Neuer Sprit an der Tankstelle
Hinter den Kürzeln HVO100 oder XTL verbirgt sich ein neuer Kraftstoff aus aufbereiteten Fetten und Ölen. Den kann man nun ab Mitte April zapfen. Was dahintersteckt und wie verbreitet der neue Biodiesel sein wird.
Es gibt Super, Super E10, Super Plus, Diesel, Ultimate Diesel und anderes mehr. An den Tankstellen geht es heute bereits unübersichtlich zu, nun soll noch in diesem April ein neuer Dieselkraftstoff hinzukommen. Er läuft unter dem Kürzel HVO100 oder XTL. Idealerweise wird der Diesel aus alten Speiseölen und Reststoffen gewonnen, zum Beispiel ausrangiertem Frittierfett. Die Tankstellen stellen sich bereits auf den Verkauf ein. „Wir sind bereit und stehen in den Startlöchern“, sagt Alexander Vorbau, Sprecher des Branchenverbandes Uniti, der zahlreiche mittelständische Tankstellenbetreiber und Brennstoffhändler vertritt. Der Verband rechnet mit einem Start am 13. April.
Der Diesel gehört zu einer neuen Generation an Kraftstoffen, die nicht mehr aus fossilem Erdöl gewonnen werden, sondern aus nachhaltigen Ausgangsstoffen. Fachleute sprechen von paraffinischem Diesel, der auf Pflanzenölen basiert. Die Öle werden in einem chemischen Prozess mit Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt, schildert es der ADAC: „Durch diesen Prozess werden die Pflanzenöle in ihren Eigenschaften an fossile Kraftstoffe – insbesondere Dieselkraftstoff – angepasst.“Diese hydrierten Pflanzenöle – englisch Hydrotreated Vegetable Oils, kurz HVO – können dann in Reinform an der Tankstelle verkauft werden. Dies ergibt den Kraftstofftyp HVO100. Sie können aber auch dem klassischen Diesel beigemischt werden.
Der Bundesrat hat am 22. März den Weg für den Verkauf des neuen Biodiesels freigemacht. Basis dafür ist eine Novelle der Bundesimmissionsschutzverordnung. „Der Beschluss muss nun nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, dann kann der Vertrieb beginnen“, sagt Uniti-Sprecher Vorbau. Es gibt noch zahlreiche andere Wege, alternative, klimafreundliche Kraftstoffe zu erzeugen, bei denen ein beliebiges Ausgangsmaterial X in eine Flüssigkeit umgewandelt wird. Diese laufen unter dem Kürzel XTL, eine Abkürzung für „X to liquid.“
Der Sinn liegt vor allem im Klimaschutz. Die Idee ist es, statt fossilem Erdöl nachwachsende Pflanzenöle als Basis herzunehmen, die in der Wachstumsphase der Pflanze CO2 aus der Atmosphäre gebunden haben. „Heute fahren zu 98 Prozent Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf unseren Straßen. Wenn wir diese in den Klimaschutz einbeziehen wollen, brauchen wir
klimaschonende Kraftstoffe“, sagt Uniti-Sprecher Vorbau. Dem Düsseldorfer Biosprit-Hersteller Neste zufolge ist mit HVO100 eine CO2-Einsparung von bis zu 90 Prozent möglich.
Wie aber kommt der neue Sprit zu den Autofahrern? In der Praxis werde es an den teilnehmen Tankstellen ein zusätzliches Angebot geben, sagt Vorbau. Was ein Liter
XTL-Diesel oder HVO100-Diesel kostet, werde sich nach dem 13. April zeigen. HVO100 sei zwar von der CO2-Abgabe befreit, das wirkt preisdämpfend. Es falle aber derselbe Energiesteuersatz wie für fossilen Diesel an. Dem ADAC zufolge kommt paraffinischer Diesel bereits in Skandinavien, den Niederlanden, Italien und Österreich an rund 2250 Stationen in Reinform
zum Einsatz. Der Mehrpreis betrage im Schnitt fünf bis zehn Cent pro Liter. Interessant könnte der neue Kraftstoff für Flottenbetreiber sein, die Wert auf Klimaschutz legen, heißt es bei Uniti.
Um herauszufinden, ob das eigene Auto den Kraftstoff verträgt, helfe ein Blick in den Tankdeckel. „Steht dort auf einem Etikett XTL, ist das Fahrzeug dafür freigegeben“, erklärt Vorbau. Dies sei vor allem bei neu gekauften Dieselautos der Fall. Bei älteren Modellen helfen Freigabelisten, die unter anderem der ADAC führt. „Falls keine Freigabe vorliegt, heißt das aber im Umkehrschluss nicht zwingend, dass das Fahrzeug den Kraftstoff nicht verträgt.“Denn Freigabetests kosten Geld, weshalb Hersteller für Fahrzeuge im Bestand darauf möglicherweise schlicht verzichten.
Klassischer europäischer Biodiesel stand bereits in der Kritik, da er aus umetikettiertem Palmöl
Die Menge an verwertbaren Stoffen ist weltweit begrenzt.
stammen könnte, für dessen Anbau Regenwaldflächen verloren gehen. „Die Gefahr besteht, dass Rohstoffe zu Reststoffen umetikettiert werden, die es nicht sind“, bestätigt Jens Hilgenberg, Leiter des Bereichs Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Gespräch mit unserer Redaktion. „Der Einsatz von HVO100 kann überhaupt nur dann sinnvoll sein, wenn die Basis wirklich Reststoffe sind“, betont er. Kritiker bemängelten in der Vergangenheit, dass im asiatischen Raum frisches Palmöl zu Altfett umetikettiert worden sei.
BUND-Fachmann Hilgenberg sieht zudem das Problem, dass die Menge an Reststoffen wie altem Frittierfett weltweit begrenzt ist. Letztlich dürften die Ausgangsstoffe grundsätzlich auch nicht anderen sinnvollen Verwendungsmöglichkeiten entzogen werden. Beispielsweise lassen sich biogene Kraftstoffe auch aus Stroh gewinnen. Dieses Stroh steht dann aber nicht mehr als Einstreu im Stall oder Dünger auf dem Feld bereit.