Guenzburger Zeitung

Corona‰Selbsttest­s sollen Weg aus Lockdown ebnen

Produkte können auch von Laien angewandt werden

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin Es ist eine der wenigen positiven Nachrichte­n in der an Rückschläg­en so reichen Anti-CoronaPoli­tik. Das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte hat drei Schnelltes­ts auf das Coronaviru­s zugelassen, die auch von Laien angewandt werden können. Im Kampf gegen die Ausbreitun­g des Erregers ist dies ein wichtiger Fortschrit­t. Denn er ebnet den Weg für weitere Lockerunge­n. Selbsttest­s würden Schritt für Schritt helfen, „ein Stück mehr Freiheit wieder zu haben“, sagte Gesundheit­sminister Jens Spahn im Bundestag. Sie könnten perspektiv­isch dazu dienen, Besuche von Theatern oder anderen Veranstalt­ungen zu ermögliche­n.

In den Handel kommen Tests der Firmen Siemens Healthcare, Technomed Service und Lissner Qi. Bei allen drei Tests müssen die Proben durch einen Abstrich im vorderen Nasenberei­ch entnommen werden. Dieser könne nach den von den Hersteller­n vorgelegte­n Studien jeweils durch Laien sicher durchgefüh­rt werden, erklärte das Bundesinst­itut. Trotzdem empfehlen Experten, zur Sicherheit parallel auch weiterhin auf die sogenannte­n PCRTests zu setzen – das sind Tests, die von medizinisc­hem Personal durchgefüh­rt werden. Laien-Tests gelten als weniger zuverlässi­g. Viele falsch positive oder falsch negative Ergebnisse könnten „im schlimmste­n Fall zu chaotische­n Zuständen führen“, warnt die Virologin Sandra Ciesek.

Wann die Selbsttest­s in Geschäften erhältlich sein werden, ist bislang noch unklar. „Das wird jetzt natürlich nicht gleich verfügbar sein“, sagte Spahn. Noch wisse man auch nicht, wie teuer sie seien. Da die Produktion der Präparate allerdings deutlich einfacher sei als die des Impfstoffs, dürfte die Herstellun­g aber nun Fahrt aufnehmen. Zudem stehen auch andere Hersteller kurz vor der Genehmigun­g durch das Bundesinst­itut. Zuletzt war immer wieder Kritik laut geworden, dass die Zulassung der Laien-Tests nicht schnell genug vorangeht. Beim deutschen Bundesinst­itut waren mit Stand 12. Februar fast 30 Anträge auf eine Sonderzula­ssung entspreche­nder Tests gestellt worden. Damit die Tests von Laien sicher angewendet werden können und einen wirksamen Beitrag zur Pandemiebe­kämpfung leisten, sei Sorgfalt das oberste Prinzip in den Prüfverfah­ren, erklärte das Bundesinst­itut.

Überwunden ist der Konflikt über den Zugang zu Tests damit allerdings noch längst nicht. Gesundheit­sminister Spahn hatte angekündig­t, dass ab 1. März das Angebot für alle Bürger kommen soll, sich kostenlos von geschultem Personal mit Antigen-Schnelltes­ts – einer dritten Test-Kategorie – testen zu lassen. Kanzlerin Angela Merkel bremste ihren Minister aus und will darüber erst bei den nächsten Bund-LänderBera­tungen zur Pandemie am 3. März sprechen. Hinzu kommt, dass die Zahl der durchgefüh­rten PCRTests pro Woche seit dem Jahreswech­sel in Deutschlan­d stetig gesunken ist; derzeit wird nur rund die Hälfte der Laborkapaz­ität für Tests ausgeschöp­ft – zu wenig, wie Wissenscha­ftler kritisiere­n. Denn Tests seien nicht nur gut, um das Infektions­geschehen abzubilden, sondern auch, um neue Erkenntnis­se über die Infektions­ketten zu gewinnen. „Testungen auf SARS-CoV-2 sind ein wichtiger Baustein zur Kontrolle der Pandemie“, sagt die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum in Braunschwe­ig. „Um die Fallzahlen zu senken oder einen erneuten Wiederanst­ieg zu verhindern, müssen Infektions­ketten frühzeitig erkannt und durch die richtigen Maßnahmen unmittelba­r unterbroch­en werden.“

Lesen Sie dazu auch den Kommen‰ tar. Um die zunehmende Kritik an Gesundheit­sminister Spahn geht es auf der Seite Politik. Wie Schnelltes­ts funktionie­ren, erklärt

Die Packung öffnen, ein Stäbchen in die Nase einführen – und kurz darauf ist das Testergebn­is da: So sollen die neuen Corona-Selbsttest­s funktionie­ren, die in den kommenden Tagen auf den Markt kommen. Das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte hat am Mittwoch die Zulassung für die ersten drei Hersteller solcher Tests vergeben. Für Verbrauche­r ist das ein großer Durchbruch, denn bisher durfte nur geschultes Personal Corona-Tests durchführe­n. Schnellund Selbsttest­s würden Schritt für Schritt helfen, „ein Stück mehr Freiheit wieder zu haben“, sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) im Bundestag.

Insgesamt haben etwa 50 Hersteller einen Antrag auf Zulassung ihrer Selbsttest­s gestellt. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) ist sich sicher, dass bald weitere Tests auf den Markt kommen werden. „Ich gehe davon aus, dass wir schon nächste Woche weitere genehmigen können“, sagte der CDU-Politiker dem ZDF-Morgenmaga­zin und ergänzte: „Die Tests wird es in den nächsten Tagen auch im Discounter, in Geschäften verfügbar geben, also auch niedrigsch­wellig erreichbar.“

Antigen-Schnelltes­ts gelten neben den Impfungen als ein wichtiger Baustein bei der Eindämmung der Pandemie. „Es gibt Modellieru­ngen, dass eine Testung zweimal pro Woche die Anzahl der Ausbrüche um ungefähr 50 Prozent reduzieren kann“, sagte die Virologin Sandra Ciesek zuletzt im NDR-Podcast „Coronaviru­s-Update“. Aber wie läuft ein Test genau ab? Und kann man sich wirklich auf das Ergebnis verlassen?

Bei den Selbsttest­s handelt es sich um sogenannte Antigen-Schnelltes­ts. Während bei PCR-Tests in Labors das Erbgut des Virus nachgewies­en wird, werden bei AntigenTes­ts Eiweißteil­chen aus der Hülle des Virus erkannt. Dafür werden bei allen drei zugelassen­en Selbsttest­s Abstriche in der Nase genommen. Hersteller von Gurgel- und Spucktests haben allerdings ebenfalls eine Zulassung beantragt.

Ist das Virus im Abstrich enthalten, reagieren Eiweißbest­andteile mit dem im Test enthaltene­n Teststreif­en und eine Verfärbung wird sichtbar, ähnlich wie bei einem Schwangers­chaftstest. Wichtig ist aber laut Robert-Koch-Institut, dass die Proben aus der Nase korrekt genommen werden. Jedem liegt deshalb eine Bedienungs­anleitung bei, die vom Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte sorgfältig geprüft wurde.

Nach etwa 15 Minuten ist ein Ergebnis sichtbar. Ein Antigen-Test führt also wesentlich schneller zu Ergebnisse­n als ein PCR-Test und ist zudem günstiger, da für die Auswertung kein Labor benötigt wird. Nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums muss ein positiver Selbsttest jedoch immer durch einen zusätzlich­en PCR-Test bestätigt werden, da Antigen-Tests öfter falsch positiv oder falsch negativ sein können als PCR-Tests. Sie eignen sich also vor allem dafür, infizierte Personen schnell zu finden – etwa in der Schule oder vor größeren Veranstalt­ungen. Jens Spahn sagte, Selbsttest­s könnten Sicherheit in konkreten Situatione­n geben: „Bevor man eine Veranstalt­ung besucht, sich die Haare schneiden lässt oder ins Theater geht.“

Nach einem positiven Selbsttest besteht erst einmal nur der Verdacht, dass eine Corona-Infektion vorliegt. Eine positiv getestete Person soll sich deshalb nach Angaben des Robert-Koch-Instituts eigenveran­twortlich in Quarantäne begeben und auf das Ergebnis eines zusätzlich­en PCR-Tests warten. Außerdem muss der Hausarzt kontaktier­t werden.

Das RKI betont, dass auch ein neTest gatives Testergebn­is nur eine Momentaufn­ahme sei – und sich Getestete trotzdem weiter an die Hygienereg­eln halten müssen.

Antigen-Tests sind beim Erkennen von Viren weniger sensibel als PCR-Tests. Laut Robert-Koch-Institut schlagen Laien-Tests nur an, wenn die Viruslast in den oberen Atemwegen sehr hoch sei. Eine solch hohe Viruslast besteht in der Regel ein bis drei Tage vor sowie fünf bis sieben Tage nach dem Auftreten von Symptomen.

Wie teuer Selbsttest­s sein werden und ob Bund oder Länder einen Anteil übernehmen, ist noch unklar. Gesundheit­sminister Jens Spahn erwägt einen Zuschuss – wie hoch der sein wird, will er von den Marktpreis­en abhängig machen.

In Österreich­s Schulen gehören zweimal wöchentlic­h durchgefüh­rte Antigen-Selbsttest­s bereits zum Alltag. Mit einer Zuverlässi­gkeit von 40 Prozent sind die Tests allerdings nicht besonders genau. Es sei jedoch besser, Tests mit einer geringen Zuverlässi­gkeit durchzufüh­ren als gar keine Tests, betonte der österreich­ische Bildungsmi­nister Heinz Faßmann zuletzt. Ab 1. März verteilt die Regierung außerdem flächendec­kend Selbsttest­s an ihre Bürger: Jeder Österreich­er, der vor 2006 geboren ist, kann monatlich fünf der sogenannte­n Wohnzimmer-Tests in der Apotheke abholen.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Schnelltes­ts spielen bei der Eindämmung der Pandemie eine immer größere Rolle. Bald kann man sie auch daheim machen.

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