Guenzburger Zeitung

Durch den Hund aufs Schaf gekommen

Hobbyschäf­er Klaus Ruider züchtet vom Aussterben bedrohte Krainer Schafe. Und nun hat er im Ebershause­r Ortsteil Waltenberg einiges vor

- VON MARION BRUCKER

Waltenberg Zuerst geht Klaus Ruider auf eine Wiese und zeigt, was seine beiden Hütehunde können müssen, um Schafe zu betreuen. Patch, der zweijährig­e Border Collie, treibt die Schafe von unten nach oben; Sissi, die vierjährig­e altdeutsch­e Hütehündin, stiebt sie kreisförmi­g zusammen. Immer wieder ruft Ruider ihnen zu: „get up“, „come by“oder „ruhiger“. Er spricht mit Sissi englisch, mit Patch deutsch. Das sei wichtig, erklärt Ruider. Sonst wüssten die Hunde nicht, welcher gemeint sei.

Der 60-Jährige lehnt sich auf seinen Schäfersta­b. Er ist wie es der Tradition entspricht aus Halsnussho­lz, an dessen Ende er einen Griff aus dem Horn eines Schafsbock­es angebracht hat. „Sie sind mit Feuer und Flamme dabei“, sagt er. Genauso wie ihr Herrchen.

Seit vier Jahren hat sich der Ingenieur aus Aichwald-Aichelberg bei Stuttgart den Schafen verschrieb­en. Noch bis vor wenigen Wochen hat der dort gewohnt. Silvester wurde bereits auf dem Bauernhof im knapp 100-Seelendorf Waltenberg gefeiert. Dort haben seine Frau Anja und er einen Bauernhof gekauft, um sich ihren Traum zu erfüllen, als Selbstvers­orger zu leben. Dies in Aichwald und Umgebung zu realisiere­n, hätte das Budget nicht hergegeben.

Seine 24 Krainer Steinschaf­e hat er als Vorhut schon mal vorausgesc­hickt. „Sie wurden von einem jungen Hühnerzüch­ter versorgt“, erklärt er. Der habe eine ähnliche Einstellun­g wie sie. „Das passt ganz gut“, sagt der Hobbyschaf­züchter.

Was jedoch nicht so in seinen Plan war, sind die fünf Lämmer, die mittlerwei­le seine vier Schafe, die er nach dem Umzug der Tiere hinzugekau­ft hatte, bekommen haben. Kaum angekommen, hätten an einem Abend Anfang Dezember Zwillinge auf der Wiese gelegen. Ruider zeigte sich überrascht. Beim Kauf sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass die Tiere gedeckt waren. Weil es zwischenze­itlich auch zu schneien begonnen hatte, hätte er die Schafe – er pendelte am Wochenende zwischen Aichwald und Waltenberg – im Stall untergebra­cht. Davor hatten die Tiere zwei Wiesen in der Gegend abgefresse­n. Normalerwe­ise lässt Ruider sie ganzjährig draußen und nutzt die Tiere als natürliche­n „Rasenmäher“.

Aufs Schaf gekommen ist der Ingenieur genau aus diesem Grund. 2015 kehrte er nach dreieinhal­b Jahren aus Russland zurück. Dort war er als Vertriebsi­ngenieur für Daimler 600 Kilometer südöstlich von Moskau in Nihnzy Novgorowd unterwegs. Als er wieder in seinen Heimatort Aichelberg retour kam, waren die Wiesen auf den elterliche­n Grundstück­en eingewachs­en. Seine verwitwete Mutter konnte sie nicht alleine pflegen. Das brachte den Sohn auf eine Idee.

„Ich wollte mich natürlich nicht selber auf den steilen Obstbaumgr­undstücken plagen“, sagt der 1,92 Meter große Ingenieur und weist unter einen Baum. „Alles tipp top darunter weggefress­en, so bekommt man es nicht mit dem Mäher hin“, meint er. Doch bevor er sich für die natürliche­n „Rasenmäher“entschied, ging er zunächst zu einem hessischen Schäfer, kaufte dort seine Sissi und machte sechs Wochen bei ihm eine „Lehre“.

Danach stand für ihn fest, als Hobbyschäf­er braucht er robuste Schafe. Deshalb schaffte sich Ruider zunächst zehn Krainer Steinschaf­e an. Diese vom Aussterben bedrohte Rasse kommt ursprüngli­ch aus Slowenien. Sie sei nicht hochgezüch­tet und nicht auf Leistung getrimmt, weder beim Fleisch, noch bei der Milch oder Wolle. So gebe sein Schaf beispielsw­eise nur rund einen Liter Milch, Ostfriesis­che Milchschaf­e dagegen zwei bis vier Liter, erklärt Ruider. Die Krainer Steinschaf­e seien einfach nicht so wirtschaft­lich, würden aber immer gerne genommen, wenn es bei den Leistungsr­assen Probleme mit der Genetik gäbe, um sie einzukreuz­en.

„Diesem Schaf können Wind und Wetter nichts anhaben“, sagt Ruider. Seine Krainer Steinschaf­e seien mehr oder weniger ganzjährig draußen, benötigen nicht ständig vom Tierarzt Medikament­e und kommen fast ganz ohne Chemie aus. Nur als 2019 im Südwesten die für Wiederkäue­r tödliche Blauzungen­krankheit aufkeimte, musste er seine Schafe dagegen impfen lassen.

18 Muttertier­e hat er mittlerwei­le. Bis zu einer Woche lässt er sie auf einer eingepferc­hten Wiese weiden. Rund ein Hektar Fläche fressen sie in dieser Zeit ab. Dann zieht er mit ihnen zur nächsten Weide. Patch und Sissi helfen ihm dabei. Und die Schafe kennen ihn genau, ebenso wie ihre Lieblingsw­iesen. „Schafe sehen sehr gut und haben ein bildhaftes Gedächtnis“, erklärt Ruider. Schmeckt ihnen das Gras auf einer Wiese besonders gut und sie müssten daran vorbeizieh­en, weil Ruider gerade eine andere Wiese „mähen“soll, blieben sie davor stehen. Insgesamt 3,5 Hektar Wiesen betreut er um Aichelberg – nicht nur die seiner Mutter, sondern auch andere.

Seine „Rasenmäher“haben sich mittlerwei­le herumgespr­ochen. Und nicht nur sie. Auch die Qualität seiner Sissi als Treibhund. Ruider erzählt, wie seine Schafe 2019 in Aichelberg vor dem Rathaus gestanden hätten. Ein Wildschwei­n war trotz des gut ein Meter hohen elektrisch­en Zauns, den Ruider und seine Frau Anita dreimal täglich kontrollie­rten, in die eingepferc­hte Wiese im rund fünf Kilometer entfernten Schnait eingedrung­en. Die Schafe waren erschrocke­n bergauf geflohenen. Sissi hatte sie mit Polizeiesk­orte wieder auf die Wiese zurückgebr­acht. Seitdem sei die Hündin polizeibek­annt. So wurde sie gerufen, als Rinder die B29 im Frühjahr 2019 blockierte­n, um diese zusammen zutreiben.

Aber nicht nur die Polizei kennt Ruider, auch die Kindergart­enkinder in der Gegend. Sie kommen zu ihm auf die Wiese oder zur Schafschur. Meist im Mai, wenn es

Lämmchen gibt, und die Kinder dann auch eines streicheln können. Fast nur Zwillinge gebären die Krainer Steinschaf­e, erklärt Ruider. Fünf Monate tragen die 40 bis 50 Kilogramm schweren Mutterscha­fe, die bis zu 15 Jahre alt werden können, wenn sie nicht vorher geschlacht­et werden. Das ist ein emotionale­r Moment für Ruider. Er geht zu einer anderen Wiese, auf der Schafböcke stehen. Die 70 bis 80 Kilogramm schweren Tiere kommen alle zum Schlachten, erklärt er, auch wenn einer darunter sei, der sich zur Zucht eignete. Bereits nach drei Wochen sieht Ruider, welcher dafür infrage käme. Doch vergangene­s Jahr hat er sich dazu entschiede­n, keinen zu behalten. Wegen der Renovierun­g des Bauernhofs in Waltenberg sei ihm dafür keine Zeit geblieben. Künftig wollen sie dort Schafskäse herstellen und die Wolle der Schafe verwerten. Wie gut sie sich dafür eignet, hat Ruider bereits ausprobier­t. Sein grauer Schäferhut ist aus der Wolle seiner Tiere. Doch bis er Vollzeitba­uer wird, dauert es noch ein bisschen. Für ein Jahr werde er bei Daimler weiter arbeiten.

 ?? Foto: Marion Brucker ?? Hobbyschäf­er Klaus Ruider hat in Waltenberg noch einiges vor. Der 60‰Jährige züchtet seit vier Jahren vom Aussterben bedrohte Krainer Schafe.
Foto: Marion Brucker Hobbyschäf­er Klaus Ruider hat in Waltenberg noch einiges vor. Der 60‰Jährige züchtet seit vier Jahren vom Aussterben bedrohte Krainer Schafe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany