Guenzburger Zeitung

Beuys und die Religion?

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Hunderte Male hat Joseph Beuys Christus als Motiv gewählt, allerdings nicht in der klassische­n Ikonografi­e eines Andachtsbi­ldes. Sein Christus entsprang nicht dem Katechismu­s, vielmehr folgte er der Lehre des Anthroposo­phen Rudolf Steiner vom „Christusim­puls“. Dieser Christus ist eine allgegenwä­rtige heilende Kraft, ein Mittler von Energie. Oder wie Beuys 1971 zu den Herz-Jesu-Bildchen schrieb: „Der Erfinder der Elektrizit­ät.“

Ein Bild mag dies augenfälli­g verdeutlic­hen: Ein Mädchen berührt das Herz Jesu und legt die andere Hand auf ihr eigenes Herz. Fließen kann der Strom aus der übernatürl­ichen Quelle. Der Jesuit Friedhelm Mennekes von der Kölner Kunststati­on St. Peter spricht bei Beuys von einer kosmischen Spirituali­tät in dem Wissen, dass die Welt eine werdende Schöpfung ist. Allerdings bedroht von Kräften der Zerstörung. Im Zeitalter des Atomkriegs zelebriert­e er 1971 in einem Zivilschut­zraum in Basel eine Messe, wie Jesus wusch er Besuchern hingebungs­voll die Füße. Für die Installati­on „Zeige Deine Wunde“richtete Beuys 1975 ein Krankenzim­mer mit zwei Totenbahre­n in einer Münchner Fußgängeru­nterführun­g ein, während darüber die Passanten shoppten.

Beuys sieht den Menschen als verletzlic­hes Wesen an, das genauso wie die Gesellscha­ft der Heilung bedarf. Die Spirituali­tät dafür bezieht er von seiner „Christusar­beit“. Für Eugen Blume, der in Berlin gerade eine Ausstellun­g über die religiösen Wurzeln im Schaffen von Beuys kuratiert, „war das Lumen Christi die für Beuys einzige reale Möglichkei­t der Erlösung aus dem geistlosen Materialis­mus des späten 20. Jahrhunder­ts“. Christus habe die Freiheit gegenüber den Weltverhäl­tnissen vorgelebt. So frei wie er solle jeder Mensch als Künstler seine Fähigkeit zu kreativer Freiheit leben. (loi)

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