Sternsinger in Crocs beim Poetry Slam in Günzburg
Bei der Veranstaltung im Restaurant Soul Food im Forum am Hofgarten in Günzburg slammen acht Poetinnen und Poeten
Günzburg Eigentlich hätte es heißen sollen: „Poetry Slam unter freiem Himmel“. Eingeladen hatte das Günzburger Kulturamt und bis zum späten Nachmittag hatte man noch gehofft, dass der Wettstreit der Sprachkünstler im Biergarten von Soul Food stattfinden kann. Nachdem der Regen kein Einsehen zeigte, wurde eben im Restaurant geslammt. „Eine etwas andere Atmosphäre als im Forum“, wie Kulturamtsleiterin Karin Scheuermann am Samstag bemerkte. Und gerade deswegen sollte sie recht behalten.
Sechs Minuten Zeit, es müssen eigene Texte, Gedichte oder Kurzgeschichten sein, Hilfsmittel sind nicht erlaubt und am Ende entscheidet der Beifall des Publikums. Wie lässt sich denn so eine Slammerin oder Slammer am besten beschreiben? „Menschen mit Gefühlen, die diese mit anderen teilen“, erklärte Moderatorin Dana Hofmann – sie führt auch im Ulmer Roxy durch die Slam-Abende. Also: Mikrofon frei für die acht Poetinnen und Poeten im voll besetzten Soul Food und neugierig sein, was diese, frei von der Seele oder vom Blatt erzählend, dichtend und sogar rappend dem Publikum mitteilen.
„Einen Text zu grenzwertigen Themen, auf den die Leute keinen Bock haben und der auf der Bühne keinen Sinn macht“, nannte Lukas Bühner aus Ulm scherzend seinen eigenen. Nun ja, eine Bühne gab es ohnehin nicht und beim Thema Inzest horchten die Gäste allemal auf, war doch Kleopatra mit zwei ihrer Brüder verheiratet. Auch die Horrorstory von Nik Salsflausen aus Esslingen kam bestens an: Nicht das Lösegeld von fünf Milliarden Euro in Bitcoins, sondern die bundesdeutsche Formularbürokratie werde im Jahr 2023 verhindern, dass eine im Stromnetz der Republik platzierte Bombe die Stromversorgung kappt.
Beste Chancen auf den Chefsessel in der Redaktion des Männermagazins „Beef“dürfte Jonas Neuhäußer, ebenfalls aus Ulm, haben: Nicht nur seine lobpreisend röhrende Aussprache des Wortes „Beef“, sondern auch Rouladen, Speck, Schweinebauch und Ochsenschwanz erweckten den Koch im Mann: „Du bist traurig – iss Fleisch, du bist wütend – iss Fleisch.“recht hatte er, alles andere soll ja nicht männlich sein. Karl Kaspar aus Konstanz, inzwischen vom Sternsinger zum Leiter der Sternsinger aufgestiegen, erzählte von kleinen umherschwirrenden Königen am 6. Januar und deren Zwiegesprächen. Er selber bevorzuge da Crocs, da entfalle das lästige Schnürsenkelbinden, und „Süßes oder Saures“, das sei in jedem Fall der falsche Text bei diesem Job.
Deutlich zur Sache ging es auch bei den Poetinnen. Kathi Mock aus Erlangen, von sich selbst behauptend, dankbar über Schalen-BHs zu sein, stellte fest, dass die meisten Frauen und Mädchen gar nicht wüssten, wie man einen BH richtig anzieht. Marina Sigl aus Tübingen ließ das Publikum in ihr Tagebuch, gefüllt mit sinnigsten Gedanken, blicken: „Wenn man am Morgen seinen Kaffee nicht trinkt, sondern über seinen Laptop schüttet, dann macht das viel wacher.“Lena Stokoff, ebenfalls aus Tübingen und eigentlich Aalenerin, von dort, wo man gerade noch so „von der Alb ra“sage und wo die Nachbarn diskutierten, wie der VfB Stuttgart am Wochenende gespielt habe, erzählte, wie sie während ihres Studiums gelernt habe, akademisch zu werden.
Begonnen hatte den Abend Maron Fuchs aus Bamberg, die, wie sie sagte, über Macht und Politik schreibe, über Liebe aber nie etwas zustande bringe. Wohl war es ihre harmonisch-melodiöse witzige Gedichtform, die den gewissen Flow mitbrachte, sich im Finale gegen Kathi Mock durchzusetzen. Letztendlich war es ihr Text über Nachhaltigkeit und über die Bienen, mit dem sie das Publikum zum „Summ, Summ, Summ“aufforderte. Denn der saß: „Summ, Summ, Summ – ich bleibe nicht mehr stumm. Fangen wir an, was zu tun und die Stimme zu erheben, damit wir und die Bienen auch in Zukunft noch leben.“
Für fast alle Slammerinnen und Slammer war es der erste Auftritt nach mehreren Monaten Zwangspause. „Ich find’s richtig süß in Günzburg“, meinte Marina Sigl und Sieger-Slammerin Maron Fuchs fügte hinzu: „Superschöne Stimmung und das Publikum war richtig mit dabei, ganz anders als in einem Theater, wo alles ganz leise ist.“Und was sagte das Publikum? Die Besucherinnen aus Günzburg und Umgebung, die gleich am ersten Tisch die Poetinnen und Poeten hautnah miterlebt hatten, waren sich einig: „Eine tolle Kulisse, mal was ganz anderes in Günzburg und so ein Slam darf gerne öfter stattfinden.“