Wie das Impfen im Betrieb funktioniert
Ab Juni sollen auch Betriebsärzte in großem Maßstab den Schutz gegen Corona an die Beschäftigten ausgeben können. Im Handel bieten manche Unternehmen sogar Prämien
Nachdem der Corona-Impfstoff Anfang des Jahres noch äußerst knapp war, gewinnt die Impfkampagne in Deutschland inzwischen an Fahrt. Nach den Impfzentren werden die Hausärzte mit Impfstoff beliefert. Demnächst sollen die Betriebsärzte in den Unternehmen die Belegschaft impfen können, erste Modellversuche gab es bereits. Ein Überblick, wie das Impfen dort ablaufen soll, ob es eine Pflicht gibt, daran teilzunehmen – und ob den Angestellten eine Prämie winkt.
Wann starten die Impfungen in Bayern in den Betrieben?
Der Bund plant die flächendeckende Einbindung der Betriebsärzte in die Corona-Impfungen im Juni. Im Gespräch war zuletzt der 7. Juni. Bisher besteht noch die Unsicherheit, ob ab diesem Tag bereits Impfungen erfolgen können, oder ob ab diesem Tag erst der Bestellprozess für die Impfdosen beginnt, sagt Patrick Augustin, Experte für Arbeitssicherheit bei der IHK Schwaben. Dementsprechend würde sich der Impfstart in den Unternehmen nach hinten verlagern.
Wo gab es bereits Impfungen und wie sind die Erfahrungen?
In zehn Modellbetrieben haben in Bayern im Mai bereits Impfungen stattgefunden. In Schwaben hat das Memminger Unternehmen MagnetSchultz im Mai auf sieben Impfstraßen parallel rund 1000 Mitarbeiter geimpft – die Hälfte der Belegschaft. Die Erfahrungen aus den Pilotprojekten sind laut IHK gut. Bald soll eine zweite Phase an Pilotprojekten beginnen.
Wie gehen große Betriebe vor? Große Unternehmen wie Audi haben für die Corona-Impfungen bereits einen Rahmen: „Audi ist mit seinen drei Gesundheitszentren und der bestehenden betriebsärztlichen Infrastruktur ,impf-ready‘. Impfungen sind gewissermaßen Routine durch die alljährlichen Grippeimpfungen“, berichtet der Hersteller in Ingolstadt. Audi hat in einem Pilotprojekt schon im Mai Impfungen mit 1000 Impfdosen angeboten.
Wie sieht es in kleinen Betrieben aus? Zwar müssen alle Betriebe ab einem Mitarbeiter eine betriebsärztliche Betreuung sicherstellen, eigene Betriebsärzte haben kleinere Betriebe aber in der Regel nicht, berichtet IHK-Rechtsexpertin Anita Christl. Hier kann die Impfung über Kooperationen mit Impfzentren, mobile Impfbusse oder niedergelassene Arbeitsmediziner laufen. Ähnlich sieht es im Handwerk aus: Im Gegensatz zu den Großkonzernen sei in kleinen und mittleren Betrieben des Handwerks ein Arbeitsmediziner nicht permanent vor Ort, sagt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben. „Es braucht dringend Alternativen und Angebote für den Mittelstand.“Die Kammer sei mit den Impfzentren und dem Gesundheitsministerium in engem Kontakt, um beispielsweise tageweise Impfslots für das Handwerk zu organisieren.
Wer wird in den Betrieben zuerst geimpft?
In den Betrieben kann es ebenfalls nötig sein, eine Impfreihenfolge zu erstellen, falls der Impfstoff knapp ist, sagt IHK-Experte Augustin. Es sei zum Beispiel denkbar, dass Mitarbeiter, die häufig auf Reisen müssen oder die viel Kundenkontakt haben, früher geimpft werden, da für sie das Risiko höher ist. Der Betriebsrat wird bei solch einer Priorisierung aber eingebunden.
Muss ich mich impfen lassen?
Die Corona-Impfung ist ein freiwilliges Angebot der Unternehmen, die Einladung erfolgt durch den Betriebsarzt, erklärt IHK-Expertin
Christl. „Es gibt keine Impfpflicht bei Sars-CoV-2“, sagt auch Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten und deren Recht auf körperliche Unversehrtheit müssen gegen die Interessen des Arbeitgebers abgewogen werden und wiegen höher. Ein Arbeitgeber kann Arbeitnehmer daher in der Regel nicht verpflichten, sich impfen zu lassen. Das sieht man zum Beispiel auch bei Audi so: „Es ist ein Angebot an die Mitarbeiter/-innen“, schreibt das Unternehmen. „Die Entscheidung bleibt letztlich jedem selbst überlassen.“
Wie sieht es in Bereichen wie Altenheimen oder der Bundeswehr aus? Dass die Interessen von Unternehmen und Beschäftigten abgewogen werden müssen, erklärt auch der Arbeitgeberverband BDA in seinem Leitfaden zum Impfen durch Betriebsärzte. „Betreibt der Arbeitgeber eine Einrichtung, in der besonders vulnerable Personengruppen betreut oder behandelt werden, wie zum Beispiel Pflegeheime, kann eine Anordnung in Betracht kommen“, heißt es darin aber auch. Bei der Bundeswehr gibt es dem Verteidigungsministerium zufolge zwar keine Pflicht, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Gerichte haben für Soldaten aber eine Duldungspflicht bestätigt. Das heißt, „dass Soldatinnen und Soldaten verpflichtet sind, alle angewiesenen Impf- und Prophylaxemaßnahmen zu dulden“.
Kann ich mit einer Prämie rechnen, wenn ich mich impfen lasse?
In einzelnen Betrieben ist dies der Fall: Edeka Nord hat seinen Mitarbeitern einen Einkaufsgutschein von 50 Euro angeboten, wenn sich Beschäftigte, die zu einer Priorisierungsgruppe gehören, impfen lassen, berichtet die Tagesschau. Rewe hat sich ebenfalls mit „Anreizen“beschäftigt. Legitim wären solche Prämien: „Aus unserer Sicht kann der Arbeitgeber seinen Beschäftigten zum Beispiel eine Prämie in Aussicht stellen, wenn sie ein von ihm unterbreitetes Impfangebot wahrnehmen und dadurch einen Beitrag zum betrieblichen Gesundheitsschutz leisten“, schreibt der BDA. In Betracht kämen Gutscheine oder Geldprämien. Da die Impfungen aber ein freiwilliges Angebot sind, haben die Angestellten kein Recht darauf, berichten die Experten der IHK Schwaben. Es dürften also Ausnahmefälle bleiben.
Ist die Impfung im Betrieb Arbeitszeit oder habe ich Recht auf einen Freizeitausgleich?
Der Pieks selbst dauert nicht lange, aber insgesamt sind inklusive Aufklärung und Beobachtung 30 bis 45 Minuten einzukalkulieren. Da die Impfung ein freiwilliges Angebot sei, zählt sie nicht zur Arbeitszeit, berichtet Christl. Fällt der Impftermin im Betrieb zum Beispiel auf einen Urlaubstag, hat man also rein rechtlich Pech gehabt. Am besten ist, man spricht mit seinem Chef und sucht nach einer individuellen Lösung.
Wer kommt für Impfschäden auf? Da die Impfungen ein freiwilliges Angebot der Unternehmen seien und die Betriebsärzte zur Impfung einladen, müsste bei einem Impfschaden die Betriebshaftpflichtversicherung des Arztes aufkommen, erklärt IHK-Experte Augustin.
Welchen Impfstoff bekomme ich in den Betrieben?
„Aussuchen kann sich der Beschäftigte den Impfstoff nicht, da die Impfung im Betrieb ein freiwilliges Angebot ist und die Impfdosen für eine große Gruppe bestellt werden“, sagt Augustin. „Die Betriebsärzte können aber einen Wunsch angeben, welchen Impfstoff sie beziehen wollen.“Es sei damit zu rechnen, dass in den Betrieben vor allem die mRNA-Impfstoffe von Moderna und Biontech zum Einsatz kommen. (mit dpa)