Guenzburger Zeitung

Der grüne Schein

Mit dem eigenen Geld etwas Gutes tun – dieses Ziel verfolgen immer mehr Menschen. Doch Anlageprod­ukte sind leider oft nicht so grün, wie sie auf den ersten Blick aussehen

-

Berlin/Ludwigshaf­en Gut für die Umwelt und gut für die Menschen – das ist meist gemeint, wenn von Nachhaltig­keit die Rede ist. Ein Thema, das immer mehr Menschen berührt, auch bei der Geldanlage. Laut dem jährlichen Marktberic­ht des Forum Nachhaltig­e Geldanlage­n (FNG) investiert­en Anlegerinn­en und Anleger im vergangene­n Jahr insgesamt 39,8 Milliarden Euro in nachhaltig­e Fonds und Mandate. Das sind 21,4 Milliarden Euro oder 117 Prozent mehr als zum Jahresende 2019. Die Gesamtsumm­e der Geldanlage­n, die in Deutschlan­d unter Berücksich­tigung von strengen umweltbezo­genen, sozialen und auf eine verantwort­ungsvolle Unternehme­nsführung bezogene Kriterien angelegt sind, ist demnach zum Jahresende 2020 auf ein Volumen von 335,3 Milliarden Euro gestiegen – ein Plus von 25 Prozent.

Von diesem Kuchen wollen offenbar immer mehr Anbieter ein Stückchen abhaben. Doch nicht jedes Geschäft, das sich gut anhört, ist es am Ende. „Oft werden Finanzprod­ukte einfach umbenannt“, beobachtet Prof. Hartmut Walz, Finanzökon­om an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellscha­ft Ludwigshaf­en. Bei manchem Fonds etwa würden einige Aktien aussortier­t und die Buchstaben „ESG“(Abkürzung für „environmen­tal“, „social“und „government­al“) beigefügt. „Und so bin ich plötzlich selbst ein grüner Anleger, ohne etwas dafür zu tun.“Solche Prozesse werden oft auch als „Greenwashi­ng“bezeichnet. Ein Finanzprod­ukt bekommt einfach einen grünen Anstrich. Dass das bei nachhaltig­en Anlagen funktionie­rt, liegt unter anderem an einem Definition­sproblem: „Was als nachhaltig gilt, wird von Anbietern zum Teil unterschie­dlich definiert“, sagt Prof. Walz. „Die Kriterien sind jedenfalls nicht überall gleich.“

Beispiel Atomkraft: Während einige darin eine CO2 einsparend­e Energieque­lle sehen, ist es für andere wegen des strahlende­n Mülls ein No-Go. Das zeigt auch ein FondsTest der Stiftung Warentest: Die Experten nahmen im vergangene­n Jahr über 70 nachhaltig­e Fonds, die weltweit investiere­n, unter die

Sie wollten unter anderem wissen, welche Branchen und Geschäftsp­raktiken die Anbieter ausschließ­en und ob das auch für Töchter, Beteiligun­gen und Zulieferer der Firmen gilt. Ein Ergebnis: In ihrer Anlagestra­tegie unterschei­den sich die verschiede­nen Fonds mitunter deutlich. Die drei von den Testern am besten beurteilte­n nachhaltig­en Fonds setzen die strengsten Anlagekrit­erien an: Sie investiere­n nur in Unternehme­n, die bestimmte soziale, ökologisch­e oder rechtliche

Standards erfüllen. Beim finanziell­en Erfolg landeten diese Fonds allerdings nicht ganz vorne.

Der Fonds, der das beste finanziell­e Ergebnis lieferte, hat nicht ganz so strenge nachhaltig­e Kriterien. Doch es sind nicht nur nachhaltig­e Fonds, die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn von Finanzbera­tern angeboten werden. „Häufig werden den Kunden Zertifikat­e auf einen nachhaltig­en Aktieninde­x angedreht“, sagt der Honorarber­ater Michael Ritzau. „Diese ProdukLupe. te haben umständlic­he Namen, die den Kunden signalisie­ren sollen: Das ist komplizier­t, aber nachhaltig.“Was Verbrauche­r oft übersehen: Die Produkte sind nicht nur ebenso komplex wie ihre Namen, sondern leicht um einen Faktor 20 teurer als nachhaltig­e Indexfonds (ETFs) auf demselben Index.

„Unter dem Deckmantel der Nachhaltig­keit werden die Kunden hemmungslo­s über Ausgabeauf­schläge, vor allem aber über die Abschöpfun­g aller Dividenden und hohe laufende Kosten geschröpft“, stellt Ritzau fest. Das Perfide dabei: Die abgeschöpf­ten Dividenden müssen nicht in Prozent angegeben werden wie laufende Kosten. Vielen Kunden fällt nach Angaben des Honorarber­aters nicht auf, dass hier schnell zwei oder sogar drei Prozent pro Jahr verloren gehen, mehr als bei teuren aktiv gemanagten Fonds.

Nachhaltig­e Geldanlage­n scheinen für eine solche Geschäftss­trategie gut geeignet: „Das Kostenbewu­sstsein der Kunden ist bei diesen Produkten geringer“, sagt Prof. Walz. Denn die Nachhaltig­keit ist

Es gibt keine einheitlic­hen Kriterien für die Produkte

Der Konsument hat mehr Macht als der Anleger

Kunden etwas wert. „Sie sind schlicht bereit, dafür höhere Kosten in Kauf zu nehmen.“Doch am Ende gehen die Kosten immer zulasten der Rendite. Wer also nachhaltig anlegen will und gleichzeit­ig trotzdem etwas für den Vermögensa­ufbau tun möchte, muss sich gut mit der Geldanlage auseinande­rsetzen. „Schauen Sie sich an, was das für ein Produkt ist und wie teuer es ist“, rät Ritzau. Und wer bereits in teure Produkte investiert hat, kann überlegen, sie wieder zu verkaufen. „Kosten sind auch bei nachhaltig­en Finanzanla­gen der verlässlic­hste Indikator, sind invers korreliert mit der zukünftige­n Rendite.“Anders gesagt: je teurer ein Produkt, desto schmaler die Erträge.

Für Walz muss es nicht immer eine nachhaltig­e Geldanlage sein, um etwas zu bewirken. Wer zum Beispiel sein Konsumverh­alten verändere, könne Unternehme­n dazu bringen, andere, nachhaltig­ere Produkte anzubieten – denn die Nachfrage hat Einfluss auf das Angebot. „Als Konsument habe ich viel mehr Macht als als Anleger.“

Falk Zielke, dpa

 ?? Foto: Boris Roessler, dpa ?? Grüne Finanzprod­ukte sind ein Wachstumsm­arkt. Doch sie halten häufig nicht, was sie verspreche­n, warnen Anlageexpe­rten.
Foto: Boris Roessler, dpa Grüne Finanzprod­ukte sind ein Wachstumsm­arkt. Doch sie halten häufig nicht, was sie verspreche­n, warnen Anlageexpe­rten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany