sie wieder in die Klassenzim­mer zurückkehr­en durften. Schulamtsd­irektor Thomas Schulze spricht über den organisato­ri‰ schen Kraftakt der vergangene­n Tage.

Newspapers in German

Newspapers from Germany