Erster Cannabis Social Club im Landkreis
Zwei Männer aus Leipheim und Burgau haben einen Cannabis Social Club gegründet. Sie wollen, dass die Pflanze auch den Status „Kulturgut“in Bayern erreichen kann.
Als Gemüsebeilage für Braten- und Schmorgerichte eignet sich Bayrisch Kraut besonders gut. Zumindest, wenn es nach Chefkoch und anderen Rezeptseiten im Internet geht. Doch es ist nicht der Weißkohl, den Tobias Bayer und sein Stiefbruder Torben Ficht entkriminalisieren wollen. Das Bayrisch Kraut, um denen es den beiden Familienvätern geht, kann high machen, eine beruhigende Wirkung haben und ist gerade legalisiert worden in Deutschland. Beide seien „keine aktiven Konsumenten“von Cannabis, sagen sie, finden einen geregelten und verantwortungsvollen Umgang mit Substanzen aller Art wichtig. Doch warum gründet man dann einen Social Club, wenn man selbst gar nicht regelmäßig kifft?
Es gibt mehrere Gründe, warum sich Bayer, 37 Jahre, und Ficht, 38 Jahre, dazu entschieden haben, wie sie bei einem Treffen erzählen. Offen gesagt seien sie sich nicht gleich sicher gewesen, ob sie schon in die Öffentlichkeit wollen mit ihren Ideen und Plänen – schließlich sei man in Bayern, und viele
Aspekte im Zuge der Legalisierung seien bisher nicht klar geregelt. Beide wirken eher ruhig, tragen Cap und Alltagsklamotten. Sie arbeiten als Kfz-Werkstattmeister und in einer Teigfabrik, haben beide Kinder, teils im jugendlichen Alter. Letzteres sei aber nicht der Grund, warum sie den Social Club Bayrisch Kraut gegründet haben. „Wir sind bestrebt, die Aufklärung an breiter Front voranzutreiben“, sagt Bayer. Konsumenten zu schützen und ein Fundament für einen Austausch aufzubauen, seien zwei weitere Beweggründe. Bis zur Eintragung des Vereins Anfang 2024 war es kein einfacher, circa vier Monate habe es gedauert.
Den Kenntnissen des Verbands Cannabis Anbauvereinigungen Deutschland (CAD) zufolge existieren bislang mehr als 100 Vereine, die sich mit der Thematik Cannabis als Genussmittel beschäftigen. Zusätzlich seien mindestens 200 weitere Vereinigungen in der Gründungsphase, sagt CAD-Vorsitzende Jana Halbreiter. Der gemeinschaftliche Anbau aber werde später von sogenannten Anbauvereinigungen durchgeführt. Die rechtlichen Voraussetzungen für ihren Betrieb treten ab dem 1. Juli in Kraft. Sieben Gründungsmitglieder sind es bei Bayrisch Kraut, neben den beiden Brüdern sind weitere Familienmitglieder, etwa Bayers Frau, im Verein aktiv. „Grundsätzlich ist jeder willkommen“, sagt der 37-Jährige. „Und bloß weil einer Mitglied im Verein ist, heißt das nicht automatisch, dass er Teil der Anbauvereinigung sein muss oder will. Beide Bereiche muss man klar trennen.“Für eine Mitgliedschaft in der Anbauvereinigung muss der oder die mindestens vorher drei Monate im Social Club sein. Wie und wo Bayrisch Kraut Mitglieder künftig Cannabispflanzen züchten wollen, ist unklar. „Wenn’s so einfach wär, könnte ich einen Acker hernehmen“, sagt Bayer und lacht. In Realität ist es trotz Legalisierung wesentlich komplizierter. Für die Anbauvereinigung wären 150 bis 200 Quadratmeter toll, meinen die beiden Vorsitzenden. Es sollte ein Ort sein mit mehreren Räumen, dass getrennt werden kann, wo künftig Blüten, Stecklinge und weitere Bestandteile gedeihen.
Künftig möchte Bayrisch Kraut regelmäßig Workshops, Seminare und Veranstaltungen anbieten, den Vereinsmitgliedern helfen,
Wissen über Cannabis zu vertiefen.
„Alle, die wollen, werden die Substanz probieren“, glaubt Bayer und weist hin: „Es gab vorher auch kein Konsumverbot.“Vergleiche man das Ansehen von Cannabis und Alkohol in der Gesellschaft, herrsche eine Doppelmoral. Die Väter würden niemals – sei es unter Alkohol oder unter Einfluss der Pflanze – Auto fahren, sagen sie. Dass es sogar eine Toleranzgrenze für Alkohol am Steuer gibt, lässt sie mit Kopfschütteln zurück. „Etwas überspitzt formuliert: Bekifft hat vermutlich auch noch keiner jemanden im Festzelt verschlagen“, so Bayer.
In erster Linie gehe es den beiden jetzt um den Diskurs. Deswegen wollen die Männer aus dem Landkreis auch das Gespräch zu der Kommunalpolitik suchen, etwa mit dem Leipheimer Stadtrat reden und an verschiedene Institutionen herantreten. „Die Hoffnung besteht, dass wir uns erst mal austauschen und auch aufklären können“, sagt Ficht, sein Stiefbruder fügt hinzu: „Und ganz klarmachen: Wir sind kein Verein von Drogenabhängigen.“
Bayer ist sich sicher, dass sie noch „in diesem Jahr die 500 Mitglieder vollbekommen“. Circa zehn bis 15 Anfragen pro Tag treffen bei Bayrisch Kraut seit der Legalisierung ein. Es hätten sogar schon Personen an seinem Privathaus in Leipheim geklingelt, um zu fragen, ob man hier Cannabis kaufen könnte. „Kann man natürlich nicht.“Und auch eine Art Vereinsheim gibt es nicht für Bayrisch Kraut.
Auf der Mitgliedsliste stehen Menschen „jeden Alters und Geschlechts“. Etwas mehr Männer als Frauen, würde Bayer schätzen und im Alter von 18 bis 70 Jahren. Auch der jeweilige berufliche Hintergrund der Mitglieder könne einer künftigen Anbauvereinigung zugutekommen, etwa die Klimatechniker, Anlagenbauer und Berufsfeuerwehrler auf der Liste.
Aktuell läuft eine Umfrage unter den Mitgliedern, um herauszufinden, wie die Ansprüche an den Verein aussehen. Auch welche Sorten, welche Mengen und zu welchem Preis einmal in einer Anbauvereinigung angeboten und abgenommen werden, soll abgeschätzt werden. Dass in diesem Jahr noch etwas angebaut werden kann, glauben die Stiefbrüder nicht.