Guenzburger Zeitung

Nüßlein‰Ermittlung­en: Auswirkung­en auf Wahlkampf? CSU steht nach jüngsten Ereignisse­n vor schwierige­r Situation. Was der SPD-Abgeordnet­e Brunner fordert

- VON PETER BAUER UND JENS NOLL

Landkreis Bereichert­e sich der langjährig­e Münsterhau­ser CSU-Bundestags­abgeordnet­e bei einem Maskengesc­häft gar um eine Summe von rund 660.000 Euro? Viele Menschen in der Region können es schlichtwe­g nicht fassen, was da als Vorwurf und Anfangsver­dacht im Raum steht. Für die CSU geht es jetzt auch intensiv um die Frage, wie der weitere Wahlkampf organisier­t werden soll.

Setzt die CSU weiter auf Georg Nüßlein? Oder muss gar bald eine personelle Alternativ­e gesucht werden? Alfred Sauter, CSU-Kreisvorsi­tzender, betonte auf Anfrage noch einmal, dass er sich zum jetzigen Zeitpunkt an keinerlei Spekulatio­nen beteiligen möchte. Der CSUPolitik­er Nüßlein lässt aufgrund der Korruption­sermittlun­gen gegen ihn sein Amt als stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU/CSU-Bundestags­fraktion ruhen. Dies teilte der Anwalt Nüßleins am Freitag mit. Sein Mandant halte die Vorwürfe für nicht begründet.

Nüßlein, 51, soll, wie berichtet, einen Auftrag zur Maskenbesc­haffung für die Bundes- und Landesregi­erung organisier­t und dafür ein Beraterhon­orar in Höhe von etwa 660.000 Euro erhalten haben. Die Generalsta­atsanwalts­chaft München wirft dem christsozi­alen Gesundheit­spolitiker Bestechlic­hkeit sowie Steuerhint­erziehung vor. Anders als SPD, Grüne und Linke hat die CSU ihren Kandidaten für die Bundestags­wahl noch nicht nominiert. Alles schien aber auf eine neue Nominierun­g Nüßleins (seit 2002 im Bundestag) rauszulauf­en. Doch wie ist das jetzt, nach den Ereignisse­n des 25. Februars, der Aufhebung von Nüßleins Immunität, den Durchsuchu­ngen an etlichen Orten, unter anderem in Nüßleins Privathaus in Münsterhau­sen und in der CSUKreisge­schäftsste­lle in Günzburg? Sauter sagt, dass noch rund drei Monate

Zeit für die Nominierun­g sei und diese auch erst im Mai erfolgen könne. Die Reaktionen innerhalb der Günzburger Kreis-CSU auf die Vorwürfe gegen Nüßlein seien insgesamt „verhalten“gewesen. Durchgängi­g sei die Meinung gewesen, dass man jetzt die weitere Entwicklun­g abwarten müsse. Wie lange kann es dauern, bis konkrete Erkenntnis­se zum Verfahren gegen Nüßlein vorliegen? Das sei unklar, erklärt Sauter. Als Außenstehe­nder erfahre man da nichts.

Nach dem Bekanntwer­den der Vorwürfe gegen Nüßlein und der laufenden Ermittlung­en erinnerte sich so mancher auch an die Ereignisse

des Jahres 2001. Nüßlein war damals mit hauchdünne­r Mehrheit gegen Thorsten Freudenber­ger aus dem Landkreis Neu-Ulm (heute Landrat in Neu-Ulm) als Bundestags­kandidat nominiert worden. Nüßlein trat 2002 die Nachfolge von Theo Waigel an. 30 Jahre hatte der langjährig­e Bundesfina­nzminister und CSU-Vorsitzend­e Waigel dem Bundestag angehört. Da Waigel aus dem Landkreis Günzburg stammt, hatten viele CSU-Mitglieder aus dem Raum NeuUlm 2002 gehofft oder gar erwartet, dass ein Kandidat aus dem Raum Neu-Ulm die Waigel-Nachfolge antritt. Dem Bundeswahl­kreis Neu-Ulm gehören die Kreise Günzburg, Neu-Ulm und Teile des Unterallgä­us an.

Wie wird die CSU im Bereich Neu-Ulm mit Blick auf die jüngsten Entwicklun­gen rund um Nüßlein verhalten? Sauter sagt, dass die CSU in der Nachbarsch­aft die Sache genauso wie die Kreis-CSU in Günzburg sehe. Jetzt gelte es, Ergebnisse des Verfahrens abzuwarten. Für Nüßlein gelte die Unschuldsv­ermutung, unterstrei­cht Sauter.

Die „Unschuldsv­ermutung“– sie hebt auch Monika Wiesmüller­Schwab, seit 2014 stellvertr­etende Landrätin, hervor. Sie kennt, wie sie im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet, Nüßlein seit Langem. Sie

Alfred Sauter sei „geschockt“gewesen, als sie von den Ermittlung­en gegen Nüßlein erfahren hat. „Ich kenne ihn ja gut, umso mehr war ich von den Vorwürfen schockiert.“Es seien „massive Vorwürfe“, es gehe um eine „große Dimension“. Jetzt aber gelte es, erst einmal abzuwarten, zum jetzigen Zeitpunkt könne man sich „kein Urteil erlauben“. Der Verlauf des Nominierun­gsprozesse­s bei der CSU hänge „von der weiteren Entwicklun­g ab“. Man müsse sehen, ob sich „die Vorwürfe erhärten“. Jetzt sei es aber wichtig, dass es keine Spekulatio­nen gebe. Wiesmüller­Schwab sagt, dass die Bundestags­wahlkämpfe

in der Vergangenh­eit stets fair abgelaufen seien. Welche Auswirkung werden die jüngsten Ereignisse auf den Wahlkampf haben? Es könnten sich unter Umständen „neue Rahmenbedi­ngungen“ergeben, meint Wiesmüller­Schwab. Gleicherma­ßen ist sie zuversicht­lich, dass die Fairness weiterhin im Vordergrun­d stehen wird.

Bundestags­wahlkämpfe in der Region? Sie sind seit Jahren mit den Namen Nüßlein, Karl-Heinz-Brunner (SPD-Bundestags­abgeordnet­er) und Ekin Deligöz (Grüne) verbunden. Die beiden anderen Mandatsträ­ger aus dem Wahlkreis NeuUlm, Karl-Heinz Brunner (SPD) und Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen), waren sehr überrascht, als sie aus den Medien von den Ermittlung­en gegen Georg Nüßlein erfahren haben.

Der SPD-Abgeordnet­e Brunner sagt, er könne über den konkreten Fall im Moment auch nur das wiedergebe­n, was in der Presse stehe. Bevor er Stellung bezieht, will er zunächst die Ergebnisse der Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft abwarten. „Für mich gilt zunächst die Unschuldsv­ermutung“, sagt Brunner. Grundsätzl­ich sei es aber nicht richtig, erklärt der Illlertiss­er, wenn jemand die Pandemie ausnutze, um gute Geschäfte zu machen: „Ich würde mir wünschen, dass weniger Leute versuchen, mit der Pandemie Geld zu verdienen, und mehr Leute in der Pandemie helfen.“Für dringend notwendig hält Brunner die Einführung eines Lobbyregis­ters für den Bundestag. Hätte man das schon früher eingeführt, sagt er, dann wäre es gar nicht erst zu solchen Verdachtsf­ällen wie jetzt bei Nüßlein gekommen. Der Sozialdemo­krat vergleicht das Lobbyregis­ter mit einer Firewall auf dem Computer: Es würde rechtzeiti­g warnen, wenn Lobbyisten Einfluss auf Politiker ausüben wollen, und mehr Transparen­z schaffen.

Auch Ekin Deligöz von den Grünen sagt: „Wir brauchen dringend ein Lobbyregis­ter.“Fälle wie dieser zeigten, warum das notwendig sei. Wobei auch die Politikeri­n aus Senden zum jetzigen Zeitpunkt betont: „Solange keine Ergebnisse der Staatsanwa­ltschaft da sind, gilt die Unschuldsv­ermutung.“

Die Fairness stand stets im Vordergrun­d

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Georg Nüßlein
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Monika Wiesmül‰ ler‰Schwab
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