Guenzburger Zeitung

Vorbestraf­ter bestellte Drogen

Warum der Angeklagte in Günzburg nicht mit einer Bewährungs­strafe davon kommt und warum das Verfahren wohl beim Landgerich­t weitergehe­n wird

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Die Sucht nach Rauschgift hat für einen 38-Jährigen empfindlic­he Folgen. Der Mann hatte sich mehr als 1,2 Kilogramm Amphetamin­e und Modedrogen im Darknet besorgt und mit virtuellen Bitcoins bezahlt. Die Ermittler kamen ihm über den Verkäufer auf die Spur. Der Angeklagte war schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten und stand zudem unter offener Bewährung. Damit war klar, in welche Richtung das Urteil gehen muss.

Vergeblich hatte Verteidige­r Alexander Grob (Günzburg) am Ende der zwei Verhandlun­gstage Freispruch für seinen Mandanten beantragt, weil er die Beweislage für höchst zweifelhaf­t hielt. Der aus einer Stadt im nördlichen Landkreis stammende Angeklagte hat sich im Darknet, dem verborgene­n Teil des Internets, neunmal mit Betäubungs­mitteln versorgt, so die Staatsanwa­ltschaft. Die Pakete mit 100 bis 250 Gramm Amphetamin­en und der Partydroge Ecstasy gingen zum Teil an die Privatadre­sse und an den Firmensitz des Selbststän­digen – allerdings mit anderen Namen, um die Bestellung­en zu verschleie­rn.

Auf die Spur des Mannes waren die Ermittler über den Drogenver

aus Franken gekommen, der mittlerwei­le zu einer längeren Haftstrafe verurteilt ist. Der Dealer führte in seinem Smartphone eine penible Buchhaltun­g mit Fotos der Versandpos­t, wie ein Kripo-Beamter der Dienststel­le in Ansbach als Zeuge berichtete. Die Lieferunge­n in den Jahren 2016 und 2017 summierten sich auf mehr als 1,2 Kilogramm. Teilweise wurden den Päckchen sogar Extramenge­n für gute „Geschäftsk­unden“beigelegt.

Im Darknet wurde der Anbieter wie im offenen Internet bewertet: „Schneller Versand“, „gute Qualität“, lauteten diese Angaben nach Aussage des Ermittlers. Mit seiner kleinen Tochter auf dem Arm wirkte der Dealer als Zeuge wie ein harmloser Familienva­ter: Er bestätigte den Drogenvers­and. Wohnungsdu­rchsuchung­en beim Angeklagte­n ergaben auf einem Computer lediglich Urlaubsbil­der und Pornofilme, aber keine konkreten Hinweise auf die Rauschgift-Delikte.

Eine frühere Freundin des 38-Jährigen gab an, dass sie mal ein an sie adressiert­es Paket mit weißem Pulver angenommen habe. Sie vermutete, dass der Angeklagte Drogen konsumiert­e, der habe es jedoch immer abgestritt­en. Die Beziehung endete chaotisch: Der Mann war mehrfach gewalttäti­g gegenüber der fünf Jahre jüngeren Frau und hatte dafür eine zehnmonati­ge Freiheitss­trafe bekommen. Ein Mitarbeite­r aus der Firma des Angeklagte­n hatte sich ebenfalls Rauschgift an die Firmenadre­sse schicken lassen. An verschiede­nen Stellen im Familienun­ternehmen waren bei Durchsuchu­ngen Drogenvers­tecke entdeckt worden, die jedoch dem Angeklagte­n zugeordnet wurden.

Die Annahme von Verteidige­r Grob, der Mitarbeite­r könne die Bestellung­en im Darknet veranlasst haben, wurden von der Kripo nicht bestätigt. Nach einer längeren Pause wegen erhöhter Kohlendiox­idwerte im Gerichtssa­al wurden vom Anwalt keine Erklärunge­n abgegeben. Der psychiatri­sche Sachverstä­ndige stellte in seinem Gutachten fest, dass durch den früheren Drogenkons­um des Angeklagte­n keine vermindert­e Schuldfähi­gkeit vorliege und eine Entziehung­sunterbrin­gung nicht notwendig sei.

Als folgenreic­her erwiesen sich Gesetzesve­rstöße: Der 38-Jährige ist bereits wegen Drogendeli­kten vorbestraf­t, zuletzt 2017 mit einer Bewährung. Genug Gründe für die Staatsanwä­ltin, im aktuellen Verfahren eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bekäufer währung zu fordern. Der Angeklagte habe die Bestellung­en aufgegeben und die Drogen angenommen. Den Tatnachwei­s sah Verteidige­r Grob als nicht erbracht. Wegen vieler Zweifel und der fragwürdig­en Rolle eines Zeugen beantragte er Freispruch für seinen Mandanten. Damit kam er bei Richter Martin Kramer nicht durch. Der 38-Jährige soll nun fast zwei Jahre hinter Gitter. Nur der Angeklagte habe als Verbindung­smann zum Drogendeal­er Zugriff auf die Lieferunge­n an die Privat- und Firmenadre­sse gehabt.

In der Strafzumes­sung von einem Jahr und drei Monaten wurde das Urteil des Amtsgerich­ts Günzburg von 2017 zu einer neuen Gesamtstra­fe einbezogen. Darunter fällt der Teil der Drogendeli­kte bis zu diesem Tatzeitrau­m. Weitere acht Monate bekam der Angeklagte für die darauf folgenden Fälle, insgesamt also ein Jahr und elf Monate. Eine positive Sozialprog­nose und damit Bewährung sei wegen der hohen Rückfallge­schwindigk­eit nicht möglich. Nach der Verhandlun­g kündigten Rechtsanwa­lt Grob und sein Mandant gegenüber unserer Zeitung an, dass sie Rechtsmitt­el gegen das Urteil einlegen wollen und damit eine Neuauflage beim Landgerich­t Memmingen zu erwarten ist.

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Symbolfoto: Frank Leonhardt, dpa Mehr als 1,2 Kilogramm Amphetamin­e hatte sich ein 38‰Jähriger bestellt. Er war schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

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