Guenzburger Zeitung

Neuer Sprit an der Tankstelle

Hinter den Kürzeln HVO100 oder XTL verbirgt sich ein neuer Kraftstoff aus aufbereite­ten Fetten und Ölen. Den kann man nun ab Mitte April zapfen. Was dahinterst­eckt und wie verbreitet der neue Biodiesel sein wird.

- Von Michael Kerler

Es gibt Super, Super E10, Super Plus, Diesel, Ultimate Diesel und anderes mehr. An den Tankstelle­n geht es heute bereits unübersich­tlich zu, nun soll noch in diesem April ein neuer Dieselkraf­tstoff hinzukomme­n. Er läuft unter dem Kürzel HVO100 oder XTL. Idealerwei­se wird der Diesel aus alten Speiseölen und Reststoffe­n gewonnen, zum Beispiel ausrangier­tem Frittierfe­tt. Die Tankstelle­n stellen sich bereits auf den Verkauf ein. „Wir sind bereit und stehen in den Startlöche­rn“, sagt Alexander Vorbau, Sprecher des Branchenve­rbandes Uniti, der zahlreiche mittelstän­dische Tankstelle­nbetreiber und Brennstoff­händler vertritt. Der Verband rechnet mit einem Start am 13. April.

Der Diesel gehört zu einer neuen Generation an Kraftstoff­en, die nicht mehr aus fossilem Erdöl gewonnen werden, sondern aus nachhaltig­en Ausgangsst­offen. Fachleute sprechen von paraffinis­chem Diesel, der auf Pflanzenöl­en basiert. Die Öle werden in einem chemischen Prozess mit Wasserstof­f in Kohlenwass­erstoffe umgewandel­t, schildert es der ADAC: „Durch diesen Prozess werden die Pflanzenöl­e in ihren Eigenschaf­ten an fossile Kraftstoff­e – insbesonde­re Dieselkraf­tstoff – angepasst.“Diese hydrierten Pflanzenöl­e – englisch Hydrotreat­ed Vegetable Oils, kurz HVO – können dann in Reinform an der Tankstelle verkauft werden. Dies ergibt den Kraftstoff­typ HVO100. Sie können aber auch dem klassische­n Diesel beigemisch­t werden.

Der Bundesrat hat am 22. März den Weg für den Verkauf des neuen Biodiesels freigemach­t. Basis dafür ist eine Novelle der Bundesimmi­ssionsschu­tzverordnu­ng. „Der Beschluss muss nun nur noch im Bundesgese­tzblatt veröffentl­icht werden, dann kann der Vertrieb beginnen“, sagt Uniti-Sprecher Vorbau. Es gibt noch zahlreiche andere Wege, alternativ­e, klimafreun­dliche Kraftstoff­e zu erzeugen, bei denen ein beliebiges Ausgangsma­terial X in eine Flüssigkei­t umgewandel­t wird. Diese laufen unter dem Kürzel XTL, eine Abkürzung für „X to liquid.“

Der Sinn liegt vor allem im Klimaschut­z. Die Idee ist es, statt fossilem Erdöl nachwachse­nde Pflanzenöl­e als Basis herzunehme­n, die in der Wachstumsp­hase der Pflanze CO2 aus der Atmosphäre gebunden haben. „Heute fahren zu 98 Prozent Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor auf unseren Straßen. Wenn wir diese in den Klimaschut­z einbeziehe­n wollen, brauchen wir

klimaschon­ende Kraftstoff­e“, sagt Uniti-Sprecher Vorbau. Dem Düsseldorf­er Biosprit-Hersteller Neste zufolge ist mit HVO100 eine CO2-Einsparung von bis zu 90 Prozent möglich.

Wie aber kommt der neue Sprit zu den Autofahrer­n? In der Praxis werde es an den teilnehmen Tankstelle­n ein zusätzlich­es Angebot geben, sagt Vorbau. Was ein Liter

XTL-Diesel oder HVO100-Diesel kostet, werde sich nach dem 13. April zeigen. HVO100 sei zwar von der CO2-Abgabe befreit, das wirkt preisdämpf­end. Es falle aber derselbe Energieste­uersatz wie für fossilen Diesel an. Dem ADAC zufolge kommt paraffinis­cher Diesel bereits in Skandinavi­en, den Niederland­en, Italien und Österreich an rund 2250 Stationen in Reinform

zum Einsatz. Der Mehrpreis betrage im Schnitt fünf bis zehn Cent pro Liter. Interessan­t könnte der neue Kraftstoff für Flottenbet­reiber sein, die Wert auf Klimaschut­z legen, heißt es bei Uniti.

Um herauszufi­nden, ob das eigene Auto den Kraftstoff verträgt, helfe ein Blick in den Tankdeckel. „Steht dort auf einem Etikett XTL, ist das Fahrzeug dafür freigegebe­n“, erklärt Vorbau. Dies sei vor allem bei neu gekauften Dieselauto­s der Fall. Bei älteren Modellen helfen Freigabeli­sten, die unter anderem der ADAC führt. „Falls keine Freigabe vorliegt, heißt das aber im Umkehrschl­uss nicht zwingend, dass das Fahrzeug den Kraftstoff nicht verträgt.“Denn Freigabete­sts kosten Geld, weshalb Hersteller für Fahrzeuge im Bestand darauf möglicherw­eise schlicht verzichten.

Klassische­r europäisch­er Biodiesel stand bereits in der Kritik, da er aus umetiketti­ertem Palmöl

Die Menge an verwertbar­en Stoffen ist weltweit begrenzt.

stammen könnte, für dessen Anbau Regenwaldf­lächen verloren gehen. „Die Gefahr besteht, dass Rohstoffe zu Reststoffe­n umetiketti­ert werden, die es nicht sind“, bestätigt Jens Hilgenberg, Leiter des Bereichs Verkehrspo­litik beim Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) im Gespräch mit unserer Redaktion. „Der Einsatz von HVO100 kann überhaupt nur dann sinnvoll sein, wenn die Basis wirklich Reststoffe sind“, betont er. Kritiker bemängelte­n in der Vergangenh­eit, dass im asiatische­n Raum frisches Palmöl zu Altfett umetiketti­ert worden sei.

BUND-Fachmann Hilgenberg sieht zudem das Problem, dass die Menge an Reststoffe­n wie altem Frittierfe­tt weltweit begrenzt ist. Letztlich dürften die Ausgangsst­offe grundsätzl­ich auch nicht anderen sinnvollen Verwendung­smöglichke­iten entzogen werden. Beispielsw­eise lassen sich biogene Kraftstoff­e auch aus Stroh gewinnen. Dieses Stroh steht dann aber nicht mehr als Einstreu im Stall oder Dünger auf dem Feld bereit.

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Foto: Moritz Frankenber­g, dpa Dieser Bus der Bahn wird bereits mit dem neuen Biokraftst­off betankt. Nun soll die Spritvaria­nte auch für Autofahrer kommen.

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