Mode – schön bequem
kann sich allerdings vorstellen, dass gerade die Menschen, die großen Wert auf Bio legen, wieder ganz bewusst selbst einkaufen gehen. „Denn Konsum funktioniert auch als Unterscheidungsmerkmal“, erklärt der Sozialpsychologe, der in Berlin lebt. „Und zu einem Lebensstil, der auf biologische Produktionswege setzt, gehört es oft dazu, dass man selbst in den Laden geht, sich an der Käsetheke bedienen lässt; aber für die große Mehrheit wird die Bequemlichkeit künftig überwiegen, sie werden nicht mehr einkaufen gehen, sondern online bestellen“, sagt Welzer.
Laut einer Studie vom Zukunftsinstitut zu „Küche und Haushalt nach Corona“vom Juli 2020 ist selbst kochen für 62 Prozent der Deutschen wichtiger geworden. 66 Prozent legen mehr Wert darauf, immer frische Lebensmittel im Haus zu haben. Wenig verwunderlich derzeit auch: Statt in Urlaubsreisen investieren die Deutschen laut einer aktuellen Studie des Instituts lieber in Küchen und Elektrogeräte, 42 Prozent planen Investitionen in Wohnung, Haus und Garten.
Sondern weil Fernreisen als riskanter eingeschätzt werden. Man habe gesehen, dass im Krisenfall das Nachhausekommen nicht so einfach ist. Bis also die weite Welt wieder begeistert bereist wird, werde es sicher noch dauern. „Davon aber wird dann aber indirekt auch die Umwelt profitieren.“
Auch weniger Kreuzfahrtschiffe also? Die Branche werde sich schwertun, glaubt Schmude, weil weniger Neukunden hinzukommen, die sich mit vielen auf einem Schiff den Platz teilen wollen. Die aber machten ja den KreuzfahrtBoom zuletzt aus.
Auch die Fluggesellschaften werden verstärkt um Touristen werben müssen, ist sich Harald Welzer sicher. Denn eines steht für ihn auch fest: „Die Dienstreisen wie früher wird es nicht mehr geben. Das hat sich fundamental verändert.“Sieht man doch in vielen Branchen seit Monaten, wie effizient sich mittels Videokonferenzen alles verhandeln und besprechen lässt. Reisen aus Lust also künftig – nicht aus Pflicht.
Er sagt: „Man kann momentan einfach nicht sagen, wie dauerhaft diese Angst vor Ansteckung ist. Ich persönlich würde aber sagen: Wenn wir diese Pandemie hoffentlich überwunden haben, werden die Menschen auch wieder öffentliche Verkehrsmittel nutzen.“
Und nicht radeln? Das Rad gehört doch auch zu den Krisengewinnern schlechthin. Die Branche ist eine sogenannte Boombranche: „Ja, die Nachfrage nach Fahrrädern ist in der Pandemie unglaublich hoch. Zu Engpässen kam es vor allem dadurch, weil die Lieferketten nach Asien nicht mehr funktioniert haben“, erklärt Welzer. Er ist sich sicher, dass hier etwas bleibt: „Denn wenn man einmal die Erfahrung gemacht hat: Ach, da kann man mit dem Rad hinfahren, das klappt ja gut und ist gar nicht so schwierig, dann kann das schon bleibende Effekte haben.“
An nichts gewöhnt man sich leichter als an die Bequemlichkeit. Und einmal errungen, lässt man auch nicht wieder von ihr ab, sagt Carl Tillessen, Trendanalyst vom Deutschen Modeinstitut: „Wir haben ein Jahr lang die pflegeleichteste und bequemste Kleidung, die es auf dem Markt gibt, getragen – und das werden wir auch nicht wieder aufgeben.“Was das bedeutet? Nichts Gutes für den Businesslook: Anzug, Hemd, Kostüm! Der sogenannte Casual-Friday werde sich auf die ganze Woche ausbreiten. Und wenn es denn schon ein Hemd sein muss, dann eines aus Jersey – macht Hemd wie auch Hose schön bequem. Das aber gilt nur für den Tag. Geht es Richtung Abend, dann werde die Mode viel glamouröser und mehr sexy sein als noch vor Corona – atemberaubende High Heels mit eingeschlossen. Was zur These von Mode-Experten passt, dass demnach in Krisen die Absätze – also die von Schuhen – in die Höhe wachsen: der sogenannte High-Heel-Index. Die internationale Modeplattform Lyst jedenfalls verzeichnet seit Beginn des Jahres verstärkt Interesse nach Schuhen mit hohen Absätzen, um 163 Prozent seien die Anfragen im ersten Quartal gestiegen.
Die andere Frage aber ist: Wird sich am rasanten, im Überfluss produzierenden Modesystem etwas ändern? Die Fast-Fashion also einen Gang hinuntergeschaltet? Tillessen erwartet das eher nicht: „Ein Teil wird denken, alles das, was bisher war, war ungesund, und wird clean bleiben. Ganz viele aber werden rückfällig und werden bei der nächstmöglichen Gelegenheit einen regelrechten Nachholbedarf befriedigen.“Wie auch schon in China nach dem Lockdown zu sehen. Stichwort Revenche-Buying – Vergeltungskaufen.