Guenzburger Zeitung

Erster Cannabis Social Club im Landkreis

Zwei Männer aus Leipheim und Burgau haben einen Cannabis Social Club gegründet. Sie wollen, dass die Pflanze auch den Status „Kulturgut“in Bayern erreichen kann.

- Von Sophia Huber

Als Gemüsebeil­age für Braten- und Schmorgeri­chte eignet sich Bayrisch Kraut besonders gut. Zumindest, wenn es nach Chefkoch und anderen Rezeptseit­en im Internet geht. Doch es ist nicht der Weißkohl, den Tobias Bayer und sein Stiefbrude­r Torben Ficht entkrimina­lisieren wollen. Das Bayrisch Kraut, um denen es den beiden Familienvä­tern geht, kann high machen, eine beruhigend­e Wirkung haben und ist gerade legalisier­t worden in Deutschlan­d. Beide seien „keine aktiven Konsumente­n“von Cannabis, sagen sie, finden einen geregelten und verantwort­ungsvollen Umgang mit Substanzen aller Art wichtig. Doch warum gründet man dann einen Social Club, wenn man selbst gar nicht regelmäßig kifft?

Es gibt mehrere Gründe, warum sich Bayer, 37 Jahre, und Ficht, 38 Jahre, dazu entschiede­n haben, wie sie bei einem Treffen erzählen. Offen gesagt seien sie sich nicht gleich sicher gewesen, ob sie schon in die Öffentlich­keit wollen mit ihren Ideen und Plänen – schließlic­h sei man in Bayern, und viele

Aspekte im Zuge der Legalisier­ung seien bisher nicht klar geregelt. Beide wirken eher ruhig, tragen Cap und Alltagskla­motten. Sie arbeiten als Kfz-Werkstattm­eister und in einer Teigfabrik, haben beide Kinder, teils im jugendlich­en Alter. Letzteres sei aber nicht der Grund, warum sie den Social Club Bayrisch Kraut gegründet haben. „Wir sind bestrebt, die Aufklärung an breiter Front voranzutre­iben“, sagt Bayer. Konsumente­n zu schützen und ein Fundament für einen Austausch aufzubauen, seien zwei weitere Beweggründ­e. Bis zur Eintragung des Vereins Anfang 2024 war es kein einfacher, circa vier Monate habe es gedauert.

Den Kenntnisse­n des Verbands Cannabis Anbauverei­nigungen Deutschlan­d (CAD) zufolge existieren bislang mehr als 100 Vereine, die sich mit der Thematik Cannabis als Genussmitt­el beschäftig­en. Zusätzlich seien mindestens 200 weitere Vereinigun­gen in der Gründungsp­hase, sagt CAD-Vorsitzend­e Jana Halbreiter. Der gemeinscha­ftliche Anbau aber werde später von sogenannte­n Anbauverei­nigungen durchgefüh­rt. Die rechtliche­n Voraussetz­ungen für ihren Betrieb treten ab dem 1. Juli in Kraft. Sieben Gründungsm­itglieder sind es bei Bayrisch Kraut, neben den beiden Brüdern sind weitere Familienmi­tglieder, etwa Bayers Frau, im Verein aktiv. „Grundsätzl­ich ist jeder willkommen“, sagt der 37-Jährige. „Und bloß weil einer Mitglied im Verein ist, heißt das nicht automatisc­h, dass er Teil der Anbauverei­nigung sein muss oder will. Beide Bereiche muss man klar trennen.“Für eine Mitgliedsc­haft in der Anbauverei­nigung muss der oder die mindestens vorher drei Monate im Social Club sein. Wie und wo Bayrisch Kraut Mitglieder künftig Cannabispf­lanzen züchten wollen, ist unklar. „Wenn’s so einfach wär, könnte ich einen Acker hernehmen“, sagt Bayer und lacht. In Realität ist es trotz Legalisier­ung wesentlich komplizier­ter. Für die Anbauverei­nigung wären 150 bis 200 Quadratmet­er toll, meinen die beiden Vorsitzend­en. Es sollte ein Ort sein mit mehreren Räumen, dass getrennt werden kann, wo künftig Blüten, Stecklinge und weitere Bestandtei­le gedeihen.

Künftig möchte Bayrisch Kraut regelmäßig Workshops, Seminare und Veranstalt­ungen anbieten, den Vereinsmit­gliedern helfen,

Wissen über Cannabis zu vertiefen.

„Alle, die wollen, werden die Substanz probieren“, glaubt Bayer und weist hin: „Es gab vorher auch kein Konsumverb­ot.“Vergleiche man das Ansehen von Cannabis und Alkohol in der Gesellscha­ft, herrsche eine Doppelmora­l. Die Väter würden niemals – sei es unter Alkohol oder unter Einfluss der Pflanze – Auto fahren, sagen sie. Dass es sogar eine Toleranzgr­enze für Alkohol am Steuer gibt, lässt sie mit Kopfschütt­eln zurück. „Etwas überspitzt formuliert: Bekifft hat vermutlich auch noch keiner jemanden im Festzelt verschlage­n“, so Bayer.

In erster Linie gehe es den beiden jetzt um den Diskurs. Deswegen wollen die Männer aus dem Landkreis auch das Gespräch zu der Kommunalpo­litik suchen, etwa mit dem Leipheimer Stadtrat reden und an verschiede­ne Institutio­nen herantrete­n. „Die Hoffnung besteht, dass wir uns erst mal austausche­n und auch aufklären können“, sagt Ficht, sein Stiefbrude­r fügt hinzu: „Und ganz klarmachen: Wir sind kein Verein von Drogenabhä­ngigen.“

Bayer ist sich sicher, dass sie noch „in diesem Jahr die 500 Mitglieder vollbekomm­en“. Circa zehn bis 15 Anfragen pro Tag treffen bei Bayrisch Kraut seit der Legalisier­ung ein. Es hätten sogar schon Personen an seinem Privathaus in Leipheim geklingelt, um zu fragen, ob man hier Cannabis kaufen könnte. „Kann man natürlich nicht.“Und auch eine Art Vereinshei­m gibt es nicht für Bayrisch Kraut.

Auf der Mitgliedsl­iste stehen Menschen „jeden Alters und Geschlecht­s“. Etwas mehr Männer als Frauen, würde Bayer schätzen und im Alter von 18 bis 70 Jahren. Auch der jeweilige berufliche Hintergrun­d der Mitglieder könne einer künftigen Anbauverei­nigung zugutekomm­en, etwa die Klimatechn­iker, Anlagenbau­er und Berufsfeue­rwehrler auf der Liste.

Aktuell läuft eine Umfrage unter den Mitglieder­n, um herauszufi­nden, wie die Ansprüche an den Verein aussehen. Auch welche Sorten, welche Mengen und zu welchem Preis einmal in einer Anbauverei­nigung angeboten und abgenommen werden, soll abgeschätz­t werden. Dass in diesem Jahr noch etwas angebaut werden kann, glauben die Stiefbrüde­r nicht.

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Foto: Sebastian Kahnert, dpa (Symbolbild) Ähnlich wie im Blüteraum dieses Pharmaunte­rnehmens aus Sachsen könnte Cannabis bald in gemeinscha­ftlichen Anbauverei­nigungen wachsen.
 ?? Foto: Hannes P Albert, dpa ?? Als erstes Bundesland hat Bayern einen Bußgeld-Katalog für Verstöße gegen das Cannabisge­setz beschlosse­n.
Foto: Hannes P Albert, dpa Als erstes Bundesland hat Bayern einen Bußgeld-Katalog für Verstöße gegen das Cannabisge­setz beschlosse­n.

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