Die Frage der Woche Streifen tragen?
Als Imkerin bin ich, zugegeben, in Sachen Streifen natürlich etwas befangen – gibt es ein schöneres tierisches Outfit auf unserem Planeten? Und vor allem ein simpel clevereres? Die Biene signalisiert mit ihren Streifen: Vorsicht, stachelig und giftig – und schreckt somit seit Jahrmillionen erfolgreich Fressfeinde ab. Einen schützenden Streifentrick hat übrigens auch das Zebra drauf: Angeblich sollen die Längsstreifen Krankheiten übertragende Tsetse-Fliegen und gefräßige Raubkatzen verwirren, weil sie nicht wissen, wo sie angreifen sollen. Sie sehen das Pferd also vor lauter Streifen nicht.
In der Menschenwelt hingegen bewirken Streifen eher das Gegenteil – sie sind einfach ein Hingucker. Kein Zufall. Das Streifenshirt hat ursprünglich auch eine Schutzfunktion gehabt. Bretonische Fischer sollen einst Oberteile aus 21 breiten weißen und 21 dünneren blauen Streifen getragen haben, damit sie an Bord bei jedem Wetter besser zu sehen waren – und auch, wenn sie mal über Bord gingen. Und dann sah eines Tages Gabrielle „Coco“Chanel während der Ferien an der französischen Küste diese Arbeitskleidung, der Rest ist Modegeschichte, die längst über St. Tropez, die französischen Filme bis in den Otto-NormalKleiderschrank führte.
Streifen werden gefühlt alle zwei Jahre wieder modern, heute sagt man ein Must-have, sind dazwischen aber wegen ihrer mannigfaltigen Kombinationsmöglichkeiten nie langweilig und auch nie von der Bildfläche verschwunden, also nie „out“. Das Streifenshirt ist einfach zeitlos und steht quasi jedem wie jeder – es gilt übrigens als eines der ersten Unisex-Kleidungsstücke der Geschichte. Kurzum: Wer Streifen trägt, hat einfach Ahnung von Mode. So einfach ist das. Ganz sicher!
Wie man allen Ernstes gegen Streifen sein kann? Ob das nicht einfach Geschmackssache ist, soll jeder und jede halten, wie er oder sie eben mag?
Klar kann man so denken. Aber dann ist halt wirklich alles wurscht und das spannende, nicht von ungefähr historisch bedeutende Feld der Ästhetik an die Beliebigkeit verloren. Bei den alten Griechen ging es noch um nicht weniger als eine erhabene Einheit vom Schönen zum Guten und Wahren. In der Moderne zeugte dann der Bruch mit der Erwartung – eine hässliche Aphrodite!?! – von der Wahrnehmung der allzumenschlichen Wirklichkeit.
Und im Wortsinne ist die Lehre des Wahrnehmens ja die Ästhetik. Da hilft auch das Sammeln von irgendwelchen Indizien nix: Der Picasso oder die Monroe oder die Audrey Hepburn … – die sahen doch alle hinreißend aus in jeweiligem Streifenhemd, -bluse oder -kleid. Ach wirklich? Wären dem etwa nicht viele Aufnahmen von Menschen in gestreiften Klamotten entgegenzuhalten? Man könnte fast im Sinne der Moderne antworten: Die betonte Geradlinigkeit der Streifen bricht sich in der Regel auf nicht eben schmeichelnde Art an der Wirklichkeit der allzu menschlichen Körperformen.
Aber vor allem stehen – über die Unterlegenheit von Nadelstreifen gegenüber der Schlichtheit müssen wir hoffentlich nicht reden – Streifen in relevanter Breite einerseits für die offenkundige Unfähigkeit zum anspruchsvoll schmückenden Ornament und andererseits für einen Willen zur anspruchslosen Auffälligkeit, kaschierend gerne als modisch mutig bezeichnet. Streifen sind für Fußgängerzonen-Diven und trendige Bankkaufmänner, für Obelixe und Minnie-Mäuse, für Majas und Willis, fürs Clowneske also. Frei nach Aristoteles also: Finger weg!