Für die günstigen Kleinen wird es eng
Die Abgasnachbehandlung wird immer teurer und E-Antriebe treiben ebenfalls die Preise hoch. Stehen die Winzlinge gar vor dem Aus?
Neuwagen für weniger als 10 000 Euro und Kleinwagen, die in jede Parklücke passen? Was heute die Budgets insbesondere von jungen Menschen, Fahranfängern und die staugeplagten Innenstädte entlastet, könnte schon bald Geschichte sein. Denn um Verbrenner für künftige Schadstoffnormen zu wappnen oder dem Trend zur Elektrifizierung zu folgen, müssen Hersteller so viel Geld in die Autos stecken, dass Kleinwagen deutlich teurer werden und deshalb weitgehend vom Markt verschwinden könnten.
„Eine Umsetzung der diskutierten EU7-Szenarien wäre nur mit tiefgreifenden technischen Maßnahmen möglich, die aufwendig und damit sehr kostenintensiv sind“, sagt Frank Welsch als Qualitätschef des VW-Konzerns. Er blickt auf die nächste Stufe der europäischen Abgasnormen, die gerade für Mitte des Jahrzehnts diskutiert und definiert werden. Mildhybride, wie sie zumindest von der Mittelklasse aufwärts bereits Standard sind und so langsam in die Kompaktklasse diffundieren, würden da kaum reichen.
Um tatsächlich auf die geforderten CO2-Werte zu kommen, müssten deutlich stärkere E-Motoren und größere Pufferakkus eingebaut werden. Von einer erweiterten Abgasnachbehandlung im Kampf gegen Stickoxide und Kohlenmonoxid ganz zu schweigen. „Das würde die meisten Fahrzeuge deutlich verteuern“, ist Welsch überzeugt und befürchtet, dass dieser Aufpreis im besonders sensiblen Segment der Kleinwagen für viele nicht mehr tragbar wäre.
„Erschwingliche Einstiegsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor würden damit definitiv der Vergangenheit angehören“, sagt Welsch. Sein Chef Herbert Diess wird da sogar noch deutlicher: Einem Nachfolger für den Kleinwagen Up hat er bereits eine Absage erteilt und selbst hinter den Polo macht er ein dickes Fragezeichen.
Nicht ohne Grund, sagt Professor Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch GladEinen bach. Je günstiger ein Fahrzeug ist, desto höher fällt der zusätzliche Anteil der Kosten für die verbesserte Abgasreinigung aus. Und desto schwieriger werde es sein, diese Kosten an die Kunden weiterzugeben, so der Automobilwirtschaftler. In der Oberklasse und im Premiumsegment schlage das anteilig nicht so stark zu Buche und könne besser refinanziert werden. „Doch kleinere Autos sind dann praktisch unverkäuflich und dürften eingestellt werden.“Ganz so weit geht Andreas Radics vom Strategieberater Berylls in München zwar nicht, doch erwartet auch er dramatische Veränderungen im Angebot: Die Modellauswahl werde deutlich dünner ausfallen und die Generationsfolge werde verzögert: „Verbleibende Modelle werden nur dann weiter zum Programm gehören können, wenn ihre Modell-Laufzyklen erheblich verlängert werden, damit sich die Entwicklungskosten amortisieren.“
Aber selbst wenn es weiterhin kleine Autos geben sollte, dürften die nach Ansicht vieler Experten deutlich teurer werden: CO2-Reduktion gibt es nicht zum Nulltarif, so die Position des Branchenverbandes VDA. Und weil die Autohersteller solche Kosten für gewöhnlich an die Kunden weitergeben, werden die für Polo & Co tiefer in die Tasche greifen müssen.
Von den hohen Preisen für elektrische Kleinwagen ganz zu schweigen. Ohne Förderung kostet schließlich ein relativ mager bestückter Opel Corsa E mit 29900 Euro so viel wie ein gut ausgestatteter Astra. Und für die 22600 Euro eines Smart Forfour EQ bekommt man bei VW zwei Klassen darüber auch einen Golf.
Zwar wird der Druck auf die kleinen Autos offenbar immer größer, doch so ganz vom Markt werden sie wohl nicht verschwinden. Nicht umsonst hat zum Beispiel Toyota die Entwicklung eines neuen Aygo angekündigt. Der bereits enthüllte Aygo X Prologue nimmt als Studie das künftige Design bereits vorweg. Skoda kontert die Skepsis des VWKonzernchefs mit einer Neuauflage für den Polo-Verwandten Fabia.
Und die Billigmarke Dacia will mit dem Spring den Beweis antreten, dass auch der Trend zur Elektrifizierung nicht zwangsweise zu größeren und teureren Autos führen muss. Der Viersitzer misst gerade mal 3,73 Meter. Und für einen konventionellen Kleinstwagen mag er mit 20490 Euro zwar teuer sein. Aber unter den Stromern ist er aktuell das günstigste Großserienmodell am deutschen Markt.
Auch die ersten deutschen Hersteller haben bereits ihren Weg aus der Zwickmühle eingeschlagen – und bedienen sich dabei chinesischer Hilfe: Eine günstige Entwicklung, ein kostenbewusster Einkauf und eine preiswerte Produktion im Fernen Osten sollen die nächste Generation von Kleinwagen auch mit Elektroantrieb bezahlbar halten, wie die Hersteller ausführen.
Thomas Geiger, dpa