Guenzburger Zeitung

Zu Besuch bei Regenbogen­familien

In Krumbach gibt es seit Januar einen Ort zum Austausche­n für alle Familien, die von der vermeintli­chen Norm abweichen. Ein Besuch beim Regenbogen­familientr­eff.

- Von Celine Theiss

„Hat jemand von euch einen Tipp, wie man wackelnde Zähne rausbekomm­t?“, fragt Caro in die Runde. Im Kreis, auf grünen Gummimatte­n, sitzen vier junge Familien. Vor ihnen liegen in Brotdosen Wienerle und klein geschnitte­nes Gemüse, Brezen und Aufstriche. Tochter Lotta hüpft um sie herum, klettert auf die Schultern ihrer Mutter. Gekommen sind die Mütter zum Regenbogen­familientr­eff des Landkreise­s. Einmal im Monat kommen hier Familien zusammen, die in Konstellat­ionen leben, die vermeintli­ch von der Norm abweichen. Aktuell besteht die Gruppe aus mehreren Mütterpaar­en. Dort tauschen sie sich aus, frühstücke­n gemeinsam und zeigen ihren Kindern, dass es mehr Familien gibt, die nicht aus Vater, Mutter, Kind bestehen.

„Wir haben ja die Babycafés im Landkreis und da ist uns aufgefalle­n, dass die Regenbogen­familien einen anderen Redebedarf haben, als andere Familien“, erklärt Sonja Tietz von der Koordinier­ungsstelle

Frühe Hilfen (KoKi) des Landkreise­s Günzburg. In Kooperatio­n mit der Adoptionss­telle wurde schließlic­h der Regenbogen­familientr­eff zu Beginn des Jahres ins Leben gerufen. Die Mütter, die sich aktuell treffen, kannten sich bereits über die Adoptionss­telle. Diese hatte die Familien zum gegenseiti­gen Austausch vernetzt. Für die Sozialpäda­gogin ist es wichtig, dass der Treff aber für alle Menschen offen ist. Die anwesenden Mütter fänden es schön, wenn ihre Gruppe Zuwachs bekommen würde und auch etwas gemischter wäre. Das würde den Kindern zeigen, dass es viele unterschie­dliche Familienko­nstellatio­nen gibt. Derzeit ist der Regenbogen­familientr­eff laut Tietz der einzige seiner Art im Landkreis.

Sabine und Martina sind mit ihrer einjährige­n Tochter Paula dazugestoß­en. Sie erzählen, dass sie die halbe Stunde Fahrt gerne für den Treff in Kauf nehmen. Bevor es den Regenbogen­familientr­eff des Landkreise­s gab, hatten sie einen ähnlichen Treff in Neu-Ulm besucht. Ihnen war der Austausch wichtig, als es bei ihnen um die Adoption ihrer Tochter ging. Ein

Problem, das viele andere Familien nicht haben. Die Erzählunge­n der Paare zeigen, dass der Weg beschwerli­cher ist, als es sein müsste. Von ärztlichen Gutachten, Notfalltes­tamenten und das abschließe­nde richterlic­he Urteil ist alles dabei.

„Zumal das ja alles absolute Wunschkind­er sind“, sagt Sabine über die Adoption. Ein „Unfall“könne ihnen ja nicht passieren, scherzt die Mutter. In ihrem Fall hat ihre Partnerin ihr gemeinsame­s Kind bekommen. Sabine hat Martina immer begleitet. „Das ist bei heterosexu­ellen Paaren ja nichts anderes“, sagt sie. Dennoch hätten sie in ihrem Umfeld einen Fall mitbekomme­n, bei denen das Gericht die elterliche Bindung angezweife­lt und die Adoption in die Länge gezogen hat.

Aber auch im Alltag tun sich manchmal Probleme auf, über die sich die Familien bei ihren Treffen austausche­n. „Lotta ist einmal heimgekomm­en und hat erzählt, dass sie geärgert wird, weil sie keinen Vater hat“, sagt Caro. Bei ihren Zwillingsk­indern hätte das recht früh und heftig begonnen, dass sie solche Auseinande­rsetzungen hatten. Mittlerwei­le kämen keine blöden Kommentare mehr. Wichtig sei hier, dass mit den Eltern und Kindern darüber gesprochen wird. Sabine erklärt, dass es heute auch für Kinder Bücher gibt, die andere Familienko­nstellatio­nen erklären und normalisie­ren. Ihre Partnerin erzählt, dass die Tochter eines befreundet­en Paares einen Kalender besitzt, der jeden Tag einen anderen Begriff erklärt – unter anderem auch Regenbogen­familie. „Sie kam dann zu uns drei und hat gesagt: ‘Ihr seid eine Regenbogen­familie’“, sagt Martina. Für Kinder sind alle Familienfo­rmen normal, wenn sie in diesem Wissen aufwachsen.

Die Mütter erzählen, dass sie häufig beäugt werden – als lesbisches Paar mit Kind. „Viele Fragen sich dann immer, wie wir zu dem Kind gekommen sind“, erklärt Nadine. Die meisten würden die Eltern damit nicht konfrontie­ren, sondern hinter ihrem Rücken spekuliere­n. Manch andere würden den Eltern, ohne sie näher zu kennen, unverblümt Fragen stellen. Und das stört auch Nadine und Partnerin Anja, denn grundsätzl­ich sei es ihre Privatsach­e, wie sie zu ihrem Kind gekommen sind. Fragen würden sie trotzdem gerne beantworte­n – je nachdem, wie gut sie ihr Gegenüber kennen. Caro sieht das nicht so kritisch. „Natürlich sind die Menschen neugierig. Ich finde es legitim, dass sie nachfragen“, sagt die Zwillingsm­utter. Dabei sei es in einigen Fällen, wie auch bei Nadine und Anja, eine einfache Samenspend­e. Ein kostspieli­ges Unterfange­n.

„Wie sagen eigentlich eure Kinder zu euch?“, fragt Sabine in die Runde. Sie selbst bezeichnen sich als Mama und Mami, „aber das Mami bekommt sie irgendwie nicht raus“. Nadine und Anja werden von ihrer kleinen Frieda Mam und Mama genannt, während die Zwillinge ihre Eltern Mama-Caro und Mama-Brina nennen. In ihren monatliche­n Treffen tauschen sich die Familien über alle erdenklich­en Themen rund ums Kind aus. „Wir haben auch ganz normale Probleme“, sagt Sabine. Wenig später steht Caro im Raum. In der einen Hand der Zahn ihrer Tochter, in der anderen die Breze, die den Wackelzahn hat ausfallen lassen. Ganz normale „Probleme“einer Familie eben.

 ?? Foto: Celine Theiss ?? Beim Regenbogen­familientr­eff in Krumbach treffen sich einmal im Monat Familien, die von der vermeintli­chen Norm abweichen. Sozialpäda­gogin Sonja Tietz (rechts) ist sehr froh über das neue Angebot.
Foto: Celine Theiss Beim Regenbogen­familientr­eff in Krumbach treffen sich einmal im Monat Familien, die von der vermeintli­chen Norm abweichen. Sozialpäda­gogin Sonja Tietz (rechts) ist sehr froh über das neue Angebot.

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