Warum es Windräder in Bayern schwer haben
Der Unternehmer Heinrich Gärtner aus Buttenwiesen verdient seit Jahren europaweit sein Geld mit Erneuerbaren Energien. Er erklärt, was in Bayern bei der Windkraft falsch läuft.
Herr Gärtner, wie viele Windräder hat Ihr Unternehmen im vergangenen Jahr gebaut und wie viele davon in Bayern?
Wir haben vergangenes Jahr sieben gebaut, in Bayern haben wir tatsächlich keines hinbekommen. Damit sind wir aber nicht allein. In ganz Bayern wurden vergangenes Jahr nur sieben Windräder gebaut, in Deutschland waren es 745.
Woran liegt das? Die sogenannte Zehn-H-Regel in Bayern, die Windräder auf Abstand zu Ortschaften halten soll, wurde doch aufgeweicht.
Aber sie wirkt immer noch nach. Wir sind dran, in Bayern einiges umzusetzen, aber die Genehmigungsverfahren sind sehr aufwendig, etwa die Abstimmungsrunden mit den Kommunen.
Am Wochenende hat das größte bayerische Windkraftprojekt bei Altötting in einem Bürgerentscheid eine Niederlage erlebt. Hat die Windkraft in Bayern nicht nur ein genehmigungsrechtliches Problem, sondern auch ein Imageproblem?
Jein. Erstens: Einen wirklichen Hochlauf der Windkraft erleben wir in Bayern noch nicht. Hier hat man im Grunde nur die Waldflächen für den Bau von Windrädern geöffnet. Das ist nicht das einfachste Gebiet für diese Vorhaben, und darum entwickelt es sich etwas zäher, als im Rest von Deutschland. Dort geht es deutlich leichter.
Was ist die Ursache für diesen Unterschied?
Gärtner: Das liegt zunächst einmal an der Politik. Zehn-H schließt nach wie vor ganz viele Flächen aus. Um die verbleibenden Waldflächen bemühen sich dann viele Investoren, die sich mit den Waldbesitzern einigen müssen. Bei den Bayerischen Staatsforsten läuft das über Ausschreibungen. Das kostet erstens Zeit, und zweitens legten die Staatsforsten bei der ersten Runde dieser Ausschreibungen großen Wert auf hohe Pachterlöse. Bei dem Gebiet bei Altötting war das auch so. Damit werden bei der Vergabe dann andere Aspekte außer Acht gelassen, die wir gerne berücksichtigt sehen würden. Und das führt zum zweiten Teil Ihrer Frage ...
... ob es in Bayern in der Bevölkerung größere Vorbehalte gegen die Windkraft gibt.
Gärtner: Das ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Natürlich löst eine Veränderung des Landschaftsbildes, des gewohnten Umfeldes, bei den Menschen zuerst einmal Skepsis aus. Das ist völlig normal. Deswegen ist die regionale Wertschöpfung wichtig, dass die
Kommunen, Bürgerinnen und Bürger sowie die Handwerksbetriebe vor Ort auch etwas davon haben, wenn wir dort etwas machen. Das ist genau der Aspekt, dessen Berücksichtigung wir uns in einer zweiten Ausschreibungsrunde erhoffen. Die Menschen vor Ort sollen von einem Windrad profitieren, beispielsweise, indem ein Teil des Stroms in Wärme umgewandelt und ein Wärmenetz errichtet wird. Oder durch die Umwandlung des Stroms in Wasserstoff, der dann vor Ort vermarktet und genutzt werden könnte. So blieben die Energie und die Wertschöpfung in der Region. Generell aber sehen wir in Bayern keine ablehnende Haltung gegen erneuerbare Energien, auch nicht gegen Windenergie. Wenn man den Menschen glaubhaft erklären kann, dass sie auch etwas davon haben, dann reagieren die Bayern auch nicht anders als etwa die Niedersachsen.
Bringen die Kümmerer was, die Windprojekte voranbringen sollen?
Gärtner: Das ist ein sehr positiver Ansatz. Uns fehlen in Bayern einfach einige Jahre Erfahrung mit Windkraft. Auch die Genehmigungsbehörden müssen da einiges lernen.
Jetzt könnte man ja sagen, in Bayern erzeugen wir den Ökostrom mit Fotovoltaik und Wasserkraft und lassen uns den Windstrom liefern. Was halten Sie von dieser Strategie?
Das halte ich für ziemlich gefährlich für die bayerische Wirtschaft. Es ist richtig, dass wir im Sommer in Bayern dank Fotovoltaik viel Strom haben. Aber im Winter bräuchten wir Windkraft, und die fehlt. Und die Leitungen für den Windstrom aus dem Norden haben wir auch nicht. Was derzeit gebaut wird, wird auch nicht reichen. Außerdem dauert es Jahre, bis die Leitungen stehen. Es ist viel schneller und besser, wenn wir hier selbst etwas unternehmen.
Im Sommer haben Sie mit dem Gersthofer Fahrzeughersteller Quantron ein Projekt mit einem Volumen von rund 270 Millionen Euro vorgestellt. An mehreren Standorten in Schwaben soll zukünftig grüner Wasserstoff aus Wind- und Solarstrom gewonnen werden, der rund 50 Busse und 200 Lastwagen antreibt. Die bei der Wasserstoffproduktion erzeugte Abwärme soll in Nahwärmenetze fließen. Wie weit ist das Projekt?
Bei der Energiewende geht es ja nicht nur um Strom allein. Der macht ungefähr 22 Prozent des Energiebedarfs aus. Wir wollen mit diesem Projekt auch die anderen Bereiche Mobilität und
Heizen erreichen. Die Pläne sind schon sehr weit, für die Umsetzung brauchen wir aber eine Anschubfinanzierung. Doch das ist schwierig, seitdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Finanzpläne des Bundes gekippt hat.
Die Rede war von 150 Millionen Euro Anschubfinanzierung.
Das hängt von der Größe ab. Mit 100 Millionen Förderung könnten wir auch einiges auf die Beine stellen. Wir könnten es umsetzen und es würde sich langfristig rechnen, aber es fehlen die Förderprogramme.
Die dafür nötigen Windräder in Schwaben könnten Sie auch bauen?
(lacht) Da bin ich sehr zuversichtlich.
Der Ökostrom-Unternehmer Heinrich Gärtner drückt es im Interview mit unserer Redaktion noch halbwegs freundlich aus, der bayerische Gemeindetagspräsident Uwe Brandl war da vergangene Woche schon unverblümter. Das Vergabefahren der Staatsforsten sei mit daran schuld, dass Bayerns größtes Windkraftvorhaben bei Altötting eine Schlappe erlitten hat. Weil der Staat zu viel Geld gewollt habe, sei für die Interessen der Anrainer zu wenig übrig geblieben. Inzwischen entzweit die Frage, wer es genau verbockt hat, die Regierungskoalition. CSU und Freie Wähler werfen sich wechselseitig vor, zu wenig für das Projekt getan zu haben. Ob die Staatsregierung so das selbst ausgerufene Ziel von 1000 neuen Windrädern in den nächsten sechs Jahren erreichen wird, darf man bezweifeln. Vergangenes Jahr wurden ganze sieben gebaut. Bayern hat auf dem Weg zur Energiewende wertvolle Zeit verplempert. Gerade für die Windkraft waren die vergangenen zehn Jahre eine verlorene Zeit und auch beim Bau von Stromleitungen könnte man weiter sein. Quasi auf den letzten Drücker hat sich die Staatsregierung für eine weitere Stromtrasse nach Bayern starkgemacht, die wohl in Unterfranken enden und nicht zuletzt Schwabens Industrie versorgen soll. 2040 soll, so haben es CSU und Freie Wähler beschlossen, der Freistaat klimaneutral sein. Wenn es auf dem Weg dorthin beim bisherigen Tempo bleibt, dann ist diese Ankündigung nur eines: heiße Luft.