„Keinen Kopf für Genderdebatte“
Das Gendersternchen ist in Bayerns Behörden, Hochschulen und Schulen ab April Geschichte. Menschen und Behörden im Landkreis haben dazu unterschiedliche Meinungen.
Günzburg Schüler*in, Schüler:in, Schüler_in. Diese Schreibweisen wird man in Elternbriefen bayerischer Schulen ab April nicht mehr sehen. Grund dafür ist eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern, die am 19. März verabschiedet wurde. Darin ist nun festgelegt, dass im gesamten dienstlichen Schriftverkehr von Schulen, Hochschulen und Behörden keine Sonderzeichen mehr zur Geschlechterumschreibung verwendet werden dürfen. Vom Genderverbot betroffene Einrichtungen im Landkreis haben verschiedene Ansichten zu der neuen Vorschrift.
„In unserer Behörde hat man sich schon immer an die Empfehlungen des Rechtsschreibrates gehalten“, erklärt Thomas Schulze, der Direktor des staatlichen Schulamts im Landkreis Günzburg. So hätten sie in ihren Schreiben stets männliche und weibliche Form genutzt oder seien, wenn möglich, auf geschlechterneutrale Formen, wie „Lehrkraft“ausgewichen. Deshalb und weil es sich dabei nur um eine „Klarstellung“handele, ändere die neue Dienstvorschrift für das Schulamt nicht viel.
Schulze ist der Auffassung, dass gewisse sprachliche Varianten – das heißt, mit Sonderzeichen gegenderte Formen – tatsächlich nicht so leicht lesbar und verständlich sind. Dabei denkt er vor allem an Menschen mit Migrationshintergrund, die die deutsche Sprache noch nicht so gut beherrschen. Aus dieser Sicht sei Gendersprache „nicht barrierefrei“erläutert Roland Grimm. Er ist Lehrer an der Mittelschule in Leipheim sowie der Vorstandsvorsitzende des BLLV KV Günzburg – kurz für den Kreisverband des Bayerischen Lehrerund Lehrerinnenverbandes. Er führt aus, dass es beispielsweise zu Problemen kommen könne, wenn Personen, die kein Deutsch sprechen, einen Elternbrief oder ähnliche Texte mit einem Programm übersetzen. Da die Übersetzung mit Sonderzeichen gegenderter Worte selten adäquat ausfalle, könne das für Verwirrung sorgen.
Dennoch sieht Grimm die Bedeutsamkeit einer geschlechtersensiblen Sprache. Er selbst nutzt schon seit einiger Zeit den GenderDoppelpunkt. Das darf er jetzt sowohl in Schreiben an sein Kollegium am BLLV als auch an der Schule nicht mehr.
„Es heißt doch immer: Sprache schafft Wirklichkeit“, meint der Mittelschullehrer. Unter anderem könne Toleranz über Sprache gefördert werden. Weil es ein wichtiges Ziel der Schulen ist, mündige und selbstbestimmte Schüler zu erziehen, sollten diese auch die Möglichkeit bekommen, sich zum „Gendern“eine Meinung zu bilden. So sei es gut und wichtig, dass das Thema in Fächern wie Religion und Ethik besprochen würde.
Auch wenn er positiv sieht, dass künftig mit Sonderzeichen gegenderte Formen in einer Schülerarbeit nicht als Fehler, sondern lediglich als abweichend markiert werden sollen, kann er sich Fälle vorstellen, in denen durch die neue Dienstvorschrift, Schüler in ihrem Sprachgebrauch „zensiert“werden. So schreibe die Verordnung unter anderem vor, dass in jeder Form der schriftlichen Kommunikation durch die Schule, das heißt auch in einem Jahresbericht oder auf der schuleigenen Website, keine mehrgeschlechtlichen Schreibweisen mit Wortbinnenzeichen verwendet werden dürfen. Problematisch
könne dies dann werden, wenn zum Beispiel ein Schüler einen Text auf einer dieser Plattformen veröffentlichen will, in welchem er aus eigener Überzeugung geschlechtsneutralen Formulierungen mit Sonderzeichen benutzt. Hier stelle sich dann die Frage, wie man damit als Lehrer, der diesen Text schlussendlich veröffentlicht, umgehen sollte. Darüber müsse auf jeden Fall noch in seinem Lehrerkollegium gesprochen werden.
Zwar kann Grimm nachvollziehen, dass eine solche Vereinheitlichung der Sprache in amtlichen Schreiben sinnvoll ist, jedoch hätte er sich für die Schulen mehr Freiheiten gewünscht, damit dort flexibel reagiert werden kann. Eine Gruppe von Schülerinnen aus dem Landkreis, die in der Günzburger Fußgängerzone unterwegs ist, hat eine ähnliche Meinung zu dem Verbot. Vivien, die das Maria-WardGymnasium besucht, hält es für unnötig, dass man sich in der Politik überhaupt mit dem Thema beschäftigt. Genauso wie sie finden Liya und Elena vom St. Thomas Gymnasium in Wettenhausen: Die Entscheidung, ob man gendert oder nicht, sollte jedem freigelassen werden. Philipp Beißbarth, der als ein junges Mitglied der Partei „Die Grünen“im Kreisrat des Landkreises Günzburg sowie im Gemeinderat Jettingen-Scheppach sitzt, sagt dazu: „Die Menschen in Bayern wissen selbst, wie sie reden oder schreiben wollen. Das sollte ihnen auch unsere Landesregierung zutrauen.“Er betont, dass er es ironisch findet, dass ihnen als „Grüne“ständig vorgehalten werde, eine „Verbotspartei“zu sein, die den Menschen vorschreiben wolle, wie sie zu leben haben, während Markus Söder und die CSU der bayerischen Bevölkerung nun verböten, wie sie sich ausdrücken. Für ihn sei das Verbot ein klassischer Fall von Markus Söders Populismus.
Schulze merkt an: „An den Schulen im Landkreis gibt es zurzeit herausforderndere Themen.“Dieser Meinung ist auch Grimm. Zumindest an den Grund- und Mittelschulen im Landkreis habe man gerade keinen Kopf für die Debatte um geschlechtergerechte Sprache. Im mündlichen Sprachgebrauch – und das findet Grimm positiv – wird es an Schulen weiterhin erlaubt sein, sich so auszudrücken, wie man will.