Hier sind neue Lebensräume entstanden
Natur Beim Kraftwerk in Offingen hat die LEW Wasserkraft einen Damm auf einer Länge von 500 Metern ökologisch saniert. Was mit dem Pilotprojekt erreicht wurde
Offingen Unterschiedlicher könnten die beiden Uferbereiche der Donau vor der Offinger Staustufe nicht sein: Während flussabwärts an der rechten Seite kahle Betonmauern aus dem Wasser ragen, sind auf der gegenüberliegenden Seite, auf der der Donau-Radweg verläuft, naturnahe Uferstrukturen entstanden: wertvolle neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Dort herrscht Leben, angefangen vom Quaken der Frösche über die zahlreichen Wasservögel, die sich dort tummeln, bis hin zu den kleinen Fischen, die im flachen Wasser umherwuseln. Dahinter steckt ein besonderes Projekt.
„INADAR“, so lautet die Bezeichnung dieses Pilotprojekts der LEW Wasserkraft und steht für „innovative approach for dam restoration“. Auf Deutsch heißt das: Innovativer Ansatz der Damm-Wiederherstellung. Ziel war es, mit dem Kraftwerkseigentümer Obere Donau Kraftwerke AG (ODK) und weiteren Projektpartnern zum einen den Hochwasserschutz zu verbessern und zum anderen dabei gleichzeitig die Flusslandschaft ökologisch aufzuwerten. Auf einer Länge von jeweils 500 Metern wurden sowohl bei der Staustufe in Offingen als auch an einem weiteren Standort bei Oberelchingen sogenannte ÖkoBermen errichtet.
Die EU hat sich an den für die beiden Maßnahmen veranschlagten Kosten in Höhe von 1,4 Millionen Euro mit 655.000 Euro beteiligt, der restliche Betrag übernahm die ODK als Eigentümerin der Kraftwerke an der oberen Donau. Projektkoordination und Bau erfolgten durch die LEW Wasserkraft als Betreiberin. „Wasserkraft und Ökologie sind kein Widerspruch“, erklärt Ralf Klocke, Leiter Asset-Management bei der LEW Wasserkraft und verantwortlich für das Projekt. Man habe mit diesem die Symbiose aus beidem geschaffen – ein technisches Problem zu lösen und gleichzeitig eine ökologische Verbesserung zu erzielen.
Was genau ist an der Staustufe bei Offingen passiert? Bei einer ÖkoBerme entsteht der Platz für den Hochwasserschutz im Uferbereich und damit im Wasser und nicht auf der Landseite. Bei herkömmlichen Verfahren wäre ein Eingriff in die angrenzenden Donauauwälder erforderlich gewesen – in Flächen, die nicht nur erworben, sondern auch hätten werden müssen. Im ersten Bauabschnitt wurde der Damm auf der Wasserseite mit einer Bentonit-Wurzelschutzmatte versehen – als Schutz- und Dichtungsfunktion.
Anschließend wurden Kies und Sedimente aufgeschüttet. Der zweite Bauabschnitt beinhaltete die Durchführung der ökologischen Maßnahmen: Mit Totholz, Wurzelmaterial, Kies und Wasserbausteinen entstanden naturnahe Strukturen, Habitate und Rückzugsgebiete. Transporte von zusätzlichem Material entfielen damit größtenteils, nachdem auf das bereits vorhandene zurückgegriffen und auf in seiner Herstellung energieintensiven Beton weitgehend verzichtet wurde. 2018 waren die Maßnahmen abgeschlossen.
Was ist seitdem passiert und wie hat sich der 500 Meter lange Bereich nach vier Jahren entwickelt? Kern
war ein intensives ökologisches und technisches Monitoring mit dem Ergebnis: Die Stabilität der Dämme und damit auch der Hochwasserschutz sind in selbem Maße gewährleistet wie bei herkömmlichen Methoden. Der Bau in das Wasser bringt keine Nachteile für den Abfluss der Donau – sie sucht sich den Platz dafür in der Mitte des Flussbetts. Sedimente lagert sie in den Uferbereichen ab oder nimmt sie gleich ganz mit. Im Gesamten wurde die Dammkrone um gut zwei Meter breiter. Eine Dammerhöhung ist dadurch ohne Weiteres und ohne zusätzliche Eingriffe in die Landseite möglich.
Vor allem die ökologische Bilanz kann sich sehen lassen: Sebastian Blaß vom Aueninstitut in Neuburg an der Donau berichtet von einer bis zu Verachtfachung der Fischpopulation in diesem Abschnitt. Mit der Schaffung flacher und strömungsausgeglichen freier Uferbereiche sind Rückzugsgebiete für Jungfische entstanden, es gibt vermehrt Barben, Bitterlinge, Stichlinge und sogar einzelne Neunaugen. Das Entstehen verschiedener Strukturen bedeutet gleichzeitig das Entstehen von Biodiversität, was sich in der Ernährungspyramide widerspiegelt – sowohl in der Tierwelt als auch in der Vegetation mit inzwischen nachgewiesenen gefährdeten Pflanzenarten, die zuvor kaum mehr vorgekommen waren. Offingens Bürgermeister Thoma Wörz betont: „Mit der Sanierung und der ökologischen Aufwertung des Damms wurde die Donau an dieser Stelle zugänglich und erlebbar. Die neu entstandenen Lebensräume sind eine Bereicherung und machen sie noch attraktiver.“
Vor Kurzem wurde das Projekt mit 15 anderen von einer Fachjury für die „Life Awards 2021“der EU nominiert und unter die Top-Fünfelement
Projekte in der Kategorie Umwelt gewählt. „Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, erklärt Ralf Klocke. „Das Monitoring war ein wichtiger Bestandteil des Pilotprojektes, um Erkenntnisse über das Verfahren zu gewinnen und dieses bei anderen Staustufen einzusetzen“, so Fachingenieur Lars Leifeld. Ein weiterer Punkt ist der Vorbildcharakter für andere Flussstrecken: Ziel des Projektes ist unter anderem, das Verfahren auf vergleichbare Flüsse zu übertragen und Handlungsempfehlungen auszusprechen. Europaweit eigneten sich mehrere 1000 Kilometer Flussstrecke für das ökologische Dammsanierungsverfahren, heißt es in einer Presseinformation der LEW Wasserkraft. Ralf Klocke betont: „Der Klimawandel bringt neue Herausforderungen mit sich. Wir bereiten uns darauf vor und INADAR ist eine Antwort dafür.“