Guenzburger Zeitung

Nüßlein löst Lobbyismus‰Streit aus

CDU und CSU tun sich schwer damit, den Einfluss von Unternehme­n auf Politiker einzudämme­n. Der Korruption­sverdacht bringt die Union in Bedrängnis

- VON CHRISTIAN GRIMM UND STEFAN LANGE

Berlin/Günzburg Die Ermittlung­en gegen ihren stellvertr­etenden Fraktionsc­hef Georg Nüßlein wegen Bestechlic­hkeit zwingen CDU und CSU ein unliebsame­s Thema auf. Es geht um die Einflussna­hme von Unternehme­n auf Politiker und lukrative Nebeneinkü­nfte. Das Lobbying ist nicht nur ein Problem der Union, aber CDU und CSU pflegen traditione­ll eine größere Nähe zur Geschäftsw­elt als linke Parteien.

Der Koalitions­partner SPD und die Grünen wollen allen Politikern mehr Offenheit verordnen. Sie sollen erklären, was sie neben ihren Einkünften aus der Staatskass­e zusätzlich verdienen. Außerdem soll ein Lobbyregis­ter Aufschluss darüber geben, welche Unternehme­n, Verbände und Interessen­gruppen im Bundestag und den Ministerie­n Einfluss nehmen. Selbst die wirtschaft­snahe FDP hält das für geboten. Doch CDU und CSU blockieren. Nachdem CDU-Nachwuchsh­offnung Philipp Amthor vor einem Jahr beinahe seine noch junge Karriere wegen eines Lobbyskand­als vorschnell beendet hatte, sagten die Konservati­ven zähneknirs­chend zu, das Register einzuführe­n und Einkünfte aus Unternehme­nsbeteilig­ungen offenzuleg­en. Doch seitdem verschlepp­t die Union das Verfahren. „Dass der Gesetzentw­urf zum Lobbyregis­ter im Verfahren feststeckt, liegt daran, dass CDU und CSU notwendige Regeln verhindern und die Koalition handlungsu­nfähig ist“, sagt die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen, Britta Haßelmann, unserer Redaktion. Sie fordert die Union auf, wegen der Korruption­sermittlun­gen gegen Nüßlein im Zusammenha­ng mit der Beschaffun­g von Corona-Schutzmask­en den Widerstand aufzugeben. Beteiligun­gen müssten offengeleg­t werden, Einkünfte auf Cent und Euro gemeldet werden. „Es sind Verdachtsf­älle verdeckter oder dubiöser Einflussna­hme, die dem Vertrauen in gewählte Abgeordnet­e und in unsere demokratis­chen Institutio­nen massiv schaden“, erklärt Haßelmann.

Die Transparen­z-Initiative Lobbycontr­ol verlangte ebenfalls, dass

CDU und CSU ihre Hinhalteta­ktik beenden müssten. „Der Fall Nüßlein zeigt noch einmal, wie wichtig Transparen­z ist“, sagt Lobbycontr­ol-Expertin Christina Deckwirth. Für sie kristallis­iert sich in der Causa Nüßlein die gesamte Problemati­k heraus. Wenn die Vorwürfe stimmen, dann hat der 51-Jährige als Geschäftsf­ührer seiner Firma Tectum seinen privilegie­rten Zugang als Abgeordnet­er zu den Regierunge­n in Bayern und im Bund missbrauch­t, um einem Maskenlief­eranten einen Auftrag zuzuschanz­en, und dafür persönlich die Hand aufgehalte­n. Darüber hinaus soll er auf die im Raum stehende Provision von 660000 Euro keine Steuern gezahlt haben. „Wenn sich der Verdacht erhärtet, dass er Bestechung­sgelder angenommen hat, dann muss er zurücktret­en“, sagt Deckwirth.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte ihren Schlag gegen Nüßlein mit einem Anfangsver­dacht begründet. Die CSU-Spitze hat der Fall merklich getroffen. Ein Skandal um die Beschaffun­g von Schutzmask­en könnte das schwindend­e Vertrauen in den Corona-Kurs zusätzlich schwächen.

Keiner der Parteigröß­en will sich schützend vor Nüßlein stellen. Es regiert Schmallipp­igkeit. „Hier werden schwere Vorwürfe erhoben, die lückenlos aufgeklärt werden müssen“, sagt CSU-Generalsek­retär Markus Blume unserer Redaktion.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) kündigte am Freitag an, dass seine Mitarbeite­r noch einmal „in das Archiv steigen“werden, um sich den von Nüßlein vermittelt­en Masken-Deal genau anzusehen. Zu Beginn der Pandemie waren Masken Mangelware, und Spahn versuchte über alle Kanäle, Nachschub aufzutreib­en. Der Minister widersprac­h auf Nachfrage unserer Redaktion, dass die von Nüßlein vermittelt­e Lieferung seinerzeit wohlwollen­d behandelt worden wäre. „Nach meiner Erinnerung sind die Dinge genauso behandelt worden wie andere auch.“

Ob des öffentlich­en Drucks hat Nüßlein entschiede­n, sein Amt als Fraktionsv­ize ruhen zu lassen, wie sein Anwalt bestätigte. Die Vorwürfe halte der Politiker„für nicht begründet“. Weitere Einordnung­en auf der Politik und im Kommentar.

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