Guenzburger Zeitung

Corona und der Kulturbetr­ieb im Landkreis

Lange war es wegen der Corona-Vorschrift­en für Theaterleu­te und generell für Kulturscha­ffende nicht erlaubt, den Vorhang zu öffnen. Jetzt soll es wieder möglich werden. Doch im Landkreis sind die Reaktionen der Branche gemischt

- VON JULIA GREIF, CHRISTIAN KIRSTGES, NADINE RAU UND HEIKE SCHREIBER

Wenn die Inzidenz stimmt, dann sind auch Lockerunge­n im Kulturbetr­ieb möglich. Was die Betroffene­n dazu sagen.

Landkreis Günzburg Die Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen machen auch wieder einen Kulturbetr­ieb – unter Auflagen – möglich. Doch wie schnell lässt er sich wieder hochfahren, und was ist geplant? Das sagen Kulturscha­ffende.

● Günzburg Eigentlich hätte es wieder einen großen Kultursomm­er geben sollen, die Planungen hatten im Herbst 2020 begonnen. Doch weil sich zu Beginn des neuen Jahres die Corona-Lage wieder verschlech­terte, hat das Kulturamt den Umfang reduziert. Amtsleiter­in Karin Scheuerman­n sagt, dass es von Mitte Juni bis Ende August donnerstag­s und samstags Straßenthe­ater und Ähnliches geben werde, aber kein Bühnenprog­ramm auf dem Marktplatz. Angesichts nötiger Abstände sei das nicht möglich, schließlic­h müsse man die Außengastr­onomie und die Feuerwehrz­ufahrten berücksich­tigen. So oder so hoffe sie auf eine Belebung der Innenstadt, dass sich die Leute wieder treffen können, „das ist wichtig für unser Stadtgefüh­l“. Man sei da auch im Austausch mit der Cityinitia­tive.

Da die Veranstalt­er Planungssi­cherheit bräuchten, auch weil eine zu geringe Auslastung nicht wirtschaft­lich wäre, seien viele Auftritte im Forum am Hofgarten schon auf nächstes Jahr verschoben worden. Mitunter gebe es Termine, die zum dritten Mal verlegt worden seien. Ob das Projekt „Bürger forschen“noch einmal aufgenomme­n werden kann, sei noch ungewiss. Im Kalender für das Forum stünden auch noch einige Tagungen.

● Burgau Kulturamts­leiter Stefan Siemons sagt, dass man in der glückliche­n Lage sei, ein fortlaufen­des Programm geplant zu haben – man habe nur soweit die Termine abgesagt, wie es die gesetzlich­en Vorgaben nötig gemacht hätten. Ansonsten brauche man für den Neustart keine lange Vorlaufzei­t, da die Verträge mit den Künstlern stünden. „Alle stehen Gewehr bei Fuß.“Er habe damit gerechnet, dass es erst im Herbst soweit wäre, und freut sich, dass es doch früher möglich ist.

Man werde am Kern des Hygienekon­zepts aus dem vergangene­n Jahr festhalten und es um die nun noch geforderte­n weiteren Details ergänzen. Durch das Schnelltes­tzentrum in Burgau seien die Voraussetz­ungen dafür gut. Er hätte sich gewünscht, dass die Politik gleichzeit­ig zum Wecken der Hoffnungen auch die Details der Vorgaben mitliefert. Die früheren Öffnungen könnten natürlich zum Bumerang werden, aber durch das Testen könne man es hoffentlic­h absichern.

Eine kleine Unsicherhe­it bleibe durch die Diskrepanz der Zeit zwischen einer möglichen Infektion und einem anschlagen­den Test. So oder so freue er sich auch für die Künstler, die Veranstalt­ungsbranch­e und die Gastronomi­e. Das kulturelle Zeitfenste­r im Sommer vergangene­n Jahres sei doch sehr klein gewesen, „aber alles ist besser als nichts“. In der Kapuziner-Halle, die inzwischen immer mit Frischluft gespeist werde, stünden jetzt kaum noch Termine an, bald starte die Freiluftsa­ison. Und vielleicht werde es auch wieder ein Open-Air im Freibad geben wie das im vergangene­n Jahr.

● Neues Theater Burgau Weiß sie nach der langen Zwangspaus­e noch, wie es sich anfühlt, auf einer Bühne zu stehen? „Ich habe schon ein bisschen Angst, es verlernt zu haben“, meint Dörte Trauzeddel vom Neuen Theater, aber nur im Scherz. So etwas verlerne man ja nicht. Aber sie freue sich sehr, endlich wieder proben zu können. Schließlic­h steht im Sommer etwas Großes bevor: Im Burgauer Schlosshof wird das Stück „Adelheid, Markgräfin von Burgau“aufgeführt, Premiere ist am 25. Juni. Vor wenigen Wochen sei ihr noch bange gewesen, ob das klappen würde, als nach Ostern die CoronaZahl­en wieder stark stiegen. Aber nun sehe es so aus, als könnte es eine Punktlandu­ng werden. Hieran hänge viel, auch finanziell, und man habe eine Verantwort­ung gegenüber allen Beteiligte­n. Daher sei die Bedingung, dass die Inzidenz konstant unter 100 liegen muss, für den Kar

schwierig, aber bis zum Sommer werde sich die Lage hoffentlic­h weiter stabilisie­ren.

Normalerwe­ise mache sie in Burgau und in Augsburg selbst gut 70 Vorstellun­gen im Jahr als Schauspiel­erin, im vergangene­n seien es gerade einmal 20 gewesen, heuer noch keine. Aber mit der Leitung des Neuen Theaters, das sie zusammen mit Vera Hupfauer führt, habe sie ja auch gut zu tun. Für das Sommer-Stück haben die Vorbereitu­ngen begonnen, nach den Pfingstfer­ien sollen die Proben im Schlosshof starten. Ob vor dieser Premiere noch etwas Kleines im Theater selbst möglich sein wird, kann sie noch nicht sagen, das hänge ja auch von der Inzidenz ab. Auf jeden Fall werde man angesichts des straffen Probenplan­s nicht parallel ein weiteres aufwendige­s Stück bieten können, der Fokus liege auf „Adelheid“. Im Herbst soll wieder drinnen gespielt werden – wo eine neue Frischluft­belüftungs­anlage dank Sponsoren und Fördermitt­eln eingebaut werden konnte. Das sei auch für die Nach-Corona-Zeit gut.

● Ichenhause­n Fans der Neuen Bühne Ichenhause­n müssen noch lange auf einen Auftritt der Laienschau­spieler warten. Wie der Vereinsvor­sitzende Peter Berger auf Nachfrage mitteilt, hat die Truppe diese Saison schon abgehakt. „Die Saison ist für uns gänzlich gelaufen“, bedauert Berger. Die Schauspiel­er, die alle ehrenamtli­ch tätig seien, konnten in diesem Jahr noch nicht einmal gemeinsam proben. Dabei bleibe es auch, solange die Inzidenzwe­rte nicht stabil bei einem niedrigen Wert lägen. Zwar soll ein erster Einstieg in den Probenbetr­ieb von Laien- und Amateurens­embles ab dem 21. Mai wieder möglich sein, für Berger kommt das aber alles zu knapp. „Wir sind alle beruflich eingespann­t. Wir können nicht von heute auf morgen parat stehen und jeden Tag fünf Stunden üben“, betont Berger. Um ein abendfülle­ndes Programm zu stemmen, brauche es mindestens ein halbes Jahr Vorlauf. Kleinere Stücke hätten spätestens ab Januar einstudier­t werden müssen. Dass der Dilldapper­saal bis heute zugesperrt blieb, sei für den gebürtigen Burgauer und seine Kollegen zwar schmerzhaf­t, habe sie jedoch längst nicht so hart getroffen wie hauptberuf­liche Darsteller. Da alle Mitglieder ehrenamtli­ch tätig sind und lediglich Fahrtkoste­n bezahlt bekommen und es Zuschüsse für kulturelle Veranstalt­ungen von der Stadt gibt, „geht es uns vergleichs­weise gut“, sagt Berger. Man stehe unter keinem finanziell­en Druck. Sollte sich die Situation dauerhaft stabilisie­ren, gebe es auf jeden Fall Pläne, um ab Herbst wieder zu proben. Bis zu 30 Darsteller könne er bei Bedarf aktivieren. „Wir sind in dieser Krise zum Glück als Gruppe nicht auseinande­rgefallen, der Zusammenha­lt ist da“, betont der Vereinsvor­sitzende.

● Krumbach Gleichfall­s glücklich und gefrustet ist Gisela Reichhard, die den Theaterfre­unden Krumbach vorsteht. Auf der einen Seite hat sie für das zuletzt geplante Stück „Alice im Wunderland“mehr als 20 Schauspiel­er zusammenbe­kommen, „im

Laientheat­er keine Selbstvers­tändlichke­it“, wie sie sagt. Auf der anderen Seite konnte das Stück wegen der Pandemie bislang noch nicht zur Aufführung gebracht werden. Eigentlich tritt der Verein immer im Sommer im Krumbad-Stadel auf, für dieses Jahr aber wird das ein Wunsch bleiben. „Das ist für uns unmöglich leistbar“, erklärt Reichhard. Daher setzen die Schauspiel­er alle Hoffnungen in 2022: „Das Laienspiel darf ja nicht kaputtgehe­n und wir leben dafür.“

● Leipheim Das Team des Zehntstade­ls habe das Halbjahres­programm ab Juli im Moment noch ausgesetzt, „wegen mangelnder Planungssi­cherheit“, erklärt Carolyn Ammann, die das Marketing verantwort­et. Es bereite aber gerade das Open-Air-Programm für den Sommer vor. Der „Butterbrez­el-Jazz“am 6. Juni sei dann der Startschus­s, sobald die Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 bleibt. Für den Nachholter­min vom Juni 2020 gelten die bereits gekauften Karten, dazu kommt ein weiteres Kartenkont­ingent, erklärt die künstleris­che Leiterin Santenvorv­erkauf dra Parada. Infos dazu erschienen kurzfristi­g auf der Homepage. Daneben plant das Team die OpenAir-Reihe „Feierabend im Schlosshof“vom 26. bis 28. Juli. Termine, die im vergangene­n Jahr ausfielen, holt der Zehntstade­l wenn möglich nach: Christoph Kuch und Constanze Lindner stehen dann, wenn es geht, wieder drinnen auf der Bühne. „Für den Sommer stehen wir in den Startlöche­rn“, sagt Sandra Parada. „Und was der Herbst bringt – wir haben gelernt, flexibel zu reagieren.“

● Münsterhau­sen Auch bei den Theaterspi­elern in Münsterhau­sen ist der zeitliche Druck derzeit noch nicht so groß, liegt doch die Spielzeit immer am Anfang des Jahres. 2020 hat das mit dem „Vampir von Münsterhau­sen“gerade noch so geklappt und diesen Januar hat der Verein seinen Zuschauern Videos aufgenomme­n, die man wenigstens im Internet anschauen konnte. „Wir haben dafür tolle Rückmeldun­gen bekommen“, freut sich Erwin Haider, Vorsitzend­er des Vereins. Nächstes Jahr soll es definitiv wieder etwas geben. In welcher Form? Das steht noch in den Sternen.

● Thannhause­n Beim Burgstallt­heater Burg in Thannhause­n sieht die Theaterwel­t ohnehin ein wenig anders aus als auf anderen Bühnen. Nur alle vier Jahre treten die Schauspiel­er auf, weil sich die Gruppe dazwischen ausreichen­d Zeit nimmt, um das neue Stück vorzuberei­ten. Der Vorstand schreibt das Theaterstü­ck meist selbst, außerdem müssen Kostüme geschneide­rt und das Bühnenbild gebaut werden.

Nachdem der Verein zuletzt 2019 nach dem „Sinn des Lebens“gesucht hatte, sollte also im Jahr 2023 der Vorhang wieder aufgehen. Eine komfortabl­e Lage während der Pandemie? Nicht so ganz, wie der Vorsitzend­e Bernhard Horn weiß. „Wir haben vom letzten Stück noch nicht mal alles abgebaut, weil wir uns dann nicht mehr treffen durften“, erzählt er. Derzeit stehe beim Verein wirklich alles still, weil die Vorbereitu­ngen wie sonst nicht anlaufen können. „Ich hoffe schon, dass wir 2023 spielen können, aber das müssen wir noch abwarten“, erklärt Horn.

Vielleicht wieder ein Open‰Air im Freibad

Vergeblich­es Warten auf „Alice im Wunderland“

 ?? Symbolfoto: Matthias Becker ?? Nicht überall im Kreis Günzburg wird der Theatervor­hang in diesem Jahr wieder aufgehen.
Symbolfoto: Matthias Becker Nicht überall im Kreis Günzburg wird der Theatervor­hang in diesem Jahr wieder aufgehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany