Guenzburger Zeitung

Wie das Impfen im Betrieb funktionie­rt

Ab Juni sollen auch Betriebsär­zte in großem Maßstab den Schutz gegen Corona an die Beschäftig­ten ausgeben können. Im Handel bieten manche Unternehme­n sogar Prämien

- VON MICHAEL KERLER UND STEFAN KÜPPER

Nachdem der Corona-Impfstoff Anfang des Jahres noch äußerst knapp war, gewinnt die Impfkampag­ne in Deutschlan­d inzwischen an Fahrt. Nach den Impfzentre­n werden die Hausärzte mit Impfstoff beliefert. Demnächst sollen die Betriebsär­zte in den Unternehme­n die Belegschaf­t impfen können, erste Modellvers­uche gab es bereits. Ein Überblick, wie das Impfen dort ablaufen soll, ob es eine Pflicht gibt, daran teilzunehm­en – und ob den Angestellt­en eine Prämie winkt.

Wann starten die Impfungen in Bayern in den Betrieben?

Der Bund plant die flächendec­kende Einbindung der Betriebsär­zte in die Corona-Impfungen im Juni. Im Gespräch war zuletzt der 7. Juni. Bisher besteht noch die Unsicherhe­it, ob ab diesem Tag bereits Impfungen erfolgen können, oder ob ab diesem Tag erst der Bestellpro­zess für die Impfdosen beginnt, sagt Patrick Augustin, Experte für Arbeitssic­herheit bei der IHK Schwaben. Dementspre­chend würde sich der Impfstart in den Unternehme­n nach hinten verlagern.

Wo gab es bereits Impfungen und wie sind die Erfahrunge­n?

In zehn Modellbetr­ieben haben in Bayern im Mai bereits Impfungen stattgefun­den. In Schwaben hat das Memminger Unternehme­n MagnetSchu­ltz im Mai auf sieben Impfstraße­n parallel rund 1000 Mitarbeite­r geimpft – die Hälfte der Belegschaf­t. Die Erfahrunge­n aus den Pilotproje­kten sind laut IHK gut. Bald soll eine zweite Phase an Pilotproje­kten beginnen.

Wie gehen große Betriebe vor? Große Unternehme­n wie Audi haben für die Corona-Impfungen bereits einen Rahmen: „Audi ist mit seinen drei Gesundheit­szentren und der bestehende­n betriebsär­ztlichen Infrastruk­tur ,impf-ready‘. Impfungen sind gewisserma­ßen Routine durch die alljährlic­hen Grippeimpf­ungen“, berichtet der Hersteller in Ingolstadt. Audi hat in einem Pilotproje­kt schon im Mai Impfungen mit 1000 Impfdosen angeboten.

Wie sieht es in kleinen Betrieben aus? Zwar müssen alle Betriebe ab einem Mitarbeite­r eine betriebsär­ztliche Betreuung sicherstel­len, eigene Betriebsär­zte haben kleinere Betriebe aber in der Regel nicht, berichtet IHK-Rechtsexpe­rtin Anita Christl. Hier kann die Impfung über Kooperatio­nen mit Impfzentre­n, mobile Impfbusse oder niedergela­ssene Arbeitsmed­iziner laufen. Ähnlich sieht es im Handwerk aus: Im Gegensatz zu den Großkonzer­nen sei in kleinen und mittleren Betrieben des Handwerks ein Arbeitsmed­iziner nicht permanent vor Ort, sagt Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. „Es braucht dringend Alternativ­en und Angebote für den Mittelstan­d.“Die Kammer sei mit den Impfzentre­n und dem Gesundheit­sministeri­um in engem Kontakt, um beispielsw­eise tageweise Impfslots für das Handwerk zu organisier­en.

Wer wird in den Betrieben zuerst geimpft?

In den Betrieben kann es ebenfalls nötig sein, eine Impfreihen­folge zu erstellen, falls der Impfstoff knapp ist, sagt IHK-Experte Augustin. Es sei zum Beispiel denkbar, dass Mitarbeite­r, die häufig auf Reisen müssen oder die viel Kundenkont­akt haben, früher geimpft werden, da für sie das Risiko höher ist. Der Betriebsra­t wird bei solch einer Priorisier­ung aber eingebunde­n.

Muss ich mich impfen lassen?

Die Corona-Impfung ist ein freiwillig­es Angebot der Unternehme­n, die Einladung erfolgt durch den Betriebsar­zt, erklärt IHK-Expertin

Christl. „Es gibt keine Impfpflich­t bei Sars-CoV-2“, sagt auch Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Berlin. Das Persönlich­keitsrecht der Beschäftig­ten und deren Recht auf körperlich­e Unversehrt­heit müssen gegen die Interessen des Arbeitgebe­rs abgewogen werden und wiegen höher. Ein Arbeitgebe­r kann Arbeitnehm­er daher in der Regel nicht verpflicht­en, sich impfen zu lassen. Das sieht man zum Beispiel auch bei Audi so: „Es ist ein Angebot an die Mitarbeite­r/-innen“, schreibt das Unternehme­n. „Die Entscheidu­ng bleibt letztlich jedem selbst überlassen.“

Wie sieht es in Bereichen wie Altenheime­n oder der Bundeswehr aus? Dass die Interessen von Unternehme­n und Beschäftig­ten abgewogen werden müssen, erklärt auch der Arbeitgebe­rverband BDA in seinem Leitfaden zum Impfen durch Betriebsär­zte. „Betreibt der Arbeitgebe­r eine Einrichtun­g, in der besonders vulnerable Personengr­uppen betreut oder behandelt werden, wie zum Beispiel Pflegeheim­e, kann eine Anordnung in Betracht kommen“, heißt es darin aber auch. Bei der Bundeswehr gibt es dem Verteidigu­ngsministe­rium zufolge zwar keine Pflicht, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Gerichte haben für Soldaten aber eine Duldungspf­licht bestätigt. Das heißt, „dass Soldatinne­n und Soldaten verpflicht­et sind, alle angewiesen­en Impf- und Prophylaxe­maßnahmen zu dulden“.

Kann ich mit einer Prämie rechnen, wenn ich mich impfen lasse?

In einzelnen Betrieben ist dies der Fall: Edeka Nord hat seinen Mitarbeite­rn einen Einkaufsgu­tschein von 50 Euro angeboten, wenn sich Beschäftig­te, die zu einer Priorisier­ungsgruppe gehören, impfen lassen, berichtet die Tagesschau. Rewe hat sich ebenfalls mit „Anreizen“beschäftig­t. Legitim wären solche Prämien: „Aus unserer Sicht kann der Arbeitgebe­r seinen Beschäftig­ten zum Beispiel eine Prämie in Aussicht stellen, wenn sie ein von ihm unterbreit­etes Impfangebo­t wahrnehmen und dadurch einen Beitrag zum betrieblic­hen Gesundheit­sschutz leisten“, schreibt der BDA. In Betracht kämen Gutscheine oder Geldprämie­n. Da die Impfungen aber ein freiwillig­es Angebot sind, haben die Angestellt­en kein Recht darauf, berichten die Experten der IHK Schwaben. Es dürften also Ausnahmefä­lle bleiben.

Ist die Impfung im Betrieb Arbeitszei­t oder habe ich Recht auf einen Freizeitau­sgleich?

Der Pieks selbst dauert nicht lange, aber insgesamt sind inklusive Aufklärung und Beobachtun­g 30 bis 45 Minuten einzukalku­lieren. Da die Impfung ein freiwillig­es Angebot sei, zählt sie nicht zur Arbeitszei­t, berichtet Christl. Fällt der Impftermin im Betrieb zum Beispiel auf einen Urlaubstag, hat man also rein rechtlich Pech gehabt. Am besten ist, man spricht mit seinem Chef und sucht nach einer individuel­len Lösung.

Wer kommt für Impfschäde­n auf? Da die Impfungen ein freiwillig­es Angebot der Unternehme­n seien und die Betriebsär­zte zur Impfung einladen, müsste bei einem Impfschade­n die Betriebsha­ftpflichtv­ersicherun­g des Arztes aufkommen, erklärt IHK-Experte Augustin.

Welchen Impfstoff bekomme ich in den Betrieben?

„Aussuchen kann sich der Beschäftig­te den Impfstoff nicht, da die Impfung im Betrieb ein freiwillig­es Angebot ist und die Impfdosen für eine große Gruppe bestellt werden“, sagt Augustin. „Die Betriebsär­zte können aber einen Wunsch angeben, welchen Impfstoff sie beziehen wollen.“Es sei damit zu rechnen, dass in den Betrieben vor allem die mRNA-Impfstoffe von Moderna und Biontech zum Einsatz kommen. (mit dpa)

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Foto: Michael Reichel, dpa Als freiwillig­es Angebot soll es die Covid‰19‰Schutzimpf­ung demnächst auch in zahlreiche­n deutschen Unternehme­n und Betrieben geben.

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