Die besondere Magie des königlichen Spiels
Laurin Lohmann spielt Schach beim VfL Leipheim. Jetzt hat er sich für die Deutsche Jugendmeisterschaft qualifiziert. Was den 16-Jährigen an seinem Hobby fasziniert und was er sich für die Titelkämpfe vornimmt
Leipheim Was er so großartig findet am Schachspielen? Laurin Lohmann muss kurz überlegen. Keineswegs, weil er nichts zu sagen hätte. Sondern weil er möchte, dass auch ein Laie seine Antwort nachvollziehen kann. Und dann erntet er doch nur ein Stirnrunzeln, als er erwidert: „Ich habe mich sehr schnell für das Nachdenken über vielleicht auch schwierige Stellungen auf dem Brett begeistert. Daraus hat sich dann Ehrgeiz entwickelt.“Der 16-Jährige blickt in die ungewollt Skepsis verratende Miene seines Gegenübers und ergänzt: „Das klingt zunächst vielleicht langweilig. Es ist aber sehr spannend und vielfältig.“Und es ist auf jeden Fall anstrengend. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man beim Schach vor allem seine logischen Fähigkeiten ausbaut und Disziplin lernt. Drei, vier Stunden am Brett zu sitzen ist sicher vergleichbar mit einer schweren Klausur in der Schule.“
Mit flinken Fingern bewegt der Gymnasiast im Übungsraum des VfL Leipheim die Figuren übers Brett. Wer Laurin hier begegnet, sieht einen fröhlichen, schlanken 16-Jährigen, den auf den ersten und auch auf den zweiten Blick nichts von anderen Jugendlichen seines Alters unterscheidet. Dass er ein sehr guter Schüler ist, würde er niemals auf einem Tablett vor sich hertragen. Doch wer mit ihm spricht, bemerkt auch so schnell, dass er es mit einem schnell denkenden und meistens gestochen scharf formulierenden Heranwachsenden zu tun hat. Und obendrein mit einem hervorragenden Sportler. Als Fußballer ist er schon mal ziemlich gut. Und am Schachbrett sorgte Laurin im Frühjahr 2021 für einen Riesenerfolg in der an Höhepunkten reichen Geschichte der Talentschmiede VfL Leipheim. Dank seines dritten Platzes bei den Bayerischen Meisterschaften darf er nun in der Altersklasse U16 bei den nationalen Titelkämpfen mitmischen. Die Bretter werden vom 22. bis 30. August in Willingen im Sauerland aufgestellt. Was da rausspringen kann für ihn? „Realistisch finde ich, dass ich noch nicht das Potenzial habe, vorne mitzuspielen. Aber mein Ziel ist, im Mittelfeld zu landen. Und eine solide Leistung abzurufen.“
Weit mehr als moralische Stütze bei den Meisterschaften wird sein älterer Bruder Dominik Lohmann sein. Er war es auch, der den damals noch ziemlich kleinen Laurin zum Schachspielen mitnahm. Zunächst übte der knapp jenseits der Landesgrenze in Württemberg lebende Bub in der Grundschule, schnell landete er beim VfL Leipheim. Und er blieb. Auch, weil er bis heute klare Lernfortschritte bemerkt und sich vereinsintern immer wieder neuen Herausforderungen stellen kann. „Mein Bruder spielt besser als ich und es gibt hier in Leipheim auf jeden Fall auch Erwachsene, die mir überlegen sind. Zudem ist das Training hier allen Spielstärken angepasst.“
Für den Laien ist vor allem das Tempo beeindruckend, in dem Laurin die Figuren setzt. Er tut es scheinbar, ohne nachzudenken und der Gymnasiast versichert auch, dass jeder, wirklich jeder Mensch lernen kann, einigermaßen Schach zu spielen. „Wenn er oder sie ein bisschen Zeit investiert und Interesse mitbringt, ist es gar nicht schwer, gut oder sogar sehr gut zu werden“, sagt der 16-Jährige und er erwähnt auch, es gebe haufenweise Beispiele von Leuten, die erst spät den Weg zum königlichen Spiel gefunden hatten und zehn Jahre später in der Weltspitze mitmischten. Worauf der junge Mann mit lächelnder Miene doch den Zusatz anfügt, dazu gehöre „vielleicht auch Talent“.
Das besitzt er im Übermaß. Doch im Schach wie im richtigen Leben verkümmert selbst das größte Talent ohne konsequentes Training. Laurin hat das früh verinnerlicht. Stunden über Stunden grübelt er allein über den unterschiedlichsten Stellungen. Das weiß-schwarze
Brett mit seinen 64 Feldern bietet ja milliardenfach Konstellationen und nach seiner Einschätzung existieren genügend Elemente im Schachspiel, die man jederzeit verbessern kann. „Bei der Eröffnung zum Beispiel gibt es immer Potenzial. Dabei kann man sein schachliches Verständnis steigern, das wird einem nie langweilig.“
Mit Eröffnung sind maximal die ersten elf, zwölf Züge einer Partie gemeint. Schon hier gleiche kaum ein Spiel dem anderen, selbst wenn sich einzelne Varianten mit den Jahren wiederholen, berichtet der Jugendliche. Und wenig später, so ab dem 16. Zug, „habe ich zumindest noch nie eine vollkommen identische Partie auf dem Brett gehabt.“
Was Laurin manchmal ärgert, ist das Bild, das sich manch Außenstehender von Schachspielern macht.
Weit verbreitet findet er das Stereotyp, Schachspieler seien vergeistigt, schrullig, auf jeden Fall irgendwie merkwürdig. Was der 16-Jährige „sehr schade“findet. „Ich würde mich als ganz normalen Jungen bezeichnen, der ein Hobby gefunden hat, das ihm sehr viel Spaß macht und in das er Zeit investiert. Und weil er das tut und weil es ihm Spaß macht, sind die Erfolge gekommen.“
Andreas Biedenbach, Schach-Abteilungsleiter des VfL Leipheim, hört solche Worte natürlich gerne. Sie spiegeln auch seine persönliche Sicht der Dinge. Auf die Frage, wie man so viele überwiegend junge Menschen – 50 aktive Spieler stellen die Güssen – bei der Stange hält, fasst er sich kurz: „A: mit Erfolg. Und B: mit dem Team. Und dann läuft’s halt irgendwie.“