SPD-Kandidatin Noichl wünscht sich mehr Europa in Günzburg
Wie viel EU-Förderung in lokalen Projekten stecke, sei oft gar nicht bekannt. Die bayerische Spitzenkandidatin hat noch mehr Vorschläge im Gepäck.
Am 9. Juni findet die Europawahl statt. Eine Wahl, bei der es wichtiger denn je sei, wählen zu gehen und seine Stimme einer demokratischen Partei zu geben, sagte SPD-Ortsvorsitzende Simone Riemenschneider-Blatter beim Europafrühstück im Forum am Hofgarten. Maria Noichl, seit zehn Jahren Europaparlamentarierin in Brüssel und Straßburg und bei der Wahl in sechs Wochen bayerische Spitzenkandidatin, und der schwäbischen Spitzenkandidat Jörn Seinsch aus Augsburg diskutierten mit 40 interessierten Gästen bei Kaffee, Croissant und belegten Semmeln über die Europäische Union im Jahr 2024.
Schwer wiegt die Sorge vor einem Rechtsruck in Europa. Doch es gibt Hoffnung. Noichl erzählte begeistert von der Entwicklung in Polen, das mit seiner neuen Regierung wieder die Demokratiespur aufgenommen habe nach acht Jahren Regierung der rechtskonservativen PiS-Partei. Maria Noichl tritt dafür ein, dass „diese Währung aus Hass und Empörung zerschlagen werden muss.“Eine Währung, mit der im Internet viele unterwegs seien und auf Likes abzielen. Viel wichtiger sei es den Mensch in den Vordergrund zu stellen. Sie mahnt, dass die EVP, die Mitte-Rechts-Fraktion im EUParlament, oft auf die Stimmen von ganz rechts setze. „Eine gefährliche Taktik!“
Noichl und Seinsch sind sich einig, dass sich in Zukunft der Blick viel mehr in Richtung Osteuropa wenden müsse. Seinsch: „Die EU muss dem Osten Europas zuhören.“Für ihn ist die EU ein Friedensund ein Freiheitsprojekt, die Wahl des Europaparlaments ein Privileg. Er möchte sich den Staatenverbund, den Eltern und Großeltern geschaffen haben, nicht von Nationalisten kaputtmachen lassen. EU-Kennerin Maria Noichl erkennt an, dass Europa von außen
betrachtet ein Sehnsuchtsort sei, von innen betrachtet eine Baustelle. „Bitte nicht ein Auge beim Diskutieren zumachen, sondern mit beiden Augen schauen.“
Größte Baustelle für Jörn Seinsch ist die wirtschaftliche
Transformation. Er wünscht sich durchaus ambitionierte Ziele, die für alle Beteiligten einen verlässlichen Rahmen abstecken. Auch Maria Noichl spricht Klartext: „Der europäische Green Deal ist die Idee, dass das Schiff Europa
im Navi ein neues Ziel hat, nämlich 2050 klimaneutral zu sein. Jeder auf dem Schiff muss etwas für den Green Deal tun. Da gehört der Bereich Ernährung mit der Farmto-Fork-Strategie, die unter anderem weniger Pflanzenschutzmittel
in der Landwirtschaft vorsieht, genauso dazu wie das Recht auf Reparatur, wenn Geräte verschraubt und nicht mehr verklebt werden, oder dass der Deckel von Einweg-Plastikflaschen nicht mehr so ohne Weiteres abgeht und somit Plastikmüll vermieden wird.“
Noichls Statement zum Green Deal: „Wer sich dem Green Deal verweigert, verweigert die Zukunft! Wir Sozialdemokraten stehen für den grünen Deal mit rotem Herz.“Für Jörn Seinsch ist das Lieferkettengesetz alternativlos: „Die Welt ist ein Dorf und wir müssen schauen, wie wir uns verhalten.“Noichl und Seinsch werfen sich die Themen wie Ping-Pong-Bälle zu, die Zuhörerinnen und Zuhörer sind begeistert, immer wieder gibt es Applaus.
Gut zugehört haben Mitglieder der Günzburger Stadtratsfraktion beim Thema EU-Fördergelder. Es könnte also gut sein, dass die Idee von EU-Parlamentarierin Maria Noichl, einmal im Jahr einen Europabericht in jeder Kommune abzugeben, verwirklicht wird. Laut Noichl könnten die Fördergelder, die Stadt und Gemeinden erhalten nicht nur „aufgedröselt“werden in Fördergelder aus Berlin und München, sondern als dritte Ebene in Förderungen aus Brüssel.
Zu ihrer Zeit als Rosenheimer Stadträtin (2002 bis 2014) sei nie erwähnt worden, wie viel Geld aus der EU für die Landesgartenschau in Rosenheim im Jahr 2010 geflossen war. Ein zufälliges Beispiel, das in Günzburg aber auf offene Ohren, wird doch im Jahr 2029 die Stadt selbst die Landesgartenschau ausrichten. Das Europafrühstück lässt auch das schwierige Thema der Zuwanderung nicht aus. Für Noichl ist klar, dass nicht jede und jeder nach Europa kommen könne, doch das Asylrecht müsse bleiben. Sie bekommt Applaus, als sie sagt: „Die Fluchtursachen müssen beseitigt werden. Unsere Verantwortung beginnt in diesen Ländern.“