Kreis Günzburg erhält ImpfstoffSonderlieferung
Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek reagiert auf die Klagen schwäbischer Landräte. Premiere für das Vakzin Johnson & Johnson. 1600 Dosen werden am Freitag erwartet. Wer damit geimpft wird
Landkreis Günzburg Nach wie vor ist Corona-Impfstoff ein knappes Gut. Am Mittwochmittag muss Hermann Keller, Impfkoordinator für den Landkreis Günzburg, irgendwie noch 150 Dosen von Biontech und 120 Moderna-Dosen herbekommen, die dringend für Zweitimpfungen benötigt werden. Die Dringlichkeit ist da vermutlich schon nicht mehr gegeben. Er hat zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht mitbekommen, dass die zwei Impfzentren im Landkreis Günzburg am Freitag eine Sonderlieferung erhalten: 1600 Dosen des Vakzins von Johnson & Johnson.
Eine Premiere für den Landkreis, denn bislang ist dieser Impfstoff im Landkreis nicht verimpft worden – in Deutschland erst ungefähr 20.000-mal. Die Besonderheit jenes Pharma-Produkts: Bei ihm ist im Gegensatz zu allen anderen Impfstoffen nur eine verabreichte Spritze nötig, die vollen Impfschutz gewährleisten soll.
Eine Priorisierung mit dem Impfstoff soll aufgehoben werden, wie Bund und Länder am Dienstag angekündigt haben. Zum Einsatz soll der Wirkstoff vorrangig bei Menschen kommen, die älter als 60 Jahre sind. Jüngere können ihn auch bekommen, nachdem sie von ärztlicher Seite über Risiken aufgeklärt worden sind.
US-Gesundheitsbehörden hatten vor etwa einem Monat von seltenen Thrombosefällen nach Impfungen mit dem Präparat von Johnson & Johnson berichtet. Betroffen waren vor allem Frauen unter 60 Jahren. In Deutschland sind entsprechende Verläufe bisher nicht bekannt, wie eine Sprecherin des Paul-EhrlichInstituts mitteilte.
Wie aber kommt der Landkreis Günzburg zu der für Beteiligte überraschenden Zusatzlieferung? Günzburg gehört zu den 22 Landkreisen und kreisfreien Städten in Bayern, die mit einem ImpfstoffSonderkontingent bedacht werden. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek möchte damit nach Darstellung seines Ministeriums bayernweit gleichmäßige Impfquoten vorantreiben. Der Unterallgäuer Holetschek sagte am Mittwoch in München: „Wir wollen, dass in ganz Bayern möglichst viele Menschen ein Impfangebot erhalten. Einige Regionen haben eine geringere Ärztedichte und stehen teils auch vor besonderen strukturellen Herausforderungen. Deshalb haben wir dort eine geringere Impfquote in den Arztpraxen und damit im Ergebnis ein geringeres Angebot an Schutzimpfungen.“
Holetschek kritisierte: „Das Bestellsystem des Bundes lässt diese regionalen Gegebenheiten völlig außer Acht – das führt zu einer strukturellen Benachteiligung dieser Regionen bei den Impfungen in den Arztpraxen. Wir springen jetzt ein, wo die Verteilung des Bundes für Ungleichgewicht sorgt.“
Klaus Holetschek
In Günzburg scheint das Problem aber – anders als etwa im Nachbarlandkreis Dillingen – nicht so stark mit der fehlenden Hausarztdichte zusammenzuhängen. Impfbereite Hausärzte haben geklagt, dass sie zu wenige Dosen erhalten und deshalb umorganisieren und teilweise vereinbarte Impftermine wieder absagen müssen (wir berichteten).
Die nun vom Freistaat auf die 22 Landkreise und kreisfreien Städte verteilten rund 30.000 Dosen von Johnson & Johnson sind nach den Worten des Gesundheitsministers „ein gutes Signal für einen gleichmäßigen Impffortschritt in ganz Bayern“. Die Dosen bekommen in den Städten und Gebietskörperschaften aber am Freitag nicht die Arztpraxen, sie gehen in die Impfzentren.
Überhaupt seien die Städte und Landkreise nach strengen Kriterien ausgewählt worden: Dazu gehören die Sieben-Tage-Inzidenz am Stichtag 5. Mai und die Höhe der Abweichung der Impfquote (Ärzte pro Einwohner gemessen am bayerischen Durchschnitt bei den Arztimpfungen, ebenfalls zum Stichtag 5. Mai). Aktuell liegt die Impfquote nach Informationen unserer Redaktion im Landkreis Günzburg bei 31,3 Prozent. Der bayerische Durchschnittswert beträgt nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 34,9 Prozent. Der Minister fügte hinzu: „Berücksichtigt wird auch, ob Regionen bereits Sonderzuweisungen als Hochinzidenzgebiete/ Grenzregion erhalten haben beziehungsweise ob und in welchem Umfang sie Sonderkontingente von Astrazeneca Mitte April abgerufen haben. Die Entscheidung könnte auch eine Reaktion auf die Initiative des Dillinger Landrats Leo Schrell sein, der eine Arbeitstagung der schwäbischen Landräte am 27. April genutzt hat, sich gegenüber der Staatsregierung schwabenweit zu artikulieren und zu fordern, die Impfstoffverteilung flexibler zu handhaben.
Im Kreis Günzburg sind es die insgesamt zu geringen Liefermengen. Nach Informationen unserer Zeitung hat deshalb der Günzburger Landrat Hans Reichhart mit dem Gesundheitsminister dieser Tage ein „sehr intensives Gespräch“geführt. Jetzt wird Reichhart in einer Mitteilung des Landratsamtes folgendermaßen zitiert: „Wir sind dem Gesundheitsministerium und insbesondere Klaus Holetschek für diese zusätzlichen Impfdosen extrem dankbar. Sie stellen sicher, dass allein bei uns im Landkreis weitere 1,2 Prozent der Bevölkerung vor dem Virus geschützt werden können. Wir hatten in Gesprächen mit dem Staatsminister betont, wie wichtig zusätzliche Impfstofflieferungen für Schwaben sind. Nun konnten sie schnell bereitgestellt werden.“
Ähnlich äußert sich eine Sprecherin des Landratsamtes: „Wir würden uns wünschen, kontinuierlich mehr Impfstoff zu bekommen. Aber jetzt sind wir über die 1600 Dosen von Johnson & Johnson glücklich. Denn das bedeutet, dass 1600 Menschen mehr im Landkreis mit nur einer Spitze vollumfänglichen Corona-Schutz haben.“
Diejenigen, die das Vakzin des US-Konzerns im Kreis Günzburg in der kommenden Woche erhalten, gehören zu den über 60 Jahre alten Personen, für die das Präparat nach der Empfehlung der Ständigen Impfkommission am besten geeignet ist. Die damit frei werdenden Moderna- und Biontech-Impfstoffe werden an entsprechend jüngere Menschen verimpft, die registriert und laut Priorisierung an der Reihe sind. Damit verlässt der Landkreis auch die Priorität 2 (hohe Priorität) und wendet sich der nächstniedrigen Prioritätsstufe 3 (erhöhte Priorität) zu.