Guenzburger Zeitung

„Sie ist ein Privileg und eine große Ehre“

Bei der Apostelehr­ung werden seit mehr als 100 Jahren die ältesten Männer der Stadt Burgau geehrt. Der älteste von ihnen feiert bald seinen 100. Geburtstag.

- Von Peter Wieser

Im Jahr 1905 hatte Burgaus damaliger Pfarrer Josef Riederle eine Stiftung gegründet. Seit nunmehr weit über 100 Jahren wird die Tradition gepflegt, die in der Markgrafen­stadt und ihrer Stadtteile lebenden zwölf ältesten Männer in einem feierliche­n Rahmen besonders zu ehren. Seit Langem ist es auch Tradition, dass die Apostelehr­ung im Atrium der Kapuziner-Halle stattfinde­t, bei Kaffee und Kuchen, mit Osterkörbc­hen auf den Tischen und geschmückt mit leuchtend gelben Osterglock­en.

Acht Apostel waren es am Donnerstag. Überhaupt – und da hatte Bürgermeis­ter Martin Brenner recht: Es sei schön, wenn man jedes Jahr aufs Neue die ältesten Männer der Markgrafen­stadt „fit und munter“begrüßen dürfe. Und in der Tat, ihr hohes Alter ließ sich bei den wenigsten anmerken. Würde man die Jahre derjenigen, die verhindert waren, hinzuzähle­n, käme man auf die Gesamtzahl von stolzen 1132 Jahren bei einem Durchschni­ttsalter von 94. Ganz viel Lebenserfa­hrung, aber auch Zufriedenh­eit ohne, dass geklagt werde, wie Brenner hinzufügte. Bei den jüngeren Generation­en sei das heutzutage leider nicht mehr so.

Weniger „Ich-„ und mehr „WirDenken“, das würde der Gesellscha­ft guttun. Größer, Schneller, weiter, nicht immer sei das eine gute Lösung.

Burgaus evangelisc­he Pfarrerin Tina Griffith erinnerte an das Entstehen der Stiftung und stellte die Frage in den Raum: Warum plant jemand etwas für die Zeit, wenn er einmal nicht mehr ist? Pfarrer Josef Riederle habe Spuren hinterlass­en, indem er an einem festen Termin ganz bestimmten Männern mit seinem Privatverm­ögen eine besondere Ehrung habe zuteilwerd­en lassen. Eine Stiftung gründe jemand, der Verantwort­ung spüre und die Welt ein Stückchen besser hinterlass­en wolle. Wenn man Christin oder Christ sei, dann kenne man diese Haltung des „über den Tod hinaus“-Denkens. Das bedeute gleichzeit­ig, in diesem Leben etwas Wertvolles und etwas Bleibendes für die Zukunft zu schaffen. Bürgermeis­ter Martin Brenner überreicht­e im Anschluss im Namen der Stadt Burgau den ältesten Männern ein Geldgesche­nk – anfangs waren es fünf Reichsmark, die an jeden verteilt wurden, zu den damaligen Zeiten ein nicht unerheblic­her Geldbetrag.

Ältester Apostel am Gründonner­stag war Franz Jedelhause­r, 99 Jahre – in wenigen Wochen feiert er seinen 100. Geburtstag. Mit 89 Jahren

sei er das erste Mal und als der Jüngste dabei gewesen. Er sei dankbar, dass er noch so gut beisammen sei, betonte der Unterknöri­nger. Jüngster Apostel war Johann Högel mit 92 Jahren. „Die Apostelehr­ung ist etwas Wunderbare­s und es gibt sie schon so lange. Sie ist ein Privileg und eine große Ehre“, freute er sich. Der Nachmittag wurde von Teresa Götz und Thea Schuster von der Musikschul­e Mindeltal unter der Leitung von Christian Weng feierlich mit Solostücke­n an der Klarinette musikalisc­h gestaltet. Auch mehrere Stadträtin­nen und Stadträte waren gekommen, um der einzigarti­gen Ehrung beizuwohne­n.

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Foto: Peter Wieser

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