Persilscheine für Helfer der Nazis
Ein neues Buch beschäftigt sich auch mit den Taten einer Frau und eines Mannes im Landkreis Günzburg
Landkreis Als Einzelne waren sie meist nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe. Doch in der Summe haben die zahllosen Karrieristen, Opportunisten, Helfershelfer und Trittbrettfahrer entscheidend dazu beigetragen, das Nazi-Regime aufzubauen und bis Kriegsende am Laufen zu halten. Die Verbrechen der Nazi-Größen sind weitgehend bekannt, die Taten angeblicher Mitläufer sind vielfach noch nicht aufgearbeitet.
Diese Lücken will die Buchreihe „Täter Helfer Trittbrettfahrer“schließen. Zehn Bände für BadenWürttemberg sind bereits erschienen, der erste Band für Bayern liegt nun vor. „NS-Belastete“aus NordSchwaben lautet der Untertitel des Buches, finanziell gefördert unter anderem von der Stadt und dem Historischen Verein Günzburg. In dem Buch werden auch die Geschichte des Burtenbacher Bauernführers Johann Deininger und der KZ-Aufseherin Josefa Keller, die im Lager Burgau eingesetzt war, aufgearbeitet. Sogenannte Persilscheine haben ihnen wie so vielen geholfen, in der noch jungen Bundesrepublik weitgehend unbeschadet wieder Fuß zu fassen.
In den letzten Monaten des Krieges war die in Augsburg geborene
Keller, später verheiratete Eder, im KZ-Außenlager Burgau als Aufseherin eingesetzt. Sie war damals 23 Jahre alt. Im Werk Kuno im Scheppacher Forst mussten Häftlinge, darunter viele jüdische Frauen aus Polen und Ungarn, Düsenjäger vom Typ Me262 zusammenbauen. Die Verhältnisse waren katastrophal, nicht wenige starben an Unterernährung, aber auch an Misshandlungen, wie der aus Mindelaltheim stammende Historiker Andreas Rau in seinem Beitrag ausführt.
1948, in einem ersten Entnazifizierungsverfahren vor der Spruchkammer,
bezeichneten ehemalige Häftlinge Josefa Keller als „die schlimmste und gefürchtetste Aufseherin von allen“. Mit einer Peitsche habe sie die Frauen misshandelt, sie habe geschlagen und getreten. Die Kammer sah ihre Schuld und bescheinigte Josefa Keller einen „schlechten Charakter“und eine „gehässige Haltung“. In einem Berufungsverfahren wurde das Urteil kassiert. Geholfen hat der Frau unter anderem die Stellungnahme eines im Buch nicht näher benannten Pfarramtes: Keller sei „ein schlichtes Gemüt“, ansonsten aber von
„einwandfreier Haltung“. In einem weiteren Prozess wurde das Verfahren 1950 eingestellt. Die Taten von Josefa Keller hätten dem „Zeitgeist“des Dritten Reiches entsprochen.
Auf eine wesentlich längere NSKarriere konnte der Burtenbacher Landwirt Johann Deininger (1896-1973) zurückblicken. Er war von 1921 bis 1945 Bürgermeister der Gemeinde, bereits 1929 war er von der Deutsch-Nationalen Volkspartei zur NSDAP übergetreten und gründete die Ortsgruppe der NaziPartei. Deininger machte rasch Karriere. Er war in der SA und der SS nach oben gestiegen, er wurde Landesbauernführer und Leiter des Landesernährungsamtes. Von 1933 bis 1945 war er zudem Reichstagsabgeordneter der NSDAP. Wolfgang Proske, Autor des Beitrags über Deininger und Herausgeber der Buchreihe, nennt den Burtenbacher einen Karrieristen, ein Sprachrohr der Nazis und einen Mittler zwischen Partei und dem von ihr umworbenen Bauernstand. „Aus allen Augen muss die hundertprozentige nationalsozialistische Gesinnung leuchten“, sagte Deininger einmal vor Landwirten.
Um es kurz zu machen: Im Entnazifizierungsverfahren wurde Deininger lediglich als Mitläufer eingestuft. Mehr noch: Ihm wurden Tüchtigkeit und ein segensreiches
Wirken für die Bauern attestiert. Unter anderem hatten sich Ministerpräsident Hans Ehard (CSU) und andere bayerische Minister für Deininger stark gemacht. Der Burtenbacher kam ungeschoren davon und blieb seiner Gesinnung treu. 1953 kandidierte er als Mitglied der Nationalen Sammlung, die sich kaum zufällig mit NS abkürzte, für den Bundestag. 1957 trat Deininger für die Deutsche Partei an. Sie holte im Bund sechs Direktmandate und wurde, wie Proske schreibt, zur Absicherung der Bundestagsmehrheit von CDU und CSU an der Regierung von Kanzler Konrad Adenauer beteiligt. Den Übergang von der Diktatur zur Demokratie hatten viele nahtlos geschafft. Eine Hand wusch die andere rein.
ODas
Buch Das 375 Seiten um fassende Buch „Tä ter Helfer Tritt brettfahrer“, heraus gegeben von Wolfgang Proske, ISBN 978394589318 0, kann beim Kugelberg Verlag, Goethestraße 34 in 89547 Gerstetten, Telefon 07323/953501, bestellt werden. Weitere Informationen gibt es im Inter net unter www.nsbelastete.de