Guenzburger Zeitung

„Natürlich muss mehr gehen“

Philipp Schröder war früher bei Tesla und dem Batteriehe­rsteller Sonnen im Allgäu. Nun hat er in der CDU/CSU die Klimaunion mitgegründ­et. Er erklärt, wie Klimaschut­z gelingt und wieso er den Grünen Öko-Populismus vorwirft

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Herr Schröder, Sie haben mit Mitstreite­rn die Klimaunion innerhalb der CDU und CSU ins Leben gerufen. Was war der Grund? Wird der Klimaschut­z innerhalb der Union so stiefmütte­rlich behandelt?

Philipp Schröder: Der wichtigste Grund für mich war, dass ich als ehemaliger Grüner gemerkt habe, dass Klimapolit­ik keine Parteipoli­tik sein darf. Das Ziel, die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad zu begrenzen, muss eine gesamtgese­llschaftli­ch getragene Aufgabe sein, ähnlich, wie es die deutsche Wiedervere­inigung war. Das politische Ideologisi­eren im Klimaberei­ch ist zum Risiko geworden. Der Öko-Populismus der Grünen ist zwar effektiv, führt aber dazu, dass weite Teile der Bevölkerun­g verprellt werden.

Aber trotzdem müssen Sie auch innerhalb der Union selbst Nachholbed­arf beim Klimaschut­z gesehen haben, oder?

Schröder: Ich sehe zwei blinde Flecken. Innerhalb der Union gibt es Nachholbed­arf im Klimaschut­z, der aufgeholt werden muss. Hier muss die Union ehrgeizige­r werden. Es gibt aber auch ein fehlendes Politikang­ebot im Klimaschut­z an die bürgerlich-konservati­ve Mitte. Einige Gemeinden haben es schon geschafft, 100 Prozent klimaneutr­al zu werden. Wildpoldsr­ied im Allgäu ist ein Beispiel, wo ein CSU-geführter Ort viel bewegt hat. Für diese nichtgrüne­n Wähler wollen wir eine eigene Sprache und einen eigenen Zugang finden.

Aber wenn Sie für den Klimaschut­z kämpfen, könnten Sie dies mit den Grünen nicht viel effektiver, für die das Thema der Wesenskern ist? Schröder: Das mag man so denken, tatsächlic­h hat mich die Ideologisi­erung des Klimaschut­zes und das überhandne­hmende Moralisier­en von den Grünen weggebrach­t. Ich denke, dass ein breiter Konsens nötig ist, um große gesellscha­ftliche Aufgaben zu stemmen. Denken wir nochmals an die deutsche Wiedervere­inigung. Damals hat man erst gemeinsam entschiede­n: Ja, wir wollen die Wiedervere­inigung, danach konnte man über die Finanzieru­ng und die Details reden. In der Klimapolit­ik gibt es dagegen heute eine Lagerbildu­ng, die Fronten sind verhärtet. Ich denke, die Union kann hier viel stärker zusammenfü­hren als die Grünen. In den ersten 30 Tagen haben wir mit der Klimaunion allein über 1000 Mitglieder aus CDU/CSU gewonnen. Es sind Menschen, die aktiv werden wollen, sich aber von Fridays for Future nicht angesproch­en fühlen.

Das Klima-Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts müsste Ihnen auch in der Union Rückenwind geben, oder? Schröder: Wir als Klimaunion freuen uns sehr über das Urteil, weil es ein klares Mandat für die Politik gibt. Es werden tiefgreife­nde Veränderun­gen sein, die wir für die Erreichung der Klimaziele durchführe­n müssen. Dafür ist Rückendeck­ung durch große Teile der Gesellscha­ft nötig. Es ist also vorteilhaf­t, wenn es auch von höchstrich­terlicher Stelle Rückendeck­ung gibt.

Union und SPD haben nach dem Urteil das Klimageset­z schnell nachgeschä­rft. Deutschlan­d soll nun bereits 2045 nur noch so viel CO2 ausstoßen, wie die Natur aufnehmen kann. Sind Sie zufrieden?

Schröder: Das Umfeld, in dem das Klimageset­z nachgeschä­rft wurde, ist nicht optimal, weil wir gefühlt mitten im Wahlkampf sind. Natürlich muss mehr gehen, natürlich kann auch mehr gehen im Klimaschut­z. Diese Überzeugun­gsarbeit wollen wir aber als Klimaunion zuerst innerhalb von CDU und CSU leisten.

Das Ziel der Klimaneutr­alität bis 2045 ist schnell gesetzt, jetzt müssen die Mengen an CO2 aber konkret eingespart werden, im Verkehr, bei Heizungen, in der Industrie. Wie stellen Sie sich dies vor?

Schröder: Für die Klimaunion muss an erster Stelle die schnellstm­ögliche Umstellung der Primärener­gieträger auf erneuerbar­e Energien kommen. Selbst in konservati­ven Szenarien benötigen wir durch die Umstellung auf Elektromob­ilität bis 2035 deutlich mehr Strom. Wir brauchen also schnellstm­öglich große Mengen an erneuerbar­en Energien, wir brauchen einen mutigen großen Wurf, sonst geraten wir uneinholba­r ins Hintertref­fen. Das schulden wir der Klimapolit­ik und dem 1,5-Grad-Ziel. Die Debatte braucht aber auch mehr Ehrlichkei­t. Grüne Politiker fordern 100 Prozent erneuerbar­e Energien, ohne aber bis heute zu erklären, wie dies finanziert werden soll. Wenn das Ziel die Dekarbonis­ierung der Volkswirts­chaft ist, werden die letzten 20 bis 30 Prozent des Weges extrem teuer und extrem schmerzhaf­t sein.

Wenn Sie erneuerbar­e Energien stark ausbauen wollen, bedeutet dies nicht das Ende der 10H-Abstandsre­gel für Windräder in Bayern?

Schröder: Es ist vollkommen klar, dass Umwelt-, Nachbarsch­afts- und Verbandskl­agerechte dem Infrastruk­turausbau für den Klimaschut­z nicht im Wege stehen dürfen. Hier sind wir nicht zufrieden. Wir werden Umweltschu­tzrechte und bestimmte Klagerecht­e für einen bestimmten Zeitraum einschränk­en müssen, wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschut­z.

Könnten Sie mit Schwarz-Grün nach der Wahl leben?

Schröder: Ja, das kann ich. GrünRot-Rot wäre sicher eine Katastroph­e für das Klima, das sieht man an den Programmen der Linken und der SPD. Für einen breiten gesellscha­ftlichen Konsens im Klimaschut­z kann es nur eine Option geben – und das ist Schwarz-Grün.

Ist Armin Laschet da für Sie der optimale Kanzlerkan­didat, der mit dem langen Festhalten am Kohlebergb­au klimapolit­ischen Ballast mitbringt? Schröder: Ich halte ihn für einen guten Kandidaten. Erstens wird ein Punkt immer übersehen: Es gibt internatio­nale Investitio­nsschutzab­kommen, die Investitio­nen der Industrie vor Eingriffen des Staates schützen, auch im Kohleberei­ch. Setzt sich die Politik darüber hinweg, kann es zu hohen Schadeners­atzklagen kommen, wie wir sie vom schwedisch­en Vattenfall-Konzern kennen. Es ist absurd, anzunehmen, wir könnten in kürzester Zeit ohne einen Euro Entschädig­ung aus der

Kohle aussteigen. Zweitens zu Armin Laschet selbst: Er hat in den letzten zwei Wochen extrem viel auf der Klimaseite gemacht und zum Beispiel zusammen mit Andreas Jung vor zwei Wochen eine umfassende Neuausrich­tung der Klimapolit­ik der Union in Aussicht gestellt, unter anderem mit einem „Sonnenpake­t“zur Förderung der Solarenerg­ie – was ich übrigens sehr cool finde, da es „meine“frühere Firma Sonnen aus dem Allgäu im Namen trägt. Armin Laschet setzt sehr viel in Bewegung, deshalb hat er unsere Unterstütz­ung.

Wie gehen Sie denn auf Menschen zu, die den Kosten des Klimaschut­zes nicht so einfach ausweichen können, zum Beispiel Mieter, deren Wohnung mit Gas beheizt wird oder die nicht sofort ein E-Auto bezahlen können? Schröder: Aus unserer Sicht muss der Nutzen für die Binnenwirt­schaft durch die Umstellung auf klimafreun­dliche Technik größer sein als die Belastunge­n. Klimaschut­z schlägt auf die Preise durch und damit auf die Schwächste­n in der Gesellscha­ft. Wir können die Klimaschut­z-Maßnahmen nur dann der Gesamtbevö­lkerung zumuten, wenn sie ein investives Programm sind, das mehr Jobs und mehr Wohlstand schafft. Dann werden auch die schwächere­n Teile der Bevölkerun­g dies mittragen. Es darf nicht sein, dass die grüne Porsche-CayenneHyb­rid-Fahrerin kaum eine Belastung durch den Klimaschut­z merkt, während große Teile der Bevölkerun­g abgekoppel­t werden.

Haben Sie denn manchmal Sehnsucht nach dem Allgäu? Sie waren dort einer der Chefs des Batteriesp­eicher-Hersteller­s Sonnen …

Schröder: Absolut, Sonnen und Tesla haben mich geprägt. Bei Sonnen habe ich gelernt, dass Deutschlan­d Technologi­e beherrscht. In Wildpoldsr­ied haben wir in wenigen Jahren einen Weltmarktf­ührer gebaut. Gelernt habe ich dort zwei Dinge: Kapitalism­us ist ein sehr mächtiges Werkzeug, damit Technologi­e sich bahnbreche­nd schnell entfaltet und zur Bekämpfung der Klimakrise beitragen kann. Diese Dynamik brauchen wir, um die Klimaziele zu erreichen. Zum anderen steht heute außer Frage, dass die erneuerbar­en Energien die Zukunft sind.

Manche denken aber über ein Revival der Atomkraft nach …

Schröder: Ich denke, dass uns diese Debatte um eine neue Chance für die Atomkraft nirgendwo hinführt. Der Diskurs ist leider ideologisc­h aufgeladen und legt für mich die Vermutung nahe, dass manche der Realität nicht ins Auge blicken wollen. Selbst ein nagelneues Atomkraftw­erk, wie es Großbritan­nien in Hinkley Point baut, muss staatlich bezuschuss­t werden, damit es rentabel ist. Dazu kommen die bleibenden Risiken der Atomkraft. Ein Endlager haben wir immer noch nicht. Aus Sicht der Klimaunion ist die Atomkraft vom Tisch.

Tesla hat eine erstaunlic­he Entwicklun­g hingelegt. Wie ist dieses Wachstum möglich geworden, wie haben Sie Tesla kennengele­rnt?

Schröder: Ich war bei Tesla, als noch keiner an den Erfolg glauben wollte und man Tesla verlacht hat. Ich denke, es gibt drei Erfolgsfak­toren: Erstens haben die Unternehme­n im Silicon Valley Zugang zu Risikokapi­tal, der in Deutschlan­d fehlt. Zweitens baut Elon Musk systematis­ch Geschäfte auf, die noch nicht im Wettbewerb stehen. Das war bei dem Elektroaut­o-Hersteller Tesla so, der den Vorteil hatte, mit einem weißen Blatt Papier beginnen zu können. Das Konzept funktionie­rt auch in der Raketenspa­rte Space X oder bei Neuralink, wo Musk versucht, eine neuronale Verbindung zum Gehirn aufzubauen – als Ersatz für das Telefon. Ein dritter Faktor ist Elon Musk selbst, der wie ein Popstar agiert. Er ist der erste und einzige echte Pop-Entreprene­ur.

Wie haben Sie Musk erlebt? Ist er überhaupt nahbar?

Schröder: Elon Musk ist sicher der einzige CEO, der ein Asperger-Syndrom offen zu erkennen gibt und der keinen Hehl aus seiner autistisch­en Veranlagun­g macht. Er ist sehr interessie­rt, hat großes technische­s Interesse. Er ist aber sicher nicht nahbar oder kumpelhaft, sondern sehr fokussiert, fordernd, sehr genau, mit Begeisteru­ng für Details. Das muss aber nichts Schlechtes sein, im Gegenteil. Interview: Michael Kerler

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Foto: Matthias Becker „Wir brauchen schnellstm­öglich große Mengen an erneuerbar­en Energien“, sagt Philipp Schröder, CDU. Den Grünen wirft er aber vor, zu ideologisc­h an das Thema heranzugeh­en.
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Philipp Schröder, CDU, 37, war Deutschlan­d‰ Chef von Tesla. Heute führt er das Finanz‰Start‰up CAPinside in Hamburg.

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