So lebt der ExWirecardChef im Gefängnis
Justiz Markus Braun muss in Untersuchungshaft bleiben. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München ist ein herber Schlag für den früheren Vorstandsvorsitzenden. Denn die Tage hinter Gitter sind hart und streng getaktet
Augsburg/München Einst soll sich Markus Braun mit dem Aufsichtsrat der Wirecard AG heftig darüber gestritten haben, ob er nun seinen Dienstwagen von einem S-KlasseMercedes in einen Maybach upgraden darf. Jetzt muss der frühere Chef des Zahlungsabwicklers schauen, dass er alle zwei Wochen eine Packung Instant-Kaffee bekommt.
Und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben. Das Oberlandesgericht (OLG) München hat nach mehrwöchiger Haftprüfung entschieden, dass Braun, 52, in Untersuchungshaft bleiben muss. Das Gericht sieht also weiterhin einen dringenden Tatverdacht und Haftgründe wie Flucht- oder Verdunklungsgefahr. Von nun an muss das OLG in einem dreimonatigen Turnus überprüfen, ob die U-Haft weiterhin gerechtfertigt ist. Nächster Termin ist der 25. Mai. Bis dahin mindestens wird Braun sein Leben also in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen verbringen. Und das dürfte dem Mann, der sich eine Zeit lang auf Augenhöhe mit Stars wie Marc Zuckerberg von Facebook oder Jeff Bezos von Amazon gesehen hat, schwer zu schaffen machen. Denn die Tage hinter Gittern sind oft hart, meist einsam und immer ganz streng durchgetaktet. Für jemanden, der selbst immer gern alles kontrolliert hat, ist das ein wahres Horrorszenario.
Die Fallhöhe ist riesig, wenn der Vorstandsvorsitzende eines DaxKonzerns von einem Tag auf den anderen in den Knast muss. „Man kommt aus dem Privatjet in ein Rattenloch“, sagt ein Rechtsanwalt, der selbst als mutmaßlicher Straftäter mehrere Monate in der JVA Augsburg-Gablingen saß. Es beginnt schon beim Haftantritt. In der Eingangsschleuse müssen die Neuhäftlinge ihre persönlichen Sachen abgeben. Vor der Eingangsuntersuchung durch den Anstaltsarzt werden die Männer mit einem Beutel Trockenseife zum Duschen geschickt. Die Untersuchung beinhaltet Röntgenaufnahmen und einen TuberkuloseTest. Danach bekommen die Häftlinge die Anstaltskleidung aus grober Baumwolle inklusive Unterwäsche und Schuhen. Untersuchungshäftlinge dürfen zwar grundsätzlich ihre eigene Kleidung tragen, aber erst wenn die Wäsche-Frage geklärt ist. Das Gefängnis wäscht keine Privatkleidung, das müssen zuverlässig die Angehörigen des Gefangenen machen.
Nach der Prozedur kommt der Häftling in seine Zelle. „Man wird da einfach reingesteckt und dann allein gelassen. Ohne zu wissen, wie es weitergeht.“Immer freitags werden die Gefangenen in die normalen Blöcke verlegt. Angeblich werden Untersuchungshäftlinge aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität, besonders jene mit bekannten Namen, tendenziell eher im dritten Stock untergebracht. Vorteil: Man kann über die fünf Meter hohe Mauer in die Gegend schauen. Weiter unten starrt man nur auf Beton. Die Zelle ist rund zehn Quadratmeter groß, hat ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl, einen Schrank, ein Klo und ein Waschbecken.
Der Tagesablauf ist immer derselbe: 6.30 Uhr Wecken und Heißwasserausgabe durch einen Häftling, der Hausarbeiter genannt wird. Wenn man will, kann man sich mit dem einen Liter heißem Wasser einen Tee zubereiten oder einen Kaffee. Wenn man einen Kaffee hat. Den gibt es nämlich nicht im Angebot der JVA. Den muss man sich kaufen. Einkauf ist alle zwei Wochen, vorher müssen Bestellungen ausgefüllt werden.
Ab 11.30 Uhr ist Mittagessen. Der Hofgang findet im Wechsel entweder um 8 Uhr morgens oder um 15 Uhr nachmittags statt. Am Nachmittag dürfen die Häftlinge noch mal für zwei Stunden raus aus den Zellen und zum Beispiel in einem Sozialraum Karten spielen. „Aufschluss“heißt das. Und nach dem Abendessen folgt der „Einschluss“, alle müssen wieder in ihre Zellen. Die Zeit des Alleinseins und das große Grübeln beginnt.
Ein Besuch beim Psychologen gehört ebenfalls zum Standardprogramm. Die Fachleute wollen sich einen Eindruck vom Gemütszustand des Gefangenen machen. Gerade wenn es sich um Männer aus der Wirtschaft handelt, womöglich mit prominentem Namen, wird insbesondere auf die Möglichkeit einer Suizidgefahr geachtet. Wenn der Psychologe diese sieht, kommt der Häftling in eine Zelle mit mehreren Insassen.
Untersuchungshäftlinge haben weniger Anspruch auf Besuch als Strafhäftlinge. Zwei Stunden im Monat sind es, die aber zum Beispiel auf viermal eine halbe Stunde aufgeteilt werden können.
„Das Schlimmste als Untersuchungshäftling ist neben dem Freiheitsentzug die komplett fehlende Perspektive“, sagt der Anwalt, der Monate in Gablingen saß. Es ist stark zu vermuten, dass es dem früheren Wirecard-Chef Markus Braun gerade ganz ähnlich geht.