Friseur bietet Genuss für Kopf und Gaumen
Was sich Timo Seitz von der Stylemanufaktur in Ichenhausen einfallen lässt, um in Corona-Zeiten die Kunden bei der Stange zu halten und neue Akzente zu setzen
Ichenhausen Eigentlich ist Timo Seitz Friseur mit Herz und Seele. Doch zum zweiten Mal sind dem Chef der Stylemanufaktur in Ichenhausen wegen des zweiten Lockdowns die Hände gebunden. Seit Ende Dezember ist das Geschäft geschlossen, er und seine Mitarbeiter dürfen den Kunden vor Ort keine Haare mehr waschen, schneiden, färben oder föhnen. Weil die Situation aber nur schlimmer werde, „wenn man daheimsitzt, schlechte Nachrichten hört und den Kopf in den Sand steckt“, hat der 45-Jährige die Zeit genutzt und ein neues Konzept entwickelt. Künftig soll es in seinem Geschäft nicht mehr ausschließlich um den Genuss auf dem Kopf gehen, auch die Gaumenfreuden sollen eine Rolle spielen.
Timo Seitz geht gerne ungewöhnliche, unkonventionelle Wege. Er biete den Menschen gerne immer wieder „etwas Neues“, sagt er über sich selbst. Deshalb bedienen seine inzwischen 15 Mitarbeiter die Kunden in der Stylemanufaktur in Ichenhausen, die er 2012 eröffnet hat, nicht an gewöhnlichen Einzelplätzen, sondern quasi an einer großen Werkbank. Was anderen noch viel verrückter erscheinen mag, ist Seitz’ Geschäftsvergrößerung – ausgerechnet in Corona-Zeiten. Zum 1. September vergangenen Jahres übernahm er den Friseursalon in der Thannhauser Bahnhofstraße und richtete eine zweite Stylemanufaktur mit weiteren sechs Mitarbeitern ein. Er habe schon lange das Ziel gehabt, das Geschäft auszuweiten, so habe er zugeschlagen, als ihm ein Makler den 100 Quadratmeter großen Laden angeboten habe. Die Sache habe ihn gereizt, sei mit großem Risiko verbunden, aber er denke antizyklisch: „Gerade in der Krise zu investieren, ist ein wichtiges Zeichen“, findet Seitz.
Genau das macht er jetzt wieder. Den zweiten Lockdown hat er nicht nur dafür genutzt, um den 200 Quadratmeter großen Friseursalon in Ichenhausen selbst zu streichen, drei Auszubildende weiter fortzubilden, eine Haarsprechstunde und ein Färbeseminar für völlig verzweifelte Kunden online anzubieten, Do-it-yourself-Videos hochzuladen und Haarpflegebedarf via Click und Collect zu verkaufen. Er hat sich auch Gedanken über ein neues Konzept gemacht und dieses schon in Teilen umgesetzt.
Die zündende Idee dazu hatte seine Lebensgefährtin Gabriele Groß. Die 45-Jährige, die als Lehrerin arbeitet und nebenher für Seitz die sozialen Netzwerke Instagram, Facebook und Twitter bestückt, hatte in einer Zeitschrift, die in Seitz’ Stylemanufaktur ausliegt, gestöbert.
war sie auf Werbung für Bionudeln gestoßen, deren Verpackung so designt ist, dass die Nudelsorte die Frisur eines Frauenkopfes darstellt. „Es passt zum Thema Haare. Warum nicht ein paar davon als Mitnahmeartikel anbieten?“, dachte sie sich.
Sie suchte und fand den Lieferanten, der zugab, seine Nudeln noch nie an einen Friseur geliefert zu haben, obwohl sie unter dem Titel „good hair day“perfekt darauf zugeschnitten wären. Wie Timo Seitz erzählt, habe er eine Art Bewerbungsgespräch führen müssen und bekam schließlich den Zuschlag. Er gestaltete den Empfangs- und Wartebereich seines Salons um, statt Haarpflegeprodukte reihen sich jetzt in den Regalen Nudeln, passende Soßen und weitere Delikatessen aneinander. Zum Valentinstag bot er die Gaumenfreuden zusammen mit Gutscheinen für Haardienstleistungen an. Die Idee scheint anzukommen, die erste Charge ist schon ausverkauft, Seitz musste nachbestellen.
Der erste Schritt sei gemacht, man sei wieder im Gespräch, und die Weichen für ein „kleines NebenDort standbein“seien gestellt, sagt Seitz. Doch er will noch weiter gehen, den Kunden noch mehr als nur einen neuen Haarschnitt und ein paar Nudeln bieten. „Die genussreichen Stunden, auch auf den Gaumen bezogen“sollen ausgeweitet werden. Ihm und seiner Lebensgefährtin schweben Verköstigungs-Events vor, die sie, wenn die Corona-Krise es zulässt, Mitte des Jahres starten wollen.
Klein möchten sie anfangen, mit einer Bar und Knabbereien nach Feierabend. Seitz ist gerade dabei, mit den Behörden zu verhandeln, entsprechende Konzessionen zu bekommen, eine Nutzungsänderung für den Salon zu erwirken und erforderliche Auflagen abzuklären. Denn klar sei, dass in einem Barbereich keine abgeschnittenen Haare herumfliegen dürften. Er selbst könnte sich vorstellen, dass an Tagen mit Events ab dem Nachmittag nur noch im hinteren Salonbereich frisiert wird und später nur im Empfangsbereich Getränke gereicht werden. Kühlschränke und Theke seien schon vorhanden. Möglich sei auch eine Bestuhlung auf der hinten angrenzenden Terrasse oder Barhocker auf dem Bürgersteig – vorausgesetzt, die Stadt gibt ihre Zustimmung dafür.
Sollten die Events Zuspruch finden, könnten sie noch weiter ausgebaut und dabei auch Delikatessen in größerem Umfang gereicht werden. Wie Gabriele Groß erzählt, würde eine Freundin, die in der Gastronomie erfahren ist, als Köchin einsteigen und Speisen zuliefern. Damit kämen auf den Salon auch keine Probleme seitens des Gesundheitsamts zu. Eine eigene Küche sei nicht erforderlich und Mitarbeiter, die fertig zubereitete Speisen ausgeben, bräuchten keine Gesundheitszeugnisse, sondern lediglich eine Gesundheitsbelehrung.
Und um die Kernkompetenz, das Thema Haare, nicht aus dem Blick zu verlieren, denkt Groß auch an Themenabende beispielsweise rund um „Zöpfe“oder „Schillerlocken“. Timo Seitz ist überzeugt: „Das wäre ein kleines Alleinstellungsmerkmal und eine Belebung für den Salon.“