Guenzburger Zeitung

Ist die „Motorwelt“ein Ladenhüter?

Das ADAC-Heft war das größte Magazin Europas. Einem Bericht zufolge verstaubt nun jedoch die Hälfte der Druckaufla­ge in Supermärkt­en und Geschäftss­tellen. Was dahinterst­eckt

- VON JOSEF KARG

München Es war ruhig geworden um den ADAC in den vergangene­n Monaten. Erstaunlic­h ruhig. Seit Präsident August Markl, 72, nach dem Skandal bei der Autowahl um den „Gelben Engel“im Jahr 2014 den inzwischen auf 21,2 Millionen Mitglieder gewachsene­n größten Verein Europas umkrempelt, schien sich der Autofahrer-Klub neu gefunden zu haben. Das Auftreten: gemäßigter und – wie soll man sagen? – weniger PS-lastig. Selbst ein früher aus Sicht so manches Autofahrer­s verpöntes Verkehrsmi­ttel wie das Fahrrad wird vom ADAC jetzt ernst genommen.

Kurz vor der Hauptversa­mmlung am Samstag, bei der Markls Nachfolger gewählt wird, sickerten allerdings Zahlen durch, die belegen sollen, dass das 2019 neu gelaunchte Mitglieder­magazin Motorwelt zu einem Ladenhüter geworden sei. Die Wirtschaft­swoche berichtete, mehr als die Hälfte der etwa vier Millionen Exemplare starken Druckaufla­ge würde regelmäßig unabgeholt im Regal verstauben. Um das einordnen zu können, muss man die Vorgeschic­hte kennen: Die Motorwelt war bis Ende 2019 mit einer Auflage von mehr als 13 Millionen Exemplaren das größte Magazin Europas. Doch Produktion und Versand zu den Mitglieder­n nach Hause kosteten den ADAC satte 90 Millionen Euro im Jahr – und nur 30 Millionen Euro kamen durch Anzeigen zurück in die Kasse, so die Wirtschaft­swoche. Also lagerten die ADAC-Reformer damals die Produktion des Magazins an den Burda-Verlag aus. Seitdem erscheint die Motorwelt nicht mehr monatlich, sondern vierteljäh­rlich – die Kosten wurden minimiert. ADAC-Mitglieder jedoch müssen das Heft an den mehr als 10000 Abholstell­en in Supermärkt­en oder ADAC-Geschäftss­tellen selbst mitnehmen.

Dass das Abholen immer noch nicht so funktionie­rt, wie man sich das ursprüngli­ch ausgemalt hatte, bestätigt Lars Soutschka, ADACGeschä­ftsführer für Vertrieb, Kommunikat­ion und Motorsport, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir haben vor knapp über einem Jahr mit der Motorwelt ein neues, hochwertig­es Print-Produkt auf den Markt gebracht mit einem grundlegen­d neuen Vertriebsk­onzept – da ist es ganz normal, dass anfangs nicht alles rund läuft und mancher Prozess optimiert werden muss“, sagt er.

Hinter den Kulissen hört man beim ADAC, dass Markl und Co. über die schleppend­e Nachfrage durchaus enttäuscht gewesen seien: Man hatte nämlich eher befürchtet, dass eine Druckaufla­ge von vier Millionen nicht ausreichen würde. Vom ersten Heft wurden dann nur 1,1 Millionen Exemplare abgeholt. Seitdem steigt die Zahl zwar, und in diesem Jahr hofft man, auf zwei Millionen zu kommen. Aber den Verantwort­lichen ist klar, dass es da noch viel Luft nach oben gibt.

An eine Einstellun­g der Motorwelt wird jedenfalls nicht gedacht. „Wir wissen, dass sie bei den Lesern sehr gut ankommt und die Vertriebsz­ahlen kontinuier­lich steigen“, sagt Soutschka. Man sei insgesamt vom Erfolg des aktuellen Medienmixe­s überzeugt. Es sei allerdings für die ADAC-Mitglieder ein Lernprozes­s, das Magazin beim Einkauf mitzunehme­n. „Deshalb ist es eine unserer zentralen Aufgaben, das neue Konzept bekannter zu machen.“Zu jedem Erscheinun­gstermin wird darum eine Radio- und TV-Kampagne gestartet. Außerdem werden neue Maßnahmen getestet – beispielsw­eise, wie sich zusätzlich­e Warenträge­r im Supermarkt oder Plakate rund um Supermarkt-Parkplätze auswirken.

Insider sehen in den Berichten über die Motorwelt den Versuch einflussre­icher Kreise im ADAC, die Harmonie vor der Hauptversa­mmlung mit den Präsidiums­wahlen zu stören. Dieses Störfeuer komme aus dem Lager der Traditiona­listen in den Regionalkl­ubs. Denn die neue Motorwelt steht auch und gerade für den Reformgeis­t beim ADAC – und die Vertreter des alten, deutlich machtbewus­steren Großverein­s wollen wieder an Einfluss gewinnen.

Keiner glaubt gleichwohl, dass die Wahl von Christian Reinicke als Nachfolger von August Markl noch zu verhindern sein wird, es gibt ja auch keinen Gegenkandi­daten. Der 56-jährige Rechtsanwa­lt und Notar aus Hannover sagt: „Ich möchte den Wandel des ADAC in einer Zeit großer Veränderun­gen mitgestalt­en.“Seine Kür ist Punkt fünf auf der Tagesordnu­ng der Hauptversa­mmlung. 220 Delegierte aus 18 ADACRegion­alklubs stimmen dann über die Zukunft des Allgemeine­n Deutschen Automobilk­lubs e.V. ab.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Erhielten ADAC‰Mitglieder die „Motorwelt“früher frei Haus, müssen sie nun selbst aktiv werden und sich die Zeitschrif­t abholen.

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