Der Bambusstock des Vaters lag immer bereit
Der Autor Erhard Dietl, bekannt durch seine Kinderbücher über die Olchis, gewährt in Leipheim tiefe Einblicke in seine Kindheit und Jugend. Vieles wirkt verstörend.
Es war ein intimer Abend im Zehntstadel Leipheim, den die vielleicht 25 Gäste und Buchautor, Illustrator und Musiker Erhard Dietl zusammen verbrachten. Dietl hatte sein Buch, die Gitarre und seine Lieder dabei. Im Fokus stand sein autobiografisch angelegtes Buch „Ein Vater wie meiner“, in der er tiefe Einblicke in seine Kindheit und Jugend gewährt, die einen schon beim Lesen berühren, in einer Autorenlesung aber noch viel tiefere Spuren hinterlassen.
Bekannt ist Dietl wegen der Olchis, diesen kleinen grünen Wesen, die auf der Müllkippe von Schmuddelfing leben und Dinge lieben, die Menschen eklig finden. 1990 erschien von Dietl das erste OlchiBuch, mittlerweile sind es über 30, sie wurden in einige Sprachen übersetzt. Dietl erzählte schmunzelnd in Leipheim: „Die Olchis verfolgen mich, ich werde sie nicht mehr los, sie sind ein Teil von mir.“Doch um die Olchis sollte es an diesem Abend nicht gehen, sondern um sein Buch für Erwachsene. Es war eine musikalische Lesung, in der der Autor und Liedermacher zwischen Buch und jeweils zur Textstelle passenden Songs wechselte.
Warum er als 70-Jähriger dieses Buch über seinen Vater überhaupt schrieb, erklärte er gleich zu Beginn: „Eigentlich hat mich der Verlag dazu ermuntert, vielleicht sogar überredet, weil ich immer wieder Geschichten über meinen Vater erzählt habe.“So entstand eine 250 Seiten starke Zeitreise ins Nachkriegsdeutschland der 1950er und 60er Jahre.
Über seinen Vater schreibt Dietl: „Auch wenn mir mein Vater manchmal unerträglich vorkam, so spürte ich doch, dass ich ihn lieb hatte.“Er sei eine imposante Erscheinung gewesen, geistreich und gebildet und doch ein Mann, der seine beiden Kinder niemals auf
den Arm genommen habe, sich schamlos von seinem Sohn die in der Essiggurkenfabrik sauer verdienten 600 Mark für eine E-Gitarre auslieh und niemals zurückzahlte, der seinen 14-Jährigen wegen schlechter Zeugnisnoten verprügelte. Textpassagen, die einen melancholisch zurücklassen.
Aufgewachsen ist Erhard Dietl mit seiner jüngeren Schwester und den Eltern in Regensburg. Es war eine katholisch geprägte Kindheit, den zehn Geboten und dem bedrohlichen Teufel, dem Fegefeuer und dem Jüngsten Gericht, widmete er einen eigenen Song in der Gewissheit, dass die Oma in den Himmel kommt.
In den 60er Jahren waren die Sitten strenger, was bei Dietls Vater bedeutete, dass auf dem Küchenschrank der Bambusstock für Züchtigungen bereit lag und der Vater davon öfters Gebrauch machte.
Dietl beschreibt und singt nicht nur über eigene Erinnerungen, sondern auch über Dinge, die die Mutter ihm nach dem Tod des Vaters erzählte. Erst dann erfuhr er den wahren Grund des Umzugs von Regensburg nach München:
Erhard Dietls Vater hatte aus der Ostzone ein Angebot erhalten, Berichte über die CSU und Franz Josef Strauß zu verfassen und dem DDR-Geheimdienst zu verkaufen. Der Vater ein Spion für die DDR? Eduard Dietl versuchte nicht nur als Fotograf die oft leere Familienkasse zu füllen, er plante nach einem Besuch bei der Frankfurter Buchmesse einen Roman zu schreiben. Die Mutter war entsetzt.
Erhard Dietl beginnt sein Buch mit dem Tod des Vaters, quasi vom Ende her. Es ist der Beginn einer Erzählung, wie sich die Eltern kennenlernten und zu einem Miteinander fanden, bis dass der Tod sie schied.
Und doch schreibt Dietl: „In ihm war kein Platz für uns.“Später heißt es: „Obwohl ich inzwischen meinen ganz privaten Frieden mit meinem Vater geschlossen habe, bleibt vieles an seinem Verhalten ärgerlich und unverständlich.“Sein Fazit: „Man kann sagen, ich bin drüber weg.“