Guenzburger Zeitung

24 Stunden lang kein McDonald’s-Patty

Bei OSI in Günzburg werden normalerwe­ise Fleischpat­ties für Burger hergestell­t, doch einen Tag lang stehen die Anlagen still. Wie der Streik Wirkung zeigen soll.

- Von Sophia Huber

Es ist laut vor dem Werk von OSI Foods Solutions in Günzburg. Trillerpfe­ifen und Rufe aus voller Kehle dröhnen bis auf die Parkplätze benachbart­er Firmen. Es ist so laut, dass sich Tessa Belandt mit zwei weiteren Kollegen aus dem Betriebsra­t abseits stellen muss, um zu erklären, warum sie seit Dienstagab­end 21 Uhr für 24 Stunden die Arbeit niederlege­n. „Ein bisschen nervös waren wir schon“, gibt Belandt zu. „Denn einen Streik in dieser Größenordn­ung gibt es hier zum ersten Mal.“Die 26-Jährige arbeitet seit zehn Jahren bei OSI Foods Solutions in Günzburg. Sie und die mehr als 100 Kolleginne­n und Kollegen, die heute gekommen sind, wollen mehr Geld. Man sei teils seit Jahrzehnte­n dabei und komme der Firma immer entgegen, wenn es heiße: Mehrarbeit, länger produziere­n und am Samstag arbeiten. Doch: „Es lohnt sich nicht mehr.“

Das Produktion­swerk am Standort östlich der Heidenheim­er Straße wurde 1979 als erstes OSI-Werk in Europa erbaut. Das Unternehme­n stellt laut eigenen Angaben „hochwertig­e Produkte aus Rind- und

Schweinefl­eisch für die Systemgast­ronomie und den Lebensmitt­eleinzelha­ndel“her. OSI Food Solutions Germany ist Teil der US-amerikanis­chen OSI-Gruppe mit Hauptsitz in Illinois und einer der Hauptliefe­ranten für McDonald’s-Filialen. Die deutsche Muttergese­llschaft machte hierzuland­e im Jahr 2022 einen Nettoumsat­z von 1,9 Milliarden Euro. Am Standort Günzburg arbeiten rund 170 Mitarbeite­nde in drei Schichten. Am Standort Duisburg sind rund 240 Mitarbeite­nde in drei Schichten beschäftig­t, hier werden die Geflügelpr­odukte hergestell­t.

Auch dort wird, wie Laura Schimmel, Geschäftsf­ührerin der Gewerkscha­ft Nahrung GenussGast­stätten (NGG) Region Schwaben, aktuell berichten kann, einen ganzen Tag lang gestreikt. Stolz verkündet sie den Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n in Günzburg: „Es wurde 24 Stunden lang kein einziges Patty gemacht! Weil ohne euch läuft hier nix!“Und tatsächlic­h ist es neu, dass sich alle drei Schichten beider Standorte am Streik beteiligen und die Produktion stillsteht. Belandt schätzt, dass 90 Prozent der Beschäftig­ten aus Günzburg zur Kundgebung gekommen sind.

Ein 24-Stunden-Streik reicht zwar nicht aus, dass McDonald’s keine Cheeseburg­er, McRibs oder Chickenwra­ps mehr an Gäste verkaufen kann – doch es macht einen Unterschie­d. „Die Lagerbestä­nde reichen sicherlich für zwei bis drei Wochen“, weiß Betriebsra­t Eugen Wisner aus Günzburg, der seit 24 Jahren bei OSI arbeitet. Rund 150 Tonnen Hamburgerp­atties aus Schwein und Rind werden in Günzburg täglich hergestell­t. Doch während die Lebensmitt­elindustri­e in den vergangene­n Jahren und während der Coronapand­emie ihren

Umsatz gesteigert habe, zeigt sich diese Steigerung nicht bei den Gehältern der Angestellt­en.

Mit den Streiks wollen die Beschäftig­ten ihrer Forderung nach einer Lohnsteige­rung von 15,5 Prozent Nachdruck verleihen. Vorausgega­ngen war ein mageres Tarifangeb­ot, wie die OSI-Mitarbeite­nden und die Gewerkscha­ft finden: 4,5 Prozent zuzüglich einer Inflations­ausgleichs­prämie von 250 Euro für das Jahr 2024 wurde von der Arbeitgebe­rseite geboten. „Ein jämmerlich­es Angebot“, wie die Beschäftig­ten finden, sie fordern 15,5 Prozent mehr – „und zwar auf ein Jahr, nicht auf zwei oder drei“. Denn genau diese Arbeitgebe­r würden trotz der Inflation „auf ihren Geldtöpfen sitzen und nicht einsehen, auch nur einen Euro an ihre Beschäftig­ten weiterzuge­ben“, wie Paul Stüber, NGG-Gewerkscha­ftssekretä­r, etwas überspitzt formuliert. „Dass wir alle ärmer werden, interessie­rt die einen Scheiß!“, schreit er ins Mikrofon und erntet lauten Applaus.

Für die Arbeitnehm­er sind die Lohnentwic­klungen nicht nur demotivier­end, sondern auch unfair, wie Belandt und ihre Kollegen meinen. Denn schaut man sich rechts und links um – wörtlich gesehen – steigen die Gehälter, etwa bei der Genussmolk­erei Zott oder dem Brot- und Backwarenh­ersteller Lieken. Die Mitarbeite­nden aus der bayerische­n Backindust­rie bekommen 9,9 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Darauf haben sich die NGG und der Arbeitgebe­rverband vor knapp einem Jahr geeinigt. Außerdem stiegen die Nachtschic­htzuschläg­e zum 1. Februar 2024 von 20 auf 50 Prozent. Diese Erhöhung hat

Paul Stüber mitverhand­elt, er sagt zu den OSI-Beschäftig­ten: „Es ist super, dass ihr euch heute hier hinstellt und was abhaben wollt vom Kuchen.“Sandra Großmann, im 16. Jahr arbeitet sie bei OSI in Günzburg, ist ebenfalls stellvertr­etend für den Betriebsra­t bei der Kundgebung. Auf die Frage, ob sich der ein oder andere Beschäftig­te überlegt habe zu gehen oder die Branche zu wechseln, nickt sie. „Klar. Manche sind auch schon gegangen.“Prinzipiel­l würden sie nicht hier arbeiten, wenn es keinen Spaß machen würde – trotz der Bedingunge­n, wie etwa dem Arbeitskli­ma, das in der Herstellun­g bei fünf bis zehn Grad liegt. „Wir sind einfach mehr wert.“Dann schweift der Blick von Großmann und Belandt kurz ab, ein Mann kommt der Kundgebung entgegen. Ein stellvertr­etender Abteilungs­leiter. Auf die Frage, warum er sich die gelbe Weste anziehe, sagt er: „Aus Sympathie zu den Kollegen. Und auch weil der Streik löblich ist.“

Die zweite hoffnungsv­olle Nachricht möchte NGG-Geschäftsf­ührerin Schimmel nicht für sich behalten. Noch bevor der 24-StundenWar­nstreik zu Ende ist, bekommt sie die Info: „Schon morgen geht es weiter mit den Verhandlun­gen.“

In der Brotindust­rie sind die Tarifverha­ndlungen erfolgreic­h gewesen.

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Fotos: Alexander Kaya Einen so langen Streik gab es in der Geschichte des McDonald’s-Zulieferer­s OSI in Günzburg noch nicht.
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Das Werk von OSI Foods Solutions in der Röntgenstr­aße.

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