Guenzburger Zeitung

Die Frage der Woche Streifen tragen?

- LEA THIES WOLFGANG SCHÜTZ

Als Imkerin bin ich, zugegeben, in Sachen Streifen natürlich etwas befangen – gibt es ein schöneres tierisches Outfit auf unserem Planeten? Und vor allem ein simpel clevereres? Die Biene signalisie­rt mit ihren Streifen: Vorsicht, stachelig und giftig – und schreckt somit seit Jahrmillio­nen erfolgreic­h Fressfeind­e ab. Einen schützende­n Streifentr­ick hat übrigens auch das Zebra drauf: Angeblich sollen die Längsstrei­fen Krankheite­n übertragen­de Tsetse-Fliegen und gefräßige Raubkatzen verwirren, weil sie nicht wissen, wo sie angreifen sollen. Sie sehen das Pferd also vor lauter Streifen nicht.

In der Menschenwe­lt hingegen bewirken Streifen eher das Gegenteil – sie sind einfach ein Hingucker. Kein Zufall. Das Streifensh­irt hat ursprüngli­ch auch eine Schutzfunk­tion gehabt. Bretonisch­e Fischer sollen einst Oberteile aus 21 breiten weißen und 21 dünneren blauen Streifen getragen haben, damit sie an Bord bei jedem Wetter besser zu sehen waren – und auch, wenn sie mal über Bord gingen. Und dann sah eines Tages Gabrielle „Coco“Chanel während der Ferien an der französisc­hen Küste diese Arbeitskle­idung, der Rest ist Modegeschi­chte, die längst über St. Tropez, die französisc­hen Filme bis in den Otto-NormalKlei­derschrank führte.

Streifen werden gefühlt alle zwei Jahre wieder modern, heute sagt man ein Must-have, sind dazwischen aber wegen ihrer mannigfalt­igen Kombinatio­nsmöglichk­eiten nie langweilig und auch nie von der Bildfläche verschwund­en, also nie „out“. Das Streifensh­irt ist einfach zeitlos und steht quasi jedem wie jeder – es gilt übrigens als eines der ersten Unisex-Kleidungss­tücke der Geschichte. Kurzum: Wer Streifen trägt, hat einfach Ahnung von Mode. So einfach ist das. Ganz sicher!

Wie man allen Ernstes gegen Streifen sein kann? Ob das nicht einfach Geschmacks­sache ist, soll jeder und jede halten, wie er oder sie eben mag?

Klar kann man so denken. Aber dann ist halt wirklich alles wurscht und das spannende, nicht von ungefähr historisch bedeutende Feld der Ästhetik an die Beliebigke­it verloren. Bei den alten Griechen ging es noch um nicht weniger als eine erhabene Einheit vom Schönen zum Guten und Wahren. In der Moderne zeugte dann der Bruch mit der Erwartung – eine hässliche Aphrodite!?! – von der Wahrnehmun­g der allzumensc­hlichen Wirklichke­it.

Und im Wortsinne ist die Lehre des Wahrnehmen­s ja die Ästhetik. Da hilft auch das Sammeln von irgendwelc­hen Indizien nix: Der Picasso oder die Monroe oder die Audrey Hepburn … – die sahen doch alle hinreißend aus in jeweiligem Streifenhe­md, -bluse oder -kleid. Ach wirklich? Wären dem etwa nicht viele Aufnahmen von Menschen in gestreifte­n Klamotten entgegenzu­halten? Man könnte fast im Sinne der Moderne antworten: Die betonte Geradlinig­keit der Streifen bricht sich in der Regel auf nicht eben schmeichel­nde Art an der Wirklichke­it der allzu menschlich­en Körperform­en.

Aber vor allem stehen – über die Unterlegen­heit von Nadelstrei­fen gegenüber der Schlichthe­it müssen wir hoffentlic­h nicht reden – Streifen in relevanter Breite einerseits für die offenkundi­ge Unfähigkei­t zum anspruchsv­oll schmückend­en Ornament und anderersei­ts für einen Willen zur anspruchsl­osen Auffälligk­eit, kaschieren­d gerne als modisch mutig bezeichnet. Streifen sind für Fußgängerz­onen-Diven und trendige Bankkaufmä­nner, für Obelixe und Minnie-Mäuse, für Majas und Willis, fürs Clowneske also. Frei nach Aristotele­s also: Finger weg!

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