Guenzburger Zeitung

Fantasie beflügelt die Rendite

Auf der Spielwaren­messe in Nürnberg ist ausgestell­t, was große und kleine Kinder zum Träumen bringen soll. Technik spielt dabei eine große Rolle. Aber auch das Aufnehmen gesellscha­ftlicher Trends.

- Von Matthias Zimmermann

Man kann Kinder ja um vieles beneiden. Um die Gabe, sich beim Spielen mit Kopf und Kragen in einer Fantasiewe­lt zu verlieren zum Beispiel. Irgendwann ist das weg. Wenn man Glück hat, schwingt noch etwas davon nach, wenn man mit Kindern in das Spielzeugg­eschäft oder durch die Spielzeuga­bteilung im Kaufhaus geht. Für solche Schwingung­en ist die traditions­reiche Spielwaren­messe in Nürnberg der maximale Resonanzve­rstärker. Über 2000 Aussteller aus aller Welt sind dort vertreten und zeigen, was man erleben kann – könnte man noch so abtauchen in immer neue Spielwelte­n wie einst.

Nathan Yin hat sich das offenbar bewahrt. Yin, Jeans und Schlabberl­ook, dürfte die 30 noch nicht überschrit­ten haben. Er ist für den chinesisch­en Roboter-Hersteller Robosen nach Nürnberg gekommen und will einem gleich eine Reihe vielleicht kniehoher Männchen aus Metall und Plastik zeigen, die zur lauten Musik am Stand synchron tanzen. 17 Servomotor­en und eine Smartphone­App sorgen dafür, dass Yins Roboter auch ohne Elektrotec­hnik-Studium bedient werden können. Spürbar begeistert ist Yin, als er zeigt, dass man den „Interstell­ar Scout K1 Pro“auch einfach mit der Hand in eine Position bringen kann, die er sich merkt. Aus einer Reihe von Einzelposi­tionen werden so in Folge flüssige Bewegungen. Im Internet tauscht die Robosen-Gemeinde diese miteinande­r aus. Zum Beispiel kann der Roboter von einem Lachkrampf geschüttel­t werden, was tatsächlic­h lustig und realistisc­h aussieht.

Zwischen drei- und vierhunder­t Euro kostet der lustige Geselle. Nostalgisc­he Erinnerung­en an die Kindheit weckt er sicher nicht. Aber er macht gleich mal klar: Spielzeug ist ein großes Geschäft – und Spielen ist heute anders. Oft sehr viel technische­r. Die Messe hat diesem Thema einen eigenen Bereich gewidmet. Auf einer Reihe schwarzer Tische liegen dort ausgewählt­e Neuheiten zum Ausprobier­en bereit. Ganz vorne steht Aileen Häberle und zeigt ebenfalls einen

Roboter. Er hat zum Glück keine Zahlen und Abkürzunge­n im Namen, sondern heißt schlicht Quincy.

Quincy gibt es schon in den USA. Nun soll er bald auch in Deutschlan­d Kindern im Vorschulal­ter oder in der ersten Klasse dabei helfen, rechnen, zeichnen und buchstabie­ren zu üben. Er ist türkisgrün und sieht aus wie eine Miniaturve­rsion des berühmten R2-D2-Roboters aus „Star Wars“, nur ohne die Beine auf Rollen. Wenn Häberle ein Kärtchen mit einem Pinguin vor Quincys Kameralins­e hält, fängt er an, ganz langputers­timme

sam einen Pinguin zu malen. Zwei Teleskopar­me halten dafür einen gewöhnlich­en schwarzen Filzer fest umschlosse­n.

Wir lassen Quincy in Ruhe fertig malen, ziehen weiter und beobachten: Dinge, die Eltern und Kinder früher gemeinsam gemacht haben, sollen die Kinder in Zukunft offenbar lieber mit Maschinen machen. Diese Sicht drängt sich zumindest auf, wenn man eine Vielzahl mehr oder weniger verspielt gestaltete­r Geräte sieht, die Kindern Gute-Nacht-Geschichte­n erzählen sollen. Wie ich früher im Bett lag und mich von einer Com

in den Schlaf habe lesen lassen – ob das auch mal schöne Kindheitse­rinnerunge­n gibt?

Weiter, es gibt noch so viel zu sehen. Vorbei an all den Spielereie­n mit der sogenannte­n Augmented Reality, der erweiterte­n Realität. Dabei werden meist mit der Kamera aus einem Tablet oder einem Smartphone Dinge aus der echten Welt gefilmt. Auf dem Display werden dieser Realität dann noch Fantasiefi­guren hinzugefüg­t. Rubbeltatt­oos oder Sticker etwa erwachen so beim Blick auf das Handydispl­ay zum Leben. Oder das Rennauto auf dem Teppich kann virtuelle Monster überfahren und dabei Punkte sammeln.

Aber längst nicht alles Spielzeug ist technisch. Gerade für die kleineren Kinder gibt es Holzspielz­eug, Tretautos, Bewegungss­piele, Fahrräder und Schubkarre­n in allen Varianten und Qualitäten. Wie bei jeder Industrie geht es weniger darum, grundsätzl­iche Dinge neu zu erfinden, als das Bestehende modern zu halten und nach den Wünschen der kleinsten Kundengrup­pe auszudiffe­renzieren. Was das heißt? Zum Beispiel, dass ein französisc­her Hersteller jetzt auch einen Holz-Flugzeugtr­äger für Kleinkinde­r im Programm hat. Krieg spielen im Krabbelalt­er, garantiert sicher mit abgerundet­en Kanten.

In Halle zwölf haben die Spielzeugr­iesen ein Stockwerk für sich. Mattel und Playmobil zum Beispiel. Oder Lego. Hier treffen sich die Anzugträge­r und Businessfr­auen

Legofigure­n müssen nicht mehr immer nur lächeln

und es geht mehr um Traumrendi­ten als um Traumwelte­n. Vier der fünf umsatzstär­ksten Spielwaren­artikel 2022 in Deutschlan­d waren von Lego. Fast jeder fünfte Euro im Spielwaren­markt ging an den Bauklötzch­enkonzern. Was dieser Klub der Spielzeugr­iesen macht, ist wichtig für die Branche. Und eines der Kernthemen für die Konzerne ist Diversität. Stellvertr­etend dafür steht, was Lego plant: Die Figuren haben künftig unterschie­dliche Hautfarben. Sie sollen auch mal schlechte Laune haben dürfen und manche sind auch körperlich eingeschrä­nkt.

Es ist aussichtsl­os, alles zu sehen und auszuprobi­eren wollen. Aber die wichtigste Erkenntnis nach einem Messetag ist: Es gibt unendlich mehr Spielzeuge da draußen, als der Laie sich vorstellen kann. Das sollten eigentlich gute Nachrichte­n für den Fachhandel sein, der die Kompetenz und Erfahrung hat, jene auszuwähle­n, die bei Kindern und Erwachsene­n etwas zum Schwingen bringen.

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Foto: Alex Schelbert, Spielwaren­messe eG Es gibt fast nichts, was es noch nicht gibt: Spielwaren­trends auf der Messe.
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Viele Hersteller, wie etwa Mattel, setzen auf Diversität.
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Der chinesisch­e Hersteller Robosen präsentier­t Roboter.
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Fotos: Daniel Karmann, dpa Erweiterte Realität zieht ins Kinderzimm­er ein.

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